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Der deutsche Film seit 2000 bei den Oscars

13.02.2017 - 16:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Der Nicht-Englischsprachige Film bei den Oscars
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Der Nicht-Englischsprachige Film bei den Oscars
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2016: Von den acht Filmen aus denen das Auswahlkomitee den deutschen Film auswählen sollte, welcher bei der Academy für die Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ 2017 eingereicht wurde, beschäftigen sich allein fünf mit der deutschen Geschichte. Es wurde gar von einem Rennen zwischen verschiedenen Brauntönen geredet. Gäbe es nicht einen Film, in dem beim besten Willen keine Nazikonnotation zu entdecken ist: ‚Toni Erdmann‘. Man entschied sich für ‚Toni Erdmann‘ der am 10. Dezember 2016 schon fünf Auszeichnungen beim Europäischen Filmpreis erhielt. Damit vollzieht sich eine Abkehr von einem als beinahe unumstößlich geltenden Grundsatz: Dass nämlich zeitgeschichtliche oder historische Stoffe aus Deutschland in den USA besonders gut ankommen.

Kann man vielleicht wirklich davon ausgehen, dass wenn Deutschland seinen Beitrag für die Kategorie "Bester Fremdsprachiger Film" für die Oscarverleihung auswählt, das Auswahlkomitee Filme, die den Nationalsozialismus oder die DDR thematisieren bevorzugt?

Um das zu überprüfen habe ich mich mit eben dieser Auswahl beschäftigt.

Ich habe alle die dem Auswahlkomitee vorgelegten deutschen Filme seit 2004, alle ausgewählten Filme des Auswahlkomitees seit 2000, alle von der Academy nominierten deutschen Filme seit 2000 und alle Oscargewinne Deutschlands seit 2000 betrachtet und auf ihre Thematisierung hinsichtlich des Nationalsozialismus und der DDR untersucht.

Hierbei habe ich die Filme in vier Kategorien eingeteilt:

1. Die Filme, die sich weder mit der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) noch dem Nationalsozialismus auseinander setzten.

2. Die Filme, die zu Zeiten des Nationalsozialismus spielen

3. Die Filme, die zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik spielen

4. Die Filme, die nach dem Nationalsozialismus und nicht in der DDR spielen, diese sich aber anderweitig (durch Rückblicke, Personen, die immer noch davon betroffen sind) mit den zwei Themen auseinandersetzten.

Aber lasst mich euch zuerst die Oscars und German Films vorstellen.

Der Academy Award of Merit

Der Academy Award , offizieller Name Academy Award of Merit wurde 1927 gegründet. Am 16. Mai des Jahres 1929 fand die erste Verleihung der Trophäe statt. Bezog sich die Verleihung größtenteils auf amerikanische Produktionen, wurde im Jahre 1956 die Kategorie Foreign Language Film  eingeführt. Bis zum Jahr 2016 wurden somit genau 60 fremdsprachige Filme mit dem Oscar in dieser Kategorie ausgezeichnet. (2016 - 1956 = 60) Die Academy besteht aus mehr als 7000 Mitgliedern.

German Films

German Films  übernimmt als zuständige nationale Dachorganisation die Vorbereitung und Durchführung für das Auswahlverfahren für den deutschen Beitrag, um den Oscar® in der Kategorie „Bester nicht-englischsprachiger abendfüllender Kinofilm".

Das Logo von German Films

Jetzt wo ihr ein bisschen Bescheid wisst, lasst uns mit der Auswertung beginnen:

Die dem Auswahlkomitee vorgelegten deutschen Filme seit 2004

Da man auf der offiziellen Seite von German Films nicht die Liste mit den Filmen findet, die German Films dem Auswahlkomitee vorlegte, habe ich German Films per E-Mail kontaktiert. Eine Tabelle mit den jeweiligen Einreichungen von den Jahren 2004 bis 2017 wurden mir zugeschickt. Somit konnte ich die folgende Auswertung nur auf die Jahre 2004 bis 2017 anwenden.
German Films hat seit dem Jahr 2004 112 Filme auf ihre Vollständigkeit und auf Einhaltung der von der AMPAS (Academy of Motion Picture Arts and Sciences) aufgestellten Richtlinien hin überprüft und sie an das Auswahlkomitee weitergereicht. Als ich die Filme nach den in der Einleitung genannten vier Kategorien ausgewertet habe, bin ich auf folgendes Ergebnis gekommen:
70 der 112 Filme setzten sich in keiner Weise mit dem Nationalsozialismus und der Deutschen Demokratischen Republik auseinander. Sei es der im Jahre 2005 weitergereichte Film Gegen die Wand von Fatih Akin, der von der jungen Frau Sibel handelt, die eine Scheinehe mit dem zwanzig Jahre älteren Cahit arrangiert, um den Zwängen ihres türkischen Elternhauses zu entfliehen, sich dann aber in ihren Ehemann verliebt, oder der der Dokumentarfilm Pina von Wim Wenders, der 2012 auf der Liste für das Auswahlkomitee stand.
Insgesamt spielen 18 der 112 Filme zu Zeiten des Nationalsozialismus. So zum Beispiel der vom Regisseur Dennis Gansel gedrehte Film Napola - Elite für den Führer aus dem Jahr 2006, der von dem 17-jährigen Friedrich handelt, welcher als Boxtalent auf eine Eliteschule der Nazis geht und dort nach und nach mit der Grausamkeit dieses Systems konfrontiert wird.
Zu Zeiten der DDR spielen fünf Filme, darunter Barbara von Christian Petzold aus dem Jahr 2011, der von der Berliner Ärztin Barbara handelt. Diese wurde, nachdem sie einen Ausreiseantrag gestellt hat, um zu ihrem Geliebten in den Westen zu kommen, in die Provinz zwangsversetzt.

Die Filme, die nach dem Nationalsozialismus und nicht in der DDR spielen, sich aber anderweitig mit den zwei Themen auseinandersetzten, machen 19 der 112 Filme aus.
2008 war es unter anderem der Film Am Ende kommen Touristen von dem Regisseur Robert Thalheim, welcher von Sven handelt, der seinen Zivildienst in einem Jugendgästehaus, das zur Gedenkstätte des einstigen Vernichtungslagers Auschwitz gehört, verrichtet. Hier betreut Sven auch den Holocaust-Überlebenden Herrn Krzeminski und beginnt sich mit der Polin Ania zu befreunden, die Besucher durch die Gedenkstätte führt. All diese Eindrücke verändern den Blick Svens auf Auschwitz.
Ein Film, der sich rückblickend mit der DDR befasst, ist Zwei Leben aus dem Jahr 2014 von Georg Maas.
62,5% der 112 Filme setzen sich weder mit der DDR noch dem Nationalsozialismus auseinander. Knapp 17% spielen zur Zeit des Nationalsozialismus, nur knapp 5% zu Zeiten der DDR. Die Filme, die nach dem Nationalsozialismus und der DDR spielen, sich aber anderweitig mit den zwei Themen beschäftigen, machen 17% der 112 Filme aus. Nimmt man die Filme der letzten drei Kategorien zusammen, befassen sich nur 37% der Filme, die dem Auswahlkomitee seit 2004 vorgelegt wurden, mit dem Nationalsozialismus und der DDR.

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Die der Academy vom Auswahlkomitee vorgelegten deutschen Filme seit 2000

Seit dem Jahr 2000 sind genau 17 Filme vom Auswahlkomitee bei der Academy einge-reicht worden. Die Filme sind alle auf der offiziellen Seite von German Films abrufbar. Sieben dieser Filme setzen sich weder mit der DDR noch dem Nationalsozialismus auseinander, so zum Beispiel der im Jahr 2015 eingereichte Film Die geliebten Schwestern von Dominik Graf, der von der Liebesbeziehung des deutschen Dichters Friedrich Schiller zu den Schwestern Charlotte und Caroline von Lengefeld handelt. Das macht 41% der Filme aus.
Jeweils drei der eingereichten Filme spielen zu Zeiten des Nationalsozialismus und der DDR, was für beide knapp 18% ausmacht. Vier eingereichte Filme spielen nach dem Nationalsozialismus und nicht in der DDR, setzen sich aber anderweitig mit den zwei Themen auseinander. Das sind knapp 24% der 17 Filme. Nimmt man auch hier die letzten drei Kategorien zusammen, sind dies 59% der Beiträge.

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Die von der Academy nominierten deutschen Filme seit 2000

Seit 2000 wurden sieben deutsche Beiträge von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences nominiert. Nur zwei der nominierten Filme befassen sich weder mit dem Nationalsozialismus oder der DDR. Hierbei handelt es sich um den 2010 nominierten Film Das weiße Band - Eine deutsche Kindergeschichte von Michael Haneke, der von einem Dorf am Vorabend des ersten Weltkriegs handelt, in welchem immer wieder Unfälle passieren und den im diesen Jahr nominierten Film Toni Erdmann von Maren Ade. Diese zwei Filme machen knapp 28% der sieben nominierten Filme aus.

Vielleicht gibt es bald einen Grund, seine Gläser zu erheben.

Drei der sieben Filme spielen zu Zeiten des Nationalsozialismus, darunter der 2005 nominierte, unter der Regie von Oliver Hirschbiegel entstandene Film Der Untergang. Dieser Film handelt von Adolf Hitler, der sich kurz vor der Kapitulation der deutschen Armee zusammen mit seinen Führungskräften in seinen Bunkerkomplex zurückgezogen hat und dokumentiert aus der Sicht von Traudl Junge, der Privatsekretärin Hitlers, die letzten Stunden in dessen Leben. Der Film Sophie Scholl - Die letzten Tage von Marc Rothemund wurde 2006 nominiert. Er handelt von Sophie Scholl und den anderen Mitgliedern der Weißen Rose, welche nach dem Verteilen von Flugblättern gegen das Nazi Regime verhaftet und schließlich hingerichtet wurden. Hiermit sind 50% der nominierten Beiträge Filme, die den Nationalsozialismus behandeln.
Jeweils ein Beitrag der zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik spielt und einer, der sich rückblickend mit der DDR oder dem Nationalsozialismus auseinander setzt, wurde nominiert. 2008 war dies Der Baader Meinhof Komplex von Uli Edel, der von Andreas Baader, Ulrike Meinhoff und Gudrun Ensslin handelt, die als Kinder der "Nazi-Generation", einen Kampf gegen all das, was sie als "neuen Faschismus" betrachten, beginnen und die „Rote Armee Fraktion“ (RAF) gründen. Knapp 71% der nominierten deutschen Filme seit 2000 thematisieren somit den Nationalsozialismus und die DDR.

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Die von der Academy ausgezeichneten deutschen Filme seit 2000

Seit 2000 wurden zwei deutsche Beiträge mit dem Oscar ausgezeichnet. Die Handlung beider ausgezeichneten Filme spielt entweder während des Nationalsozialismus oder der Deutschen Demokratischen Republik. So wurde 2003 der deutsche Film Nirgendwo in Afrika von Caroline Link ausgezeichnet, der von der jüdischen Familie Redlich, die 1938 auf der Flucht vor den Nazis nach Kenia auswandert, handelt. Im Jahr 2008 wurde der deutsche Film Das Leben der Anderen vom Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck mit dem Oscar ausgezeichnet. Der Film handelt von dem Stasi-Hauptmann Wiesler, der den Auftrag erhält, den erfolgreichen Schriftsteller Georg Dreymann und dessen Lebensgefährtin Christa-Maria Sieland, die bekannte Theaterschauspielerin, auszuspionieren, was dazu führt, dass Wiesler Werte wie freies Reden und Denken kennenlernt und immer mehr mit sich im Konflikt steht.

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Wie meine Auswertung ergeben hat, sind die Filme, die das Auswahlkomitee für den Oscar ausgewählt hat, überwiegend Beiträge, die sich mit dem Nationalsozialismus oder der DDR auseinander setzten. Waren es in der ersten Einteilung noch ganze 62,5%, die sich nicht mit den zwei Themen befassen, sind es in der zweiten Einteilung nur noch 41%. Bei der Auswahl der Academy zeigt sich ein ähnliches Schema. Waren es bei den nominierten Filmen noch 71% die sich mit dem Nationalsozialismus und der DDR befassen, sind es bei den ausgezeichneten deutschen Filmen 100%.

Die Frage die sich stellt ist, wie es zu dieser Themeneingrenzung sowohl bei German Films, als auch bei der Academy of Motion Pircture Arts and Sciences kommt? Warum werden von Deutschland überwiegend Filme eigereicht, die sich mit dem Nationalso-zialismus oder der DDR befassen?

Ich bedanke mich bei GERMAN FILMS für alle Informationen ( © German Films 2017)

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