Die Geschichte der Pornografie ist, wie in den zuvorigen Texten gezeigt wurde, immer auch eine Geschichte ihrer Speichermedien und ohne deren Technikgeschichte nicht zu denken. So wie die Pornografie der frühen Jahrzehnte an die eher konspirative Aufführungspraxis in Bordellen oder Herrensalons gebunden war und sich der potenzielle Adressatenkreis früher Pornofilme schon aus dieser Praxis heraus einschränken musste, so sehr öffnete sich der Pornofilm durch seine Legalisierung in den 1970er Jahren und seine Ausrichtung auf die Kinoleinwand hin auf ganz neue künstlerische Potenziale und ansatzweise auch Publikumsschichten hin. Der Pornofilm, der sich mit der (mehr oder weniger) großen Leinwand auseinanderzusetzen hatte, auf die er – in den Filmpalästen des Broadway oder dem abgeschrabbelten Bahnhofskino um jede Ecke – projiziert wurde, näherte sich durch seine Einordnung in ein Kinodispositiv der Form des Spielfilms weiter an als das VHS-Tape, auf das er anschließend jahrzehntelang abgeschoben wurde. Die Folge war so eindeutig wie schlüssig: ein Pornofilm wurde nicht mehr angeschaut, er wurde, die Rezeption auf dem heimischen TV-Screen legte es allzu nahe, durchzappt.
Einen weiteren entscheidenden Paradigmenwechsel erlebte der Pornofilm in der letzten guten Dekade, in dem nicht nur die selbstverständliche Bewegung im Internet jedenfalls in der westlichen Welt endgültig zur flächendeckenden und unverzichtbaren Selbstverständlichkeit wurde, sondern das World Wide Web auch endgültig die gute alte Videothek als Distributionsplattform für Pornografie jedweder Couleur ablöste. Wer noch im alten Jahrtausend aufwuchs, für den gehört es zumeist zur Allgemeinbildung, dass eigentlich jede Videothek den allergrößten Teil ihres Umsatzes machte mit – eben: Pornografie, und während die Pornoindustrie den Medienwechsel vom VHS-Tape zur DVD am Ende der 1990er Jahre zunächst noch halbwegs unbeschadet überstand, bietet sich dem geneigten Videothekenkunden heutzutage doch allzu oft ein dramatisch verändertes Bild. Die Pornoabteilungen, die vor zehn, fünfzehn Jahren oft noch raumgreifender waren als die familienfreundlichen Bereiche einer durchschnittlichen Videothek und zumeist zum Bersten gefüllt mit schreiend hässlichen, sexistischen Porno-Tapes oder -DVDs, sind heute, wo sie überhaupt noch existieren, oft eher gottverlassene, enge Besenkammern, in denen einsam ein paar Handvoll alter DVDs vor sich hinstauben. Heißt das aber nun, dass die Pornografie auf dem Rückzug ist? Nö. Eher im Gegenteil, sie ist präsenter denn je. Und auch – doch, doch – vielfältiger, ansatzweise jedenfalls.
Denn der oberflächliche Blick auf die größeren Porno-Websites im Netz – im Wesentlichen auf die Tubes, die den schnellen Zugriff auf gefilmte Pornografie noch einmal bedeutend erleichterten, indem sie die Notwendigkeit, Material aus obskuren Quellen auf die eigene Festplatte herunterladen zu müssen, Vergangenheit werden ließen – zeigt zunächst einmal, dass das absolute Gros der dort verfügbaren Videos noch immer schlichtweg aus raubkopierten Schnipseln kommerziell produzierter Pornofilme besteht. Es ist also keineswegs so, dass handstreichartig die generationlang eingeübten Standards der Mainstreampornografie einer neuen Ästhetik gewichen wären – nein, der allergrößte Teil dessen, was auf YouPorn, XHamster, XNXX & Co. so gestreamt wird, ist exakt der gleiche – sogar: derselbe – frauenhassende, obszöne Mist, der zuvor die Videothekenregale mit sich vollgemacht hat. Aber dazwischen lässt eine angekündigte Revolution erste, sanfte, aber inzwischen unübersehbare Blüten sprießen.