Hermine Huntgeburth s Fontane-Verfilmung bietet mit Julia Jentsch, Sebastian Koch, Barbara Auer, Juliane Köhler und Thomas Thieme eine Riege von Stars, die sich bei der Gala am gestrigen Abend im Berliner Friedrichsstadtpalast zeigten. Der wahre Star war jedoch Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel, deren Anwesenheit bei der Gala-Premiere von den Zuschauern begeistert begrüßt wurde. Sie hatte sich anscheinend kurzfristig etwas Zeit freischöffeln können, um der Fontane-Verfilmung beizuwohnen. Dieter Kosslik überließ seinen Platz neben Frau Merkel dem Produzenten Günter Rohrbach (der Festivalleiter musste “in einer dringenden familiären Angelegenheit” passen). Die Schauspieler präsentierten sich ganz im Gegensatz zur Bundeskanzlerin wenig charmant, so lästerte der Tagesspiegel heute: “Julia Jentsch wirkte mit der zopfigen Hochsteckfrisur, dem steifen schwarzen Stehkragen-Kostüm samt bis unters Kinn geknüpften Blusen-Schleife wie ihre eigene Großmutter, Regisseurin Hunthgeburth stand die vermeintlich hauptstädtisch-trendige Jacke-Rock-Hose-Schichtkombination absolut nicht und Juliane Köhler schließlich hatte sich in eine hautenge zitronengelbe Robe mit unten abstehendem Meerjungfrauen-Fischschwanz einnähen lassen, die selbst bei einer Oscar-Verleihung auffällig aufgedonnert gewirkt hätte.”
Wie dem auch sei: Hundgeburths Effi Briest, die fünfte Leinwandadaption des Romans, beschreitet neue Wege. Die Regisseurin gab sich alle Mühe, sich von den Vorgängern abzugrenzen und nahm sich sogar so viel künstlerische Freiheit, das Ende des Romans, in welchem Effi stirbt, neu zu dichten. Das gefiel nicht allen. Der Kölner Stadtanzeiger findet: "Julia Jentschs Effi spiegelt zwar glaubwürdig den Reifeprozess einer Frau, muss aber gänzlich auf die Hilfestellung von Sebastian Koch verzichten, der eine steife, gleichgültige Lesart dieses in seinen Zwängen gefangenen Romanhelden abgibt. Die allzu konventionelle Machart des Films wird allenfalls durch den “Chinesenspuk” aufgerüttelt, der als Katalysator für die angstbesetzten Sehnsüchte Effis auftritt. Ein Grund für die Kinoneuverfilmung ist nicht recht erkennbar, da es offenbar so wenig Neues über eine so großartige deutsche Frauenfigur und ihre Zeit zu sagen gibt." Auch der Märkischen Allgemeinen missfiel Hundgeburths Neuinterpretation: “Was sind das nur für Zeiten, in denen wir leben, wenn auf der Leinwand nicht einmal eine Effi Briest, die den Ehemann, den Geliebten, die kleine Tochter, die eigenen Eltern und ihre gesamte gesellschaftliche Existenz verloren hat, an der Welt nachhaltig verzweifeln darf?”
Im Morgenspiegel hingegen liest man Gegenteiliges: “Das Ende, das sich Regisseurin Hermine Huntgeburth und ihr Drehbuchautor Volker Einrauch ausgedacht haben, passt ganz wunderbar zu diesem wunderbaren Film. Es wirkt modern und frisch und holt die Geschichte endgültig ins Heute, ohne sie zu beschädigen oder aufdringlich gegenwärtig zu wirken.” Ob die Neuverfilmung gefällt, könnt ihr ab dem 12. Februar im Kino beurteilen. Wenn nicht, gibt es immer noch die nicht minder sehenswerten Adaptionen des 20. Jahrhunderts, darunter eine von Rainer Werner Fassbinder. Sie alle waren schon die temperamentvolle Effi Briest, das Naturfräulein aus Theodor Fontane s Literaturmeisterwerks aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Marianne Hoppe, Angelica Domröse, Hanna Schygulla – und nun im Jahr 2009 Julia Jentsch.