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Eine kritische Analyse des heterosexuellen männlichen Voyeurismus in Filmen am Beispiel von Daisy Duke, oder: schwenk die Kurven, Jessica Simpson!

01.08.2015 - 17:51 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
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Warner Bros., Grimalkin
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Tja, es ist wieder soweit, und eure Lieblingsautoren von blog me if you can sind mal wieder da, mit Artikeln im Gepäck. Das Thema diesmal lautet Watching You, und während mancher über Überwachung philosophieren mag, sah ich die Gelegenheit, ein anderes wichtiges Thema anzusprechen: Sexuelle Ausbeutung und vermarktete optische Reize. Und jetzt hört auf, auf den Header zu starren.

Sie steht am Straßenrand lasziv über ein Auto gebeugt, und passt ein Polizeiauto ab. Ihren Hintern hält sie gefangen in engen, beinfreien Jeanshosen, die gerade ihre Kurven umhüllen, nur um unter den Rundungen ihre langen, grazilen Beine zur Schau zu stellen. Ihre zwei prallen, runden Brüste werden von dem rosarot gestreiften, nahezu hautfarben aussehenden Top, welches um ihren Busen kunstvoll geflochten wurde, locker davor bewahrt, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Das Auto bleibt stehen und der große, stämmige Polizist steigt aus. Mit großen Glupschaugen, lächelnd, trägt sie ihre Bitte vor: "Ich glaube, da hat jemand, mein Fahrgestell gebumst. Könnten Sie mal nachsehen?" Der Polizist ist natürlich, mit breitem Grinsen im Gesicht, sofort zur Stelle: "Es wäre mir ein Vergnügen, einen Blick auf Ihr Fahrgestell zu werfen."

Was ich hier beschrieben habe, ist keine Szene aus einem billigen Pornofilm, sondern einer von vielen Auftritten der von Jessica Simpson gespielten Figur Daisy Duke aus dem Film Ein Duke kommt selten allein. Speziell bei diesem versucht sie, die männlichen Protagonisten aus den Fängen der Polizei zu befreien. Eingeleitet wird dieses Szenario nicht etwa mit einer Ansicht ihres gesamten Körpers oder gar ihres eigentlich relativ hübschen Gesichts, nein, wo denkt ihr hin? Daisy steht gebückt über dem Auto und streckt der Kamera ihr Popöchen entgegen, welches durch den Winkel, in dem sich ihr Körper nach vorne über das Gefährt räkelt, auch noch zusätzlich fülliger aussieht. Und es geht weiter. Die Kamera schwenkt vom Geschehen weg, und filmt die Nebenfigur des Officers, der auf sie zukommt, wie er mit lüsternem Blick zur jungen Frau hinschreitet - und man möchte sich garnicht erst ausmalen, wie weit der Regisseur gegangen wäre, hätte man für den Film nicht das massentaugliche PG-13-Rating angestrebt. Erst jetzt wird für kurze Zeit Daisys Gesicht eingeblendet. Es folgt ein 30-sekündiger Dialog des zweiten Polizisten mit einem Mann, in den sie vor lauter Freude über die Gesäßform der holden Maid mit dem Auto hineingedonnert sind. Als er damit fertig ist, kommt auch er. Also, zu Jessica Simpsons Auto. Diese hat sich übrigens wieder zweckdienlich in die Hundestellung (verkneift euch Kommentare jeglicher Art) begeben, um auch dem Nächsten in der Schlange eine vergnügliche Show zu bieten. Nein, mit der Tatsache, dass Simpson ihren Körper zur Schau stellt, und stolz zeigt, dass sie ihn nicht zu verstecken braucht, hab ich kein Problem. Im Gegenteil: jeder sollte die Möglichkeit haben, seine Sexualität nach Außen zu tragen. Was mich an diesem Film - und übrigens auch am in Sachen Feminismus ähnlich gestrickten Dead or Alive - aufregt, ist, wie respektlos man die angebliche weibliche Hauptdarstellerin behandeln. Ich übertreibe? Dann sagt mir, wie oft man in dieser Szene Jessica Simpson von vorne und mit Kleidung sieht:

1944 benutzte Schauspielgöttin Barbara Stanwyck als Frau ohne Gewissen ihre weiblichen Reize, um ihren Liebhaber zu der leichtsinnigen Idee zu überreden, sie bei einem ausgetüftelten Mordplan zu unterstützen.
9 Jahre später schlüpft Ikone Marilyn Monroe in ein tief ausgeschnittenes Kleid, um vor den Niagarafällen zu posieren und sich die Sympathien der Männer zu sichern, bevor sie ihren Gatten um die Ecke bringt. Beide dieser Filme erhielten nach der letzten Sichtung von mir die grandiose Wertung von 9.5, ich halte sie für große Werke des Film Noir-Genres und der Filmgeschichte generell. Mit dieser Punktezahl unterscheiden sie sich um 8.5 Punkte von diesem Film mit Fräulein Simpson hier, der sich einen Platz in meiner Most Hated-Liste sicherte und aus dieser Position wohl auch so schnell nicht mehr herauskommen wird. Der springende Punkt ist: neben der Qualität der Geschichten, der Darsteller und der Inszenierung, ist es vor Allem die Darstellung der Frau, die für die jeweilige Bewertung bei mir sorgen. Dabei geht es in allen 3 Filmen um Frauen, die ihre Rundungen verwenden, um das zu erreichen, was sie wollen. Der Unterschied liegt darin, wie der Film damit umgeht. Wenn wir uns Phyllis Dietrichson , die Protagonistin aus dem Billy Wilder-Film, ansehen, dann bemerken wir, wie ausgefeilt ihr Charakter ist. Sie ist eine hochintelligente Frau mit schier bösen Absichten, eine Teufelin, die genau weiß, welche Rolle sie zu spielen hat, um den jeweiligen Mann für ihre eigenen Zwecke zu manipulieren. Und der Film macht keinen Hehl daraus, dass sie eine kluge und vielschichtige Person darstellt, und Barbara Stanwyck, ihres Zeichens einer der besten und erfolgreichsten Charakterdarstellerinnen ihrer Zeit, bekommt nahezu pausenlos die Gelegenheit, sich durch ihre Aura zu präsentieren. Monroe gilt heute als Legende, aber durch ihre vielen leichten Komödienrollen, in denen sie nur allzu oft das dumme Blondinchen spielte, welches an ihr haften blieb (wobei ihr mit Filmen wie Niagara oder Nicht gesellschaftsfähig auch Charakterrollen zugedacht waren), sie tat es nie, ohne dabei irgendetwas von ihrem Talent zu zeigen. Sie sang in ihren Filmen, setzte diverse Grimassen auf und gab ihr Bestes, um ihr Publikum zu unterhalten. Und vor Allem: ihre Rollen hatten trotz allem Charakter, und waren darauf aus, am Ende etwas zur Geschichte oder zur Botschaft des Films beizutragen. In Manche mögen's heiß war sie eine depressive, aber hoffnungslos romantische Musikerin, in Blondinen bevorzugt nahm sie durch ihre Reize reiche Männer aus und in Der Prinz und die Tänzerin mimt sie ein Showgirl, welches durch ihre idealistischen Ansichten die strenge Tradition am Hofe auf den Kopf stellt.

Was macht Jessica Simpson in ihrer Rolle der Daisy Duke? Sie lässt sich begaffen. Von den Männern im Film, wie auch vom Publikum. Und sie sehen ihr reihenweise zu. Ob es sich hierbei um Simpson handelt, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eine erfolgreiche Popsängerin war, oder um eine drittklassige Stripperin, spielt hierbei kaum eine Rolle. Sie ist häufiger mit Rückseite zur Kamera - und im Besonderen mit Closeup ihres Hinterns - zu sehen, als man ihr Gesicht eingeblendet sieht. Und obwohl sie laut dem Cover die Hauptdarstellerin sein soll (man hat sie ja vortrefflich in der Mitte auf dem Kühlerhaube sitzend positioniert!), sind ihre Textzeilen im Film noch weniger als die einer einzelnen Strophe der von ihr für den Soundtrack neu eingesungenen (aber letztlich im Film nicht auftretenden) Single 'These Boots are Made for Walking'. Und ihr dürft mich nicht falsch verstehen: das betrifft nicht nur die eine von mir geschilderte Szene. So sehen ihre über den ganzen Film verstreuten Auftritte stets aus. Alles, was Simpson zum Film beiträgt, ist ihr Körper, mit Ausnahme des Gesichts, und ihr damals ziemlich bekannter Name. Eine Charakterdarstellerin kann Simpson freilich nie werden. Dafür hat sie zu wenig Ahnung und Talent. Aber in einer seichten Südstaatenkomödie zu spielen, ein paar amüsante Dialogzeilen abzulassen und gute Laune zu verbreiten, das müsste sie locker schaffen. Und ich werfe ihr selbst garnichts vor. Schuld ist nicht die Prostituierte, sondern der Zuhälter. Derjenige, der in ihr nicht die Person, sondern das billige lebendig gewordene Männermagazin sieht, alle anderen Eigenschaften, wie ihr Gesicht, ihren Charakter und sogar ihre Stimme herausfiltert und das fertige Produkt - ihren Rumpf und ihren Unterkörper, nebst Bekanntheitsgrad - an andere Männer verkauft, der ist derjenige, der hier geohrfeigt werden sollte.

Und da ich nicht finde, dass dieses Werk es verdient, mir noch einen cleveren Ausstieg auszudenken, hier der geniale Song "Bitch Bad" von Lupe Fiasco, der aufzeigt, was passiert, wenn man Frauen in den Medien auf ihre Funktion im Sexualleben des heterosexuellen Mannes beschränkt:

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Alle Texte zum Thema "Watching You":


chita91: https://www.moviepilot.de/news/prestige-und-die-frage-are-you-watching-closely-154367

Grimalkin: https://www.moviepilot.de/news/rotoskopische-realitaten-in-a-scanner-darkly-153942

alex023: https://www.moviepilot.de/news/beobachtet-euch-mal-selbst-153848

Laudania: https://www.moviepilot.de/news/unwirkliche-realitaten-die-matrix-hat-dich-152557

Absurda: https://www.moviepilot.de/news/want-to-be-like-me-or-want-to-be-me-154294

Martin Canine: https://www.moviepilot.de/news/eine-kritische-analyse-des-heterosexuellen-mannlichen-voyeurismus-in-filmen-am-beispiel-von-daisy-duke-oder-schwenk-die-kurven-jessica-simpson-154068

*frenzy_punk<3: https://www.moviepilot.de/news/big-brother-is-watching-you--4-154465

Stefan Ishii: https://www.moviepilot.de/news/big-brother-is-watching-you--2-153857

SmooliEntertainment: https://www.moviepilot.de/news/der-geist-des-gewissens-die-hand-der-schuld-154639


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Datum: 1. September

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