Game of Thrones - 6. Staffel, 9. Folge im Recap

21.06.2016 - 09:16 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
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Game of Thrones fährt seine aufwendigste Schlachtenszene auf, doch mehr als die von Pfeilen durchbohrten Körper in der Schlacht der Bastarde sollte ein Lächeln im Dunkeln beunruhigen.

Eine Kehle wird durchgebissen, ein Kinderleib von Pfeilen durchbohrt, Pferde prallen gegen Menschen prallen gegen Riesen prallen gegen mächtige Tore. Die Schlacht der Bastarde macht ihrem martialischen Titel alle Ehre. In der Geschichte von Game of Thrones, die immerhin Blackwater, Watchers on the Wall und Hardhome umfasst, hat Battle of the Bastards hinsichtlich Aufwand und Choreografie von Schlachtenszenen im Fernsehen einen neuen Maßstab gesetzt. "Fernsehen" wird dem, was hier von HBO aufgeboten wird, nicht gerecht. Game of Thrones ist ein Blockbuster, dessen Zuschauer sich nicht in höchster Erwartung um Straßenzüge schlängeln, sondern durch ihren Andrang Server in die Knie zwingen. Die Serie bewegt sich mittlerweile in einer Stratosphäre des Spektakels, in der sich selbst ihre Maskottchen - die Drachen - nicht mehr aufzuschwingen vermögen. Als Randnotiz dieser 9. Episode der 6. Staffel flambieren sie ein paar Schiffe, wohingegen früher ihre Schatten auf Promo-Postern und DVD-Covern genügten, um einen in ein verlorenes Wochenende des Serien-Bingens zu stürzen.

Game of Thrones

Eigentlich war diese Reise-Etappe im Abenteuer Game of Thrones unausweichlich. Im voraussichtlich letzten Drittel der Serie genügt es nicht mehr, sich auf das "Winter is Coming" zurückzuziehen, das Versprechen muss eher früher denn später eingelöst werden. Selbst wenn also die klima(k)tischen Bedingungen noch nicht recht mitspielen, bildet mittlerweile jede Schlacht eine automatische Verpflichtung zum nächstgrößeren Spektakel. So können die Showrunner David Benioff und D.B. Weiss zwar auf das Arsenal einer Blockbuster-Produktion zurückgreifen, laufen in jeder weiteren Staffel allerdings Gefahr, in die damit verbundenen Fallen solcher Franchise-Produktionen zu tappen, vor denen uns das goldige Serienwunder ja eigentlich bewahren sollte: Der T. rex wird vom Spinosaurus, dann vom Indominus rex verdrängt und diese Recap-Reihe erhält endlich eine Dino-Referenz. Das Spektakel gerät früher oder später zur Raison d'être, Komparsen und CG-Effekte verschütten Drehbücher, die Sequelisierung treibt Figuren voran, nicht ihre Motivation.

Battle of the Bastards verbrät seinen CG-Überschuss nun in Meereen, wo Drachen aus Pyramidenkellern ausbrechen. Regisseur Miguel Sapochnik und sein Team versuchen die Intensität der Bastard-Schlacht vor Winterfell hingegen durch die Immersion des Zuschauers zu maximieren. Von der Vogelperspektive aus nähern wir uns den Heeren von Jon Snow (Kit Harington) und Ramsay Bolton (Iwan Rheon) so beharrlich, bis der Atemzug eines einzelnen Kriegers die Tonspur einnimmt. In ihrer Variation der Perspektiven und filmischen Mittel erscheint die Schlacht der Bastarde wie ein Best-of des Kriegsfilms der letzten 25 Jahre (Zeitlupe, Plansequenz, Variation der Verschlusszeit). Dennoch beeindruckt sie durch ihre heftige Originalität, dank der das Schlachten nicht zum unreflektierten Selbstzweck verkommt. Das geflügelte Wort von den Serien als neuem Kino kann ich nicht mehr hören. Doch wühlt sich Jon Snow durch einen Berg toter, sterbender und lebender Körper ans Tageslicht, finden die Macher ein großartig erschütterndes Motiv für den Krieg, der über die Sieben Königreiche hinwegrollt und auf den sich auch Sympathieträger wie Daenerys Targaryen (Emilia Clarke) eingeschworen haben. Von den Toten auferstanden findet sich Jon in der menschengemachten Hölle wieder. Solche Momente und nicht die CG-Drachen und CG-Heere erinnern daran, wie weit das Fernsehen erzählerisch seit der Premiere von Die Sopranos 1999 vorangeschritten ist. In Meereen träumen wir davon, Daenerys und Yara (Gemma Whelan) zu shippen und die beiden Frauen versprechen, ihren Nachkommen die Welt besser zu hinterlassen, als sie sie vorgefunden haben. Über wie viele Leichenberge werden sie dafür stapfen und fliegen?

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Obwohl die bisher aufwendigste Schlacht in der Geschichte von Game of Thrones mit einem toten Stark-Jüngling beginnt und einem sterbenden Riesen (#RIPWunWun) endet, obwohl Jon beinahe erstickt, Tormund (Kristofer Hivju) fast draufgeht und Sansa (Sophie Turner) den Norden rettet, mag das Hacken, Beißen und Schießen nicht die emotionale Sogkraft aufbauen, die der tosende Aufwand verlangt. Dafür wurde Rickon Stark von den Autoren schon zu früh durch sein Schweigen zum Tode verurteilt [1]. Jon tappt in seinem Rachedurst in eine für alle Welt sichtbare Falle, als er auf die Heerscharen Ramsays zustürmt, anstatt diese wie geplant in die eigene Zange zu zwingen [2]. Der sadistische Ramsay gibt sich insgesamt viel klüger als seine Gegner, weshalb ich mich nach vier Staffeln beinahe auf seiner Seite wiederfinde. In was für gruselige dunkle Winkel des Geistes einen die Stark-Dummheit treibt...

"And I imagine your offer is free of any marriage demands?" - "I never demand, but I'm up for anything, really."

Dann ist da noch Sansa, die auch neben LeBron James  aufs Gefecht hätte blicken können und es hätte mich kaum gewundert. Ihr Brief an Littlefinger (Aidan Gillen) wurde angedeutet. Schwerer zu erklären ist ihr Schweigen über die mögliche Hilfe für die Streitkräfte des Halbbruders. In erster Linie leistet es der Dramaturgie der Schlacht und damit den Autoren Vorarbeit, nicht ihrem durchaus klugen, berechnenden Charakter. Über solche Unstimmigkeiten hüllen die Autoren in letzter Zeit lieber den Mantel des Schweigens. Bei einem zweistündigen Blockbuster sieht man darüber hinweg, bei 59 Stunden Serienunterhaltung eher nicht. Da fällt es zudem auf, wenn Schlachten wiederholt durch Retter in letzter Sekunde entschieden werden, ob sie nun Baratheon, Tyrell oder Baelish heißen. Für jede vorzüglich gespielte Szene, in der Tormund und Davos (Liam Cunningham) darüber zweifeln, wem sie ihre Loyalität schenken, fahren die Game of Thrones-Autoren eine auf, die diese komplett untergraben müsste, es aber nicht tut. Zu guter Letzt stolpert Davos im Schnee über Shireens Hirschfigur, was insgesamt eher so wirkt, als hätten Benioff und Weiss ein Gerümpel vergessener Plot-Stränge über dem Drehbuch ausgeschüttet. Ach ja, Melisandre (Carice van Houten), da war ja noch was...

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"No one can protect me. No one can protect anyone", intoniert Sansa gegenüber Jon, was eine der spannendsten Charakterentwicklungen der ganzen Serie weiterführt. So viel Qual und Mord quillt manchmal aus den Rändern der Serie, dass die Opfer aus den Blick geraten. Opfer wie Daenerys, die sich nun ganz der Erhabenheit des Herrschertums ergibt. Derart scheint sie von ihren Untertanen durch CGI und Tyrions Existenzberechtigung getrennt, dass sie im Zusammenspiel mit der mächtig flirtenden Yara Greyjoy menschlicher wirkt als im Angesicht ihrer brennenden Stadt. Tyrion (Peter Dinklage) kann seine Targaryen-Herrscherin gegenüber den drei aufständischen Mastern noch zur symbolischen Handlung bewegen, welche die Loyalität via Machtdemonstration erzwingt. Sansa indes durchschaut Ramsays Falle und findet sich schließlich vor dem Kerker ihres Peinigers wieder. Statt der öffentlichen Hinrichtung begegnet sie Ramsay mit seinen eigenen Mitteln, lässt ihn durch seine Hunde zerfleischen. Und lächelt.

Von allen Figuren in Game of Thrones hat Sansa Stark wohl mittlerweile den interessantesten Arc. Virtuos inszenierte Gewalt gehört schließlich zu den Schauwerten der Serie, weshalb sie dank eintöniger Figuren wie Ramsay nicht selten dem Sadismus ihrer Figuren erliegt. Indem Sansas Trauma thematisiert wird, entledigen sich die Autoren nicht einfach der Konsequenzen ihres sonderbaren "Spektakels", das durch die diversen Morde und Auferstehungen in dieser Staffel austauschbar zu werden droht. Gerade in einer Episode mit exorbitanter, aber auch vorhersehbarer Body Count braucht es deswegen einen psychologischen Fixpunkt wie Sansa, so unplausibel ihre Emanzipation bis zur Kerkerszene auch vorbereitet wird. Sie will die Erinnerung an Ramsay ausmerzen, ihr Trauma auslöschen, in dem sie perfiderweise seine Methoden anwendet. Ramsay wurde durch die Autoren eingeführt und aufgebaut, um erst ausnahmslos gehasst, dann rücksichtslos bestraft zu werden. Mehrere Staffeln litt Sansa zu Händen jungenhafter Sadisten, bevor sie endlich Rache an einem Täter nehmen "darf": indem sie selbst zur Tat schreitet und die Inszenierung den Zuschauer förmlich einlädt, ihr Lächeln über die Befreiung von Ramsay nachzuahmen. Wenn etwas in Winterfell verblasst, dann die Erinnerung an Ned Stark und all das, wofür er stand.

Zitat der Folge: "Happy Shitting."

Alle Recaps zur 6. Staffel von Game of Thrones:

6. Staffel, 1. Folge - The Red Woman
6. Staffel, 2. Folge - Home
6. Staffel, 3. Folge - Oathbreaker
6. Staffel, 4. Folge - Book of the Stranger
6. Staffel, 5. Folge - The Door
6. Staffel, 6. Folge - Blood of My Blood
6. Staffel, 7. Folge - The Broken Man
6. Staffel, 8. Folge - No One

[1] Sein gradliniger Sprint prädestiniert Rickon für das Prometheus-Sequel.

[2] Vielleicht hat Tormund bei der Besprechung mehr verstanden als sein Anführer.

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