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Eine Ode an die Vielseitigkeit Steve Buscemis

13.12.2016 - 00:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Alles Gute zum Geburtstag!
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Alles Gute zum Geburtstag!
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Mit seinem markanten Gesicht ist der primäre Nebendarsteller Steve Buscemi vor allem für seine Außenseiterrollen bekannt. Der schon seit den 80er Jahren tätige Schauspieler und Regisseur hat aber weitaus mehr zu bieten.

Der letzte Monat des Jahres ist schon lange angebrochen. Zum Abschluss von 2016 widmete der Schreibzusammenschluss Textgeschenke zum Geburtstag seine hymnischen Text- Gesänge einem Star aus der zweiten Reihe, der eigentlich schon längst seinen Platz in der ersten Riege verdient hätte und heute 59 Jahre alt wird: Steve Buscemi.


(VincentVega) über Coffee and Cigarettes (1989/2003)

Cigarettes and coffee, man, that's a combination.
als Kellner

Schwarz und weiß. Kaffee und Kippe, klar. 11 Episoden. 11 kleine, alltäglich beiläufige, skurrile, lakonische Episoden. Mit verschiedensten Charakteren, die sitzen, die reden, die rauchen, die Kaffee trinken. Mit Molina, Benigni, Iggy Pop, Murray und - Steve Buscemi.

Steve Buscemi passt hervorragend in einen Film wie, "Coffee & Cigarettes". Mit seinen kleinen, genialen Szenen, mit einem Sammelsurium an Menschen die hier einfach nur da sind und leben. Es gibt keine dramatische Geschichte, keine Twists, keinen donnernden Soundtrack. Jim Jarmusch wirft einfach nur einen Blick in den Alltag der Menschen, welche nicht zum Zahnarzt gehen möchten, sich über Elvis, alternative Medizin oder Teslaspulen unterhalten über eben das worüber man halt so redet, bei einem Kaffee.

Es geht ums Philosophieren, Reflektieren, um Smalltalk. Um die Freuden und Leiden im Leben. Vereint werden diese Episoden durch ihr kontrastreiches Schwarz-Weiß Bild, wodurch die Episoden nochmals an Charme gewinnen und das Zusammenspiel aus Thematik und Optik darin seinen Höhepunkt findet.

Im Endeffekt ist Steve Buscemi hier nur ein kleiner Baustein, er ist einer unter vielen und doch ist seine Episode einer der stärksten im Film. Das ist auch irgendwie repräsentativ für seine Karriere, er war immer einer unter vielen und doch irgendwie besonders. Buscemi war immer einer der sich in kein Schema pressen ließ und sich scheinbar den Fesseln Hollywoods regelmäßig entreißen konnte und so passt er auch wunderbar in diesen Jarmusch-Film, als rätselhaft poetischer Kellner irgendwo in New York.

Dann bleibt mir nur noch Steve alles Gute zu wünschen, auf weitere 60 Jahre!



doktormovie über Reservoir Dogs (1992)

Hey, niemand tauscht hier irgendwelche Namen aus… Das ist hier keine gottverdammte Sitzung des Parlaments, weißt du?
als Mr. Pink

Wir schreiben das Jahr 1992. Quentin Tarantino, mittlerweile als Kultregisseur und Filmgott verehrt, kannte noch niemand und sein Erfolg lag noch in den Sternen. Trotzdem setzte er sich mit seiner selbst erfundenen Art, Handlung durch Dialoge zu erzeugen durch und so kam sein Spielfilmdebüt „Reservoir Dogs“.

Die sehr bekannte erste Szene des Films ist charakteristisch für alle Tarantino-Filme die danach folgten, eine sehr schlichte, einfache Szene. Sieben Männer sitzen in einem Diner, frühstücken und führen Diskussionen über Madonnas „Like A Virgin“, Adressbücher und Trinkgeld, zehn Minuten lang. Trotzdem ist jede Sekunde fesselnd, lustig und irgendwie spannend. Und dieses Prinzip zieht sich durch "Reservoir Dogs".

Der Film spielt zu 70% in einer Lagerhalle und ist daher mehr Theater als Film. Ein Dialogfilm eben, wie ihn nur Tarantino schreiben kann. Doch nicht nur Tarantino war 1992 noch neu im Geschäft, sondern auch Steve Buscemis Karriere wurde mit Tarantinos Kultfilm gesichert.

Warum bin ich Mr.Pink?

Weil du eine Schwuchtel bist.
Ein Zitat, das jeder Tarantino und/oder Buscemi– Fan in sein Herz geschlossen hat.

Tarantino hat 1992 sein erstes Meisterwerk erschaffen, welches mit der Mischung aus spannenden Dialogen, Action und schwarzem Humor eine Blaupause für alle anderen Tarantino-Filme und sämtliche Kopien war. Ein sehr wichtiges Werk und ein Geniestreich!



Laudania über Living in Oblivion (1995)

Great! I freak in your dream, I freak out in my dream, no wonder I'm so fucking exhausted. - Nick
als Nick

Steve Buscemi ist prädestiniert für die Rolle des exzentrischen, des egomanischen und egozentrischen Künstlers, dem man cholerische Anwandlungen zugestehen kann.

Ich wollte mir „Living in Oblivion“ eigentlich nochmal angesehen haben, bevor ich diesen Text schreiben wollte, aber die Umstände haben dazu geführt, dass dies nicht passiert ist und der Film gerade nebenbei läuft, weil ich ihn gerade angemacht habe.

Das letzte Mal sah ich diesen Film 2007, also ist meine Erinnerung daran stark getrübt. Er ist für mich aber mit einer Zeit verbunden, die ich als sehr intensiv empfand und ich verbinde einen Menschen damit, den ich sehr mit Steve Buscemi verbinde, weshalb alles sehr gut zusammenpasst und weswegen ich auch über diesen Film schreiben wollte. Aber kommen wir zum Wesentlichen, nämlich zu Steve. Schließlich ist heute sein Geburtstag.

Steve wird alt. Steve war nie einer dieser Schönlinge. Er war nie einer dieser Sexiest-Man-Alive-Figuren, die sich über die Schiene der Fangirls nach oben gearbeitet haben. Er tat das über seine unglaublich wiedererkennbare Präsenz, die so vielseitig in jeglichen Genres verwendet werden konnte, dass es nicht schwer gewesen sein muss, ihn im Gedächtnis zu behalten. Und über dieses Anders sein hat er sich eine gewisse Sexyness erarbeitet, die vielen profillosen Anderen fehlt. Jetzt, mit fast Sechzig, hat er nichts davon verloren.
Und: Er ist auch noch witzig dabei.

In „Living in Oblivion“ ist er das nicht gezwungenermaßen, und das macht den Film so reizvoll. Als scheiternder Regisseur mit diversen eitelkeitsgesteuerten Allüren und seiner ironischen Independentfilm-Ernsthaftigkeit zeigt er, auch wenn er seine ihm eigene Art zu Spielen nicht fallen lässt, dass er mehr kann als sidekickhafte Nebenrollen. Und das gipfelt in einer ganz eigenen Komik.


Danke Steve. Danke für dein Können. Und danke für deine Ausstrahlung. Und danke für deine Augen. Alles Gute zum Geburtstag!


Amarawish über Fargo (1996)

Is this a fucking joke here? - Carl
als Carl

Ich muss gestehen, dass mich bisher kein Coen-Film, außer The Big Lebowski so richtig mitreißen konnte. Schade eigentlich, denn humortechnisch sollte das eigentlich genau mein Fall sein und doch fehlt mir immer irgendwas, um richtig dabei sein zu können. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde man mich allein in einer Geschichte ohne stille Führung zurücklassen. Vielleicht gefällt mir irgendwann dieses Gefühl der eigenständigen Erlebung oder wird es nach der zweiten Sichtung klarer, denn die wird es sicherlich geben.

Was ich aber bei "Fargo" als sehr bemerkenswert erachtet und erlebt habe, waren die schauspielerischen Leistungen. Allen voran die von Steve Buscemi. Als geschwätziger, aber dabei Diskussionen vehement aus dem Weg gehender, inkompetenter, sehr leicht reizbarer Kleinganove, der sich für besonders tough und raffiniert hält, berauscht er wieder einmal durch massenhaft köstlich anzusehendes Mimikspiel.

Es ist echt erstaunlich was er allein mit seinen Augen, seinem ganzen Gesicht alles auszudrücken vermag. Die aufkeimende Verzweiflung gepaart mit wachsendem Ärger, die er aufgrund seines sehr stillen Partners, der ihn gänzlich mit seinen Worten allein lässt und damit fast in den Wahnsinn treibt, verspürt oder die blanke Verwunderung in Kombination mit der unbeschreiblichen Fassungslosigkeit, die ihm mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben steht (siehe Bild), als der Überbringer des Lösegeldes ein anderer ist als erwartet, was ihn total die Kontrolle verlieren lässt und schließlich dazu führt, dass die Situation völlig aus dem Ruder läuft. Letztere Szene beinhaltet für mich bisher einen seiner denkwürdigsten Auftritte überhaupt.

Es ist eine dramatische, nervöse und definitiv auch spürbar klassisch, soziopathische Energie, die Buscemi unglaublich talentiert auf der Leinwand rüberbringt und so einen durchaus facettenreichen, hitzköpfigen Carl Showalter (der übrigens tatsächlich eigens für ihn geschrieben wurde) zum Leben erweckt. Was dabei bei seiner Figur rüberkommt ist nicht wie so oft primär seine gering wirkende Attraktivität auf den Zuschauer, die ihn oft einfach zum unverstandenen Sonderling macht, sondern die Persönlichkeit von Carl, die durch seine teils sehr unklugen Worte und idiotischen Taten verkörpert wird. Dabei wird eine Komik produziert, die dem Film sicherlich einen weiteren, positiven Aspekt schenkt und für mich eine kleine Straße schuf, auf der ich dem Humor des Films doch noch ein klein wenig mit Genuss begegnen konnte.

Hoch anzurechnen ist "Fargo" einen brillant dunklen und schlauen Sinn für Humor zu schaffen, der mir aber leider dennoch trotz der bahnbrechenden Offensichtlichkeit seiner Art wenig bis kaum einen Zugang eröffnet hat.

Zu guter letzt möchte ich unserem Geburtstagskind Alles Gute wünschen und ihm dafür danken die Attraktivität eines Schauspielers mal anders darzustellen. Nicht mit äußerlicher Schönheit, sondern mit Ausstrahlung. Ich freue mich auf weitere Rollen, die vielleicht zukünftig noch dem Indie-Genre mit ihm entspringen.

Den Kommentar zum Film findet ihr auch hier.



Stefan Ishii über Con Air (1997)

Define irony. Bunch of idiots dancing on a plane to a song made famous by a band that died in a plane crash.
als Garland Greene

Steve Buscemi ist einer dieser Schauspieler, die man irgendwie einfach mögen muss. Ein schräger, komischer Typ, dessen äußerliche Erscheinung ihn zunächst stark definiert. Doch hinter der Fassade des Sonderlings oder Außenseiters, für den er natürlich oft genug besetzt wurde, steckt wie so oft ein vielseitiger, ausdrucksstarker Darsteller mit Persönlichkeit. Aber leider verhinderte sein Äußeres zumeist den Einsatz in Hauptrollen. Natürlich gibt es auch Gegenbeispiele, aber er ist ein klassischer Nebendarsteller. Aber genau darin erreicht Buscemi das Maximum.

Einige Regisseure liessen ihn wieder und wieder in ihren Filmen auftreten, allen voran die Coen-Brüder, aber auch bei Jim Jarmusch und in frühen Filmen von Quentin Tarantino ist Steve Buscemi zu sehen gewesen. Seine Rollenwahl zeichnet sich größtenteils durch Filme abseits des großen amerikanischen Mainstreams aus. Ein typischer Vertreter des amerikanischen Indie-Films eben. Doch auch in Hollywood konnte er bisweilen seine Nischen finden. Und eine dieser Rollen in einem großen Blockbuster will ich hier und jetzt zu seinem Geburtstag hervorheben.

Bezeichnenderweise mag ich persönlich den Film nicht so wirklich, aber Buscemis Personifikation eines Soziopathen namens Garland Greene in der Jerry-Bruckheimer-Produktion „Con Air“ von 1997 sticht unübersehbar bei diesem Film hervor.

Buscemis Greene ist ein verrückter Serienkiller, dessen scheinbare Zurückhaltung, aber stets durchschimmernde Intelligenz und Boshaftigkeit zu jedem Zeitpunkt klar werden lässt, zu welch abgrundtief bösen Taten der „The Marietta Mangler“ fähig ist. Greene separiert sich schnell von den anderen Figuren des Filmes, sowohl emotional wie auch inhaltlich. Er ist einfach anders. Buscemi verbreitet in dieser Rolle keinen offensichtlichen Terror. Alles läuft auf einem subtileren Niveau ab. Physische Gewalt geht von ihm nicht aus. Aber trotzdem hat er etwas an sich, das es den Zuschauer frostig erschaudern läßt und ihm den kalten Schweiß auf die Stirn treibt. In meinen Augen ist Garland Greene die wohl gefährlichste Person in einem Film voller Gewalttäter und Mörder.

Während die meisten Charaktere in „Con Air“ eindimensional und flach bleiben, liefert Garland Greene etwas Abwechslung. Leider sind Drehbuchschreiber Scott Rosenberg sowie Regisseur Simon West mit dieser Figur nicht konsequent umgegangen, sodass ich auch in ihr etwas zu bemängeln habe, aber ohne Steve Buscemis Schauspiel wäre Garland Greene niemals so erinnerungswürdig geworden.

Danke dafür (und natürlich für all die tollen Filme), Steve. Alles Gute und mach weiter so!



colorandi_causa über The Big Lebowski (1998)

Shut the fuck up, Donny!
als Donny

Mit dem obrigen Zitat sollte jedem Film-Fan sofort klar sein, dass es um nichts Anderes als „The Big Lebowski“ geht. Aber dieser Kommentar soll nicht dem vermutlich ikonischeren Walter gewidmet sein, sondern unserem Normalo Donny, der sich in Mitten eines eklektischen Fundus von skurrilen Charakteren behaupten muss und dies - auf seine Art - sehr wohl tut.

„Normalerweise“ wäre Donny das, was man einen schlichten, etwas langweiligen Zeitgenossen nennen würde, den es Zuhauf in der Welt da draußen (v.a. in den USA) gibt, von einen in den nächsten Tag hineinlebt und über den man ansonsten nicht viel schreiben könnte. Nicht aber im Coen-Universum, in der das „Normale“ die Ausnahme darstellt. Denn wenn man sich „The Big Lebowski“ anschaut, wird einem recht schnell klar, dass ein alternder Hippie, ein aufbrausender Veteran, schräge Nihilisten, eine eigenwillige Künstlerin uvm. nicht wirklich zur allgemeinen Tagesordnung gehören; selbst im Medium Film.

Und dort, wo jeder seine eigene Narrative sieht und seinen eigenen Film fährt, im Glauben um ihn herum tut sich eine Verschwörung auf. Etwas, dass um ihn kreist und was Teuflisches im Sinn hat, dem man zuvor kommen muss, geht Donny Bowlen und reagiert auf seine Umwelt, wie jemand seines Kalibers dies für gewöhnlich tut. Er stellt verdutzt Fragen, ist mehr als einmal irritiert und schlichtweg überfordert mit dem, was um ihn herum geschieht. Er sucht keinen Streit und sieht in seiner Umwelt auch keine Muster oder konspirativen Mächte. Bei einem Rorschachtest würde er wahrscheinlich nur eine Bowlingbahn und ein kühles Bier erblicken. Und trotzdem ist gerade Donny die tragische Figur dieses Stückes.

Sein Leben ist es, dass hier Enden muss. Aber nicht mit Pauken und Trompeten, sondern wie es sich für einen Normalo wie Donny eben gehört. Durch einen profanen Herzinfarkt. Auch hier konnte er nicht anders und dementsprechend die Coens. Donny nämlich ist der Ankerpunkt ihrer Geschichte, um den Zuschauer und seine Charaktere nach all den wirren und labyrinthischen Irrfahrten wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen: Es ist nur ein Film. Ein verdammt guter. Und eine verdammt unaufdringliche, sehr subtile, daher perfekte Performance von Buscemi. But that's just like - ähh - my opinion, man!

So you have no frame of reference here, Donny. You're like a child who wanders into the middle of a movie and wants to know...


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Lest mehr von uns im Januar:

Im neuen Jahr beschenken wir Independent-Regisseur Jim Jarmusch.

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Was haltet ihr von unserem Geburtstagskind Steve Buscemi?

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