Ich, Badlands und der junge Terrence Malick

21.10.2011 - 08:50 Uhr
Martin Sheen in Badlands
Warner Bros. Pictures/moviepilot
Martin Sheen in Badlands
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Terrence Malick gefällt nicht jedem. Er ist ein Wunderling und hat auf der Uni vielleicht zu viel gelesen. Doch auch wenn man The Tree of Life übertrieben findet: Malicks Erstling Badlands sollte wirklich jeder eine Chance geben. Ich schenke ihm mein Herz.

Terrence Malick hat zuletzt The Tree of Life in die Kinos gebracht. Die einen machen ihn dafür zur Ikone des poetischen Kinos, die anderen halten ihn für einen weichlich-egomanischen Wahnsinnigen. Malicks Erstling Badlands – Zerschossene Träume ist noch meilenweit von Moldau-Musik und Vulkanausbruch entfernt. Und trotzdem steckt da schon so vieles drin, was The Tree of Life ausmacht. Badlands ist eine kleine Schöpfungsgeschichte, nur eben mit knallhartem Road Movie-Plot. Martin Sheen (Kit) und Sissy Spacek (Holly) spielen gewissermaßen Bonny und Clyde. Nach dem Mord an Hollys Vater ziehen sie durch die Lande und werden zu modernen Outlaws. Ich schenke Terrence Malick, Sissy Spacek und dem <i<Original Gangster Martin Sheen mein Herz für Klassiker.

Warum ich Badlands mein Herz schenke
“Suppose i’d shot you. How’d that be?” Hollys Vater zu erschießen, wäre ganz großartig. Denn mit dem Mord am Werbemaler sprengt Badlands sich den Weg in ein herrlich amoralisches Roadmovie und schafft sich seine ganz eigene ikonenhafte Welt. Kit möchte verreisen und er möchte, dass Holly ihn begleitet. Wenn man den Vater auslöschen muss, um an das geliebte Mädel zu kommen, dann ist das halt so. Weil Kit eine kompromisslose Figur ist, sieht er das ein und fackelt auch noch gleich das erinnerungsüberladene Zuhause seiner Holly ab. Von hier an sind die beiden Bonny und Clyde, waschechte Outlaws. Sie leben im Wald und sind auf der Flucht. Kit fühlt sich gezwungen, immer weiter zu morden, aus reiner Logik, aus Entscheidung, niemals aus Hass. Das ist natürlich weltfern und verantwortungslos. Doch nie wurde die brutale Karriere so unbestechlich eigenartig und unpsychologisch inszeniert.

Warum auch andere Badlands lieben werden
Badlands hat für jeden etwas zu bieten. Schon rein visuell gehört er mit zum ganz Feinen. Terrence Malick ist ein großer Fan der Golden Hour. Das ist die kurze Zeitspanne morgens und abends, wenn das Licht so warm und anders wird, weil die Sonne am Horizont steht und durch die Atmosphäre scheinen muss. Die Dinge werden nicht nur mittäglich totgestrahlt, sondern leuchten sehr geheimnisvoll. Malicks In der Glut des Südens wurde fast komplett in dieser Lichtstimmung gedreht. In Badlands nutzt Malick auch die Golden Hour. Das Ergebnis sind unsterbliche Szenen: Martin Sheen steht im Flusswasser und versucht, sich ein paar frische Fische mit seinem Revolver zu erschießen. Das wirklich umwerfende Licht hüllt die psychotisch-göttliche Szene in einen ruhige Stimmung. Das kommt oft vor. Die schräge Story wird nicht nur durch den linearen Road-Movie-Plot, sondern auch durch die natürliche und stimmige Lichtregie zusammen gehalten. Wer mit Sonne, Mond und Sterne nichts anfangen kann, dem sei gesagt: Der Film hat auch noch einen mannigfaltigen und verspielten Soundtrack.

Warum Badlands einzigartig ist
Der ganze Film, alle seine Einzelteile, erscheinen ziemlich einzigartig. Doch gute Lichtregie, ein erfrischendes Drehbuch, intuitiv-stimmungsvolle Kamera-Sprache – das kommt alles mal wieder vor. Was ich wirklich einzigartig finde, das ist Martin Sheen in diesem Film von Terrence Malick. Ich habe nichts gegen Sissy Spacek, ganz im Gegenteil. Aber Martin Sheens Kit entwickelt in Malicks Film eine so starke, irreale Aura, wie ich sie sonst selten gesehen habe. Vielleicht reicht Rutger Hauers Performance in Blade Runner da heran.

Gegen Ende des Films entscheidet sich Kit nach einer handfesten Verfolgungsjagd für die Aufgabe. Er stellt sich der Polizei und lässt sich gefangen nehmen. Er setzt sich einen Hut auf, misst sich den Puls und baut noch schnell einen Steinturm. Er entwirft seinen eigenen Mythos. Das ist selbstverliebt und kindisch, dumm und überflüssig. Doch Martin Sheen schafft es, seine Figur zu einem lebendigen Kind-Gott zu machen. Sein jungenhafter, drahtiger Körper springt und rennt und posiert als gäbe es kein Morgen mehr, als lebte er immer im absoluten Jetzt. Außerdem fällt mir kein anderer ein, der seine Dialoge in einem so konservativ-amerikanischem Dialekt hätte sprechen können. “My name´s Kit Carruthers. I shoot people now and then”. Für mich eine der unwirklichsten und gleichzeitig lebendigsten Filmfiguren seit es den Western gibt. Ich ahne, warum Francis Ford Coppola ihn in Apocalypse Now besetzt hat.

Warum Badlands die Jahrzehnte überdauert
Badlands wird immer wieder zu Fans kommen. Das Bonny und Clyde-Roadmovie ist so reich und individuell inszeniert, dass man es nicht durch eine beliebige Variante ersetzen kann. Der Film mag die Wurzeln in seiner Zeit haben. Er mag an wirklichen Massenmörder-Biographien angelehnt sein und irgendwie auch das Trauma des amerikanischen Vietnam-Krieges behandeln. Wichtig ist aber, dass er zeitlos gut funktioniert. Die Lichtstimmungen, die lakonisch-universellen Dialoge, der schwebende Soundtrack, die vielen Morde – Badlands berührt Leute heute, morgen und übermorgen. Wie oben gesagt, der Film ist eine kleine Schöpfungsgeschichte. Zwei Menschen gehen über Leichen und schaffen sich eine ganz eigene Filmwelt, die so nicht wiederkehren wird. Ich habe den Film aus dem Jahre 1973 vor ein paar Jahren gesehen. Auf mich wirkte er frisch und innovativ. Ich konnte nicht fassen, dass der Film nicht noch viel bekannter ist. Natürlich hat er auch eine ganze Menge Retro-Charme, doch das ist nicht das eigentliche Schöne an Badlands.

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