Hardcore-Sex im Mainstream – Ende eines Kinotabus?

02.04.2014 - 08:50 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
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Im (Mainstream-)Kino wird Sex für gewöhnlich simuliert, also auf eine nicht-explizite Art dargestellt. Doch eigentlich spräche nichts gegen Hardcore-Sex in Spielfilmen. Auch prominente Besetzungen sind kein Hindernis mehr.

Erzählkino und unsimulierter Sex gehen wunderbar zusammen. Dennoch wird die Vorstellung von Pornographie – das Bild der Darstellung von tatsächlichem Sex – durch eine auf Funktionalität und Stimulierung reduzierte Pornofilmindustrie eingeschränkt. Pornographische Ästhetik scheint so eng mit der Fließbandproduktion (und damit Repräsentation) von Pornographie verzahnt, dass der Eindruck entsteht, explizite Sexdarstellungen seien dem Pornogeschäft vorbehalten.

Dass das nicht immer so war, hat unter anderem Jochen Werner in seiner Artikelserie auf moviepilot veranschaulicht. Er sprach, wie auch Christian Keßler in dem lesenswerten Buch Die läufige Leinwand, vom Goldenen Zeitalter des Pornospielfilms, einer insbesondere während der 1970er Jahre blühenden Filmlandschaft, die Hardcore-Sex vollkommen selbstverständlich mit erzählerischen und experimentellen Ansätzen verband. Ein Pornospielfilmkino also, das Geschichten erzählte, Genres überging oder Agitation betrieb, in dem sichtbar geblasen, geleckt, gefickt wurde. Weil das schön ist und richtig und wichtig.

Aus pornogewerblichen Kontexten lösen

Mir geht es nicht um Pornospielfilme, sondern eine Idee von Kino, bei der sich "gewöhnliches" Filmemachen und Pornographie überhaupt nicht ausschließen müssen. Wahrscheinlich können die vielfältigen filmischen Darstellungsformen von Hardcore-Erotik nur mithilfe des Kinos aus ihren langweiligen pornogewerblichen Kontexten befreit werden. Es hat lange gebraucht, ehe unsimulierter Sex und Spielfilmdramaturgien jenseits des Pornokinos erneut zueinander fanden. Seit Lars von Trier und seinen Idioten ist die freie Darstellung unbedeckter Vaginen, steifer Schwänze oder sichtbarer Penetration in bürgerlichen Kinos keine Utopie mehr. Filme wie Romance, Intimacy oder 9 Songs haben um die Jahrtausendwende gezeigt, dass Hardcore-Sex hierzulande sogar ab 16 Jahren freigegeben werden kann.

Kino in seiner ganzen Vielfalt

Das Skandalöse soll stattdessen in den Filmen selbst zu finden sein. Als Argument für eine gewisse Form von Befreiungsschlag erschließt sich mir die zunächst auf mehr oder weniger kontroverse Filme wie Baise Moi – Fick mich!, Irreversibel oder Ken Park beschränkte explizite Darstellung von Sex durchaus (und kontrovers meint hier eben nicht allein die Darstellung, sondern Themen der Filme). Doch andererseits kann man bedauerlich finden, dass unverstelltes Ficken im Nicht-Pornokino entweder an Geschichten über Selbstzerstörung, Vergewaltigung oder Mord und Totschlag gebunden war.

Damit beschränkte sich Hardcore-Sex um die Jahrtausendwende herum auf Spiefilme, die sehr nahe liegend von Menschen und ihren Beziehungen, von Liebe, Sex und Zärtlichkeit erzählten. Für den Anfang mögen Battle in Heaven, Shortbus oder Brown Bunny interessante Wegsteine bilden, ebenso die expliziten Feuchtgebiete deutscher Fasson. Aber es ungleich spannender, würde sich unsimulierter Sex im Kino auch über andere Sujets und Genres erstrecken. Wenn er nicht allein Arthäuser, sondern das Kino in seiner ganzen Vielfalt anheizen dürfte - von Das Fleisch der Wassermelone zum Multiplex-Mainstream.

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