David Mackenzie hat den cineastischen Perfect Sense

08.12.2011 - 08:50 Uhr
David Mackenzie verfolgt sein eigenes Kino
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David Mackenzie verfolgt sein eigenes Kino
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David Mackenzie kommt in dieser Woche mit seinem neuen Film Perfect Sense in die deutschen Kinos. Mit Filmen wie Young Adam und Hallam Foe hat er ein sehr schönes Gespür für den europäischen Film bewiesen. Wir stellen ihn im Kurzporträt vor.

Seine Filme bewegen sich in labilen Grenzwelten. Meist sind es erotisch aufgeladene Mikrokosmen voller Neurosen und Schönheit, die den schottischen Filmemacher David Mackenzie auszeichnen. Er scheint wie ein Stürmer und Dränger, der sich immer die leidenschaftlichsten, verzehrendsten Themen sucht, um sich filmisch von ihnen mitreißen zu lassen. Mackenzie ist ein Mann, der nach ergiebigen Themen sucht, um intensive, universelle Bilder dafür zu finden.

Heute kommt Perfect Sense, der neue Film von David Mackenzie, in die Kinos. Es wird der bislang wohl am weitesten ausholende Mackenzie, denn diesmal geht die Menschheit unter. Ähnlich wie in Contagion macht sich eine grassierende Epidemie breit, doch diesmal zeigen sich ganz andere Symptome, ein ganz anderer Umgang und ganz andere Helden. Im Mittelpunkt stehen die Liebenden: Die Ärztin Susan (Eva Green) und der Koch Michael (Ewan McGregor) verlieben sich und haben dem Ende der Menschheit nur ihre eigene Geschichte entgegenzusetzen. Aber zeichnet nicht gerade das die Menschheit aus?

David Mackenzie hat ein sehr schönes Gespür dafür, in höchstpersönlichen und intimen Szenarien universelle Geschichten zu erzählen. Über die Oberfläche des Genre-Kinos hinweg entwickelt er absurde Filmhelden, die uns genauso weltfremd wie nachvollziehbar mit in ihre Probleme und Schönheiten reißen und uns auf ihre neurotische Art mit der Liebe für’s Leben bekannt machen. Ich möchte euch zum Kinostart von Perfect Sense noch einmal zwei seiner Filme vorstellen.

Young Adam – abgründig, noir und nachvollziehbar
Wie in Perfect Sense spielt Landsmann Ewan McGregor die Hauptrolle in diesem am Film Noir angelegten Drama. Der ruhelose Schriftsteller Joe heuert auf einem Binnenfrachtschiff an, das von dem Ehepaar Les (Peter Mullan aus Tyrannosaur – Eine Liebesgeschichte) und Ella (Tilda Swinton) betrieben wird. Nachdem er deren Sohn Jim vor dem Ertrinken gerettet hat, beginnt er eine Affäre mit Ella, der Ehefrau von Les. Ihr gehört auch das Schiff. Als Joe und Les eines Tages eine Frauenleiche (Emily Mortimer) im Wasser finden, weiß Joe plötzlich mehr über diese Leiche als er tun sollte. Irgendwas stimmt mit ihm nicht, außerdem wittert Les die Affäre.

Dichterfan David Mackenzie verfilmte den Skandalroman Wasserläufe von Alexander Trocchi und zeigt ein großes Talent, intensive Plots auf ein universelles Gefühl herunterzubrechen. Durch die abgründige Story hindurch lässt er eine allgemein nachvollziehbare Leere, einen Schauer von Vergangenheit und Sehnsucht und Skrupellosigkeit durscheinen. David Mackenzie wollte eigentlich immer Dichter werden und wir merken es ihm an: Er respektiert sowohl die bloße Erzählung seiner Geschichte, arbeitet gleichzeitig auch gezielt den metaphorischen Wert heraus. Young Adam ist ein episches Noir-Gedicht mit einer sinnlichen Kamera und herausragenden Schauspielern, allen voran der düstere Ewan McGregor.

Hallam Foe – This Is My Story – Ödipuskomplex gefällig?
David Mackenzies Hauptdarsteller sind meist Kino-Plakat-tauglich: In Hallam Foe kämpft sich Jamie Bell durch eine Coming of Age-Geschichte der besonderen Art. Hier wird mal nicht gezeigt, dass Erwachsenwerden ein bisschen turbulent und spannend, aber sehr normal ist. Hier werden keine Klischees als jugendliche Abenteuer verkauft. Hier wird neurotisch gevögelt und gestalkt, was das Zeug hält, und trotzdem verliert der Film niemals den Respekt und die Liebe für den Protagonisten.

Hallam Foe ist 17 und hat nur Probleme. Seine Mutter hat sich umgebracht und er vermutet, dass seine Stiefmutter (Claire Forlani) dahinter steckt. Sein Vater (Ciarán Hinds) kannte diese schon vor dem Tod der Mutter. Seit dem Selbstmord klettert er quer durch das geräumige Familienanwesen, meist in Kriegsbemalung und mit Fernglas und beobachtet Menschen. Er möchte endlich die hinterfotzige Stiefmutter des Mordes überführen. Problematisch nur, dass Hallam körperlich eigentlich auf die junge Stiefmutter steht und schon bald keinen Überblick mehr über sein kleines Reich hat.

Er flüchtet nach Edinburgh, um dem familiären Wahnsinn zu entkommen. Hier lernt er Kate (Sophia Myles) kennen. Sie sieht haargenau wie Hallams verehrte, tote Mutter aus. Er verliebt sich Hals über Kopf, nimmt eine Arbeit im Hotel an, in dem sie arbeitet und beginnt seine ganz eigene, neurotische Liebesgeschichte. Doch im Laufe der Geschichte muss er alle seine Dämonen auf sich zukommen lassen.

David Mackenzie unterlegt die Geschichte mit einem Indie-Soundtrack, der so schön antreibt, dass uns gar nicht auffällt, dass der Schotte da Versatzstücke von Alfred Hitchcock, Augen der Angst – Peeping Tom und Hamlet durch die Gegend wirft. Mit diesem wirksamen Cocktail aus klassischem Psycho-Kino, einem modernen Look und einem richtig schön schrägen Jamie Bell schafft Mackenzie eines der poetischsten und radikalsten Coming of Age-Märchen: sexy, versunken, gestört und energisch – so ist die Jugend.

Bis heute abend sollten wir uns alle noch ein paar Filme von David Mackenzie reinziehen, um dann aufgeladen mit schottischer Kino-Poeterey in seinen neuen Film Perfect Sense zu gehen. Diesmal grast er das Katastrophen-Szenario ab. Wir dürfen gespannt sein.

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