Feud: Bette & Joan - Der Pilot-Check zur stargespickten Serie

09.03.2017 - 09:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
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Ryan Murphy verfilmt mit der Fehde von Bette Davis und Joan Crawford ein Traumprojekt, doch kann Feud den Hollywood-Vorbildern nur ansatzweise das Wasser bzw. den Wodka reichen?

"Würdest du sie ficken?" Das sind die ersten Worte, die wir aus dem Mund von Studiochef Jack L. Warner hören. Er spuckt sie halb gelangweilt vor die Füße des Regisseurs, der Warner davon überzeugen will, Was geschah wirklich mit Baby Jane? zu verfilmen. Bette Davis und Joan Crawford, das "sie" in "Würdest du sie ficken?", haben Oscars gewonnen und Legendenstatus erreicht. Aus heutiger Sicht gehören sie zu den größten Stars der Filmgeschichte. Damals, 1961, hängt allerdings die F-Frage über ihren Köpfen. Davis und Crawford haben die 50 überschritten. Im frauenfeindlichen Geschäft mit den Stars bedeutet das im schlimmsten Fall das Todesurteil für die Karriere, im besten lebenslange Verdammung zu Muttchen-Rollen. So ähnlich fielen und fallen die Worte Warners in den Villen Hollywoods tausendfach. Daran lässt die Anthologieserie Feud von Ryan Murphy (American Horror Story) keinen Zweifel. Bette Davis und Joan Crawford sind die Hauptfiguren der 1. Staffel, Susan Sarandon und Jessica Lange die Hauptdarstellerinnen. Männer wie Jack Warner spielen nur die Nebenrolle. Dennoch erklärt sich die legendäre Fehde der beiden Diven zu einem Großteil aus den vielen Jack Warners, denen Crawford und Davis auf dem Pfad zum Hollywood-Olymp begegnen mussten.

Susan Sarandon und Jessica Lange in Feud

Die neue FX-Serie Feud soll in jeder Staffel eine andere Fehde behandeln, die nächste steht mit Prinz Charles und Diana Spencer bereits fest. Dass wir es bei dieser 1. Staffel über Bette Davis und Joan Crawford mit einem Herzensprojekt von Produzent Ryan Murphy zu tun haben, schreit der Pilot aus jeder Einstellung. Murphys letztes Prestigeprojekt The People v. O. J. Simpson: American Crime Story wurde hauptsächlich von Scott Alexander und Larry Karaszewski geschrieben. Bei Feud legt er zusammen mit seinem AHS-Ko-Autor Tim Minear selbst Hand an. Gemeinsam erzählen sie die Geschichte zweier überlebensgroßer Diven des klassischen Hollywood-Kinos und ihres späten Aufeinandertreffens am Set des Kultfilms Was geschah wirklich mit Baby Jane? Dessen groteske Titelfigur, ein alternder Kinderstar, der seine gelähmte Schwester mehr aus Hass denn Liebe pflegt, besitzt Vorbildcharakter für die Schurkengalerie aus American Horror Story. Die psychische und körperliche Ausbeutung der weiblichen Stars durch ihre männlichen Altersgenossen fügt sich ebenso in Murphys bisheriges Serienschaffen ein. Feud scheint also eine ganze Reihe von Murphy-Faszinationen auf den Punkt zu bringen und vielleicht wirkt die Serie in ihren Anfängen deswegen so satt, so selbstzufrieden.

Murphy-Muse Jessica Lange spielt Joan Crawford. Jahrelang musste die sich aus dem Schatten ihres Sex-Appeals kämpfen, bevor sie 1945 mit Solange ein Herz schlägt als Schauspielerin für oscarwürdig befunden wurde. Anfang der 60er Jahre sind die akzeptablen Rollen im Kino rar geworden, Crawford will allerdings nicht in Fernsehpiloten versauern, um die Rechnungen zu bezahlen. Die Rolle des Kinostars hat sie sich schließlich mit harten Bandagen verdient. Sie stößt auf Henry Farrells Geschichte zweier Schwestern. Die eine wurde als Kinderstar im Varieté berühmt und dann vergessen. Die andere stieg zum Filmstar auf, bevor sie durch einen Autounfall in den Rollstuhl befördert wurde. Nun verbringen sie ihre Tage außerhalb des Scheinwerferlichts, eine gegenseitige Abhängigkeit, die sich in Psychoterror und Schlimmerem äußert. Crawford sieht ihre Chance gekommen und hält den perfekten Marketing-Pitch parat: Zum ersten Mal will sie gemeinsam mit ihrer realen Intimfeindin Bette Davis vor die Kamera treten und das in einer Geschichte, bei der Fiktion und Casting-Realität sich gegenseitig speisen. Davis (Susan Sarandon), die ihrerseits von Produzenten als hässliches Entlein abgetan wurde, bevor und nachdem sie zwei Oscars gewann, ist die "Schauspielerin" neben dem "Star" Crawford. Letztere lebt in der kantenlosen Kulisse eines Pepsi-Werbespots. Bei Davis überwiegen die dunklen Holztöne, alles scheint edler, mehr Neuengland als neureiches Beverly Hills. Sie teilen die Einsamkeit des Ruhms.

Stanley Tucci in Feud

Da sich Staffel 1 von Feud mit einem biographischen Ausschnitt aus den langen Leben seiner Stars befasst, knarzt die erste Folge unter der Last der Filmgeschichte. Die Eleganz des Drehbuchs im Umgang mit dem mutmaßlich mangelhaften Vorwissen des Zuschauers variiert dabei. Catherine Zeta-Jones (als Olivia de Havilland) und Kathy Bates (als Joan Blondell) tauchen in rahmenden "Dokumentaraufnahmen" auf, um uns Sterbliche über die Natur der Fehde von Crawford und Davis aufzuklären (es geht um Schmerz, nicht Hass!). Schon das durchaus geniale Casting von Bates als flachsende Blondell rechtfertigt die Einschübe. Weniger Freude machen die Dialoge mit ihren historischen Exkursen und Erklärungen der Motivation unserer Heldinnen.

Eine Prise Entertainment Tonight lässt sich aus Feud herausschmecken, egal wie hochwertig Szenenbild und Casting ausfallen, und hochwertig scheint mir der Naturzustand dieser Serie zu sein. Feud steht ein erstklassiges Ensemble zur Verfügung, mit Lange und Sarandon im Scheinwerferlicht, unterstützt von der vorzüglichen Judy Davis als Klatschreporterin Hedda Hopper, Stanley Tucci als Jack Warner und Alfred Molina als Mediator/Regisseur Robert Aldrich. Sie spielen Größen, die sich mit aller Macht an die Ränder des Olymps krallen, während dessen Säulen bröckeln. Nur klärt uns das Drehbuch über jeden zu Boden fallenden Krümel einzeln auf, obwohl das Zucken einer Augenbraue von Lange es ebenso tun würde.

Alfred Molina in Feud

Die beiden Hauptfiguren sind Ikonen, auch außerhalb der Kinosäle. Ihr Privatleben wurde in zahlreichen Memoiren mit schwankenden Wahrheitsgraden ausgerollt. Allen voran im Camp-Klassiker Meine liebe Rabenmutter. In dem spielt Faye Dunaway Joan Crawford als keifendes Monster, das seine arme kleine (und glücklicherweise unsympathische) Tochter quält. Murphy kann sich Verweise an diesen Star-Kanon nicht verkneifen, etwa was das Schönheits-Regime von Crawford angeht. Immerhin begibt er sich mit Jessica Lange auf die Suche nach der Verletzlichkeit Crawfords. Diese offenbart sie in der 1. Folge von Feud erst vor der Filmkamera und in fremden Kleidern. Die schwierigere "Rolle" als Hollywood-Star wirkt demgegenüber versteinert zwischen unerfüllbarem Selbst- und Fremdbild.

Die größte Herausforderung von Feud könnte die mit acht einstündigen Folgen schon knapp bemessene Länge der Staffel sein. Wie viel Ballast der Filmgeschichte müssen die Autoren noch ungelenk in ihren Büchern unterbringen? Und wann blendet die Nacherzählung des Fans Ryan Murphy über ins selbst entfaltende Drama? Die erste Episode lädt jedenfalls ein zum Zweifeln. Das soll die Genüsse dieser Serie nicht unterschlagen, die sich gerade bei den lustvoll aufspielenden Darstellern finden. Jeden bissigen Nebensatz, jedes abfällige Augenrollen verzehren sie, als läge eine monatelange Hungerkur hinter ihnen. Schreitet Sarandons Bette Davis erstmals triumphal im schockierenden Baby Jane-Make-up aufs Set, verfallen die Anwesenden in Ovationen. Man will es ihnen gleichtun. Dabei sind es murphysche Überzeichnungen wie diese, die in ihrer Gemütlichkeit langweilen können. Wenn schließlich der Film im Kern, Was geschah wirklich mit Baby Jane?, eines nicht war, dann gemütlich, selbstzufrieden oder satt. Es war in seinem Geschmacksgrenzen überschreitenden Horror ein Werk von Verzweifelten über Verzweifelte. Diese Rohheit hat er sich bis heute erhalten. Und es war schon damals bewusst ein Film über Joan Crawford und Bette Davis und das Älterwerden in einer Industrie, die dies nur ihren männlichen Mitgliedern erlaubt. In einer Szene beim Test-Screening zieht ein Produzent über Bette Davis' Jane her. Wir sehen echte Filmaufnahmen der jungen Schauspielerin. Sie könne nicht ordentlich gehen, meint er. Was dann auch nichts anderes ist als ein jugendfreies "Nein" auf die F-Frage.

Feud läuft Sonntags in den USA bei FX. Die einzelnen Folgen sind bei den US-Ablegern von Amazon, iTunes und Google Play erhältlich.

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- Ich würde mal behaupten, dass einem Feud besser gefällt, je weniger Vorwissen man mitbringt. Trotzdem sei an dieser Stelle die Joan Crawford-Reihe des Podcasts You Must Remember This  als Einstieg empfohlen.

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