Zum 100. Geburtstag von Gene Kelly

23.08.2012 - 09:00 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Gene Kelly zur Abwechslung im feinen Zwirn
Warner
Gene Kelly zur Abwechslung im feinen Zwirn
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Kaum einer wird dem Begriff ‘Legende’ so gerecht wie Gene Kelly. Der Mann, der Hollywoods Tanzfilme und Musicals revolutionierte, wäre heute 100 Jahre alt geworden. Wir gratulieren.

Hätte er ausschließlich in dieser einen Szene getanzt, Gene Kelly hätte trotzdem Filmgeschichte geschrieben. Glücklicherweise bereicherte der irischstämmige und Frankreich-liebende Hollywoodstar mit dem Hang zum fröhlichen Tanz im Regen die Welt um eine ganze Reihe von künstlerischen Meisterleistungen. Heute vor hundert Jahren erblickte Gene Kelly, ein Mann, für den selbst Superlative zu klein scheinen, das Licht der Welt. Wir gratulieren dem Revolutionär des Klassischen Hollywood-Kinos.

Das erste, was einem auffällt, in Ein Amerikaner in Paris, zum Beispiel, sind die Oberarme. Nicht einmal das breite Grinsen, die gefühlvollen dunklen Augen oder die Narbe auf der Wange können von den Oberarmen ablenken. Kurzärmlig kommen sie am besten zur Geltung… Aber warum über Bizepse schreiben bei einem Tänzer? Die Oberarme, die im Tuxedo immer etwas eingezwängt wirken, geben eine Ahnung davon, was für ein kreativer Wirbelsturm Gene Kelly damals im Hollywood-Biz gewesen sein muss. Sie zeugen von einer Dominanz der Physis, einer sportlichen, doch geschmeidigen Bewegung. Luken sie unter dem T-Shirt hervor, wirken sie wie eine Kampfansage an all die einengenden, pfeilscharf geschnittenen Anzüge der feinen Gesellschaft. Die Oberarme verweisen auf Brüder im Geiste der fünfziger Jahre, auf jene engen weißen Shirts, die James Dean und Marlon Brando nur mühsam beisammen halten konnten. Sie sind, kurz gesagt, alles, was Fred Astaire nicht verkörpert und das ist gar kein Affront. Astaire führte neben Busby Berkeley den Tanzfilm in Hollywood in eine klassische Hochphase der perfektionierten Performance. Gene Kelly streifte die Fesseln ab und sprang munter in die Moderne.

An Perfektion mangelte es dem in Pittsburgh geborenen Gene Kelly nicht. Kollegen beschreiben ihn als harten Arbeiter, der bis in die Nacht trainierte, um die zumeist selbst kreierten Choreographien umzusetzen. Das Tanzen war ihm allerdings nicht in die Wiege gelegt. Den Unterricht als Jugendlicher brachen sein Bruder und er ab, doch irgendwie schlich sich der Tanz wieder zurück. Während des Studiums an der University of Pittsburgh (ausgerechnet Wirtschaft, dann, ausgerechnet, Jura) gründete er das Gene Kelly Studio of the Dance. Die Lehre frustrierte ihn bald. Über die Stationen New York, wieder Pittsburgh, wieder News York, landete Gene Kelly schließlich am Broadway, wo er 1939 eine Anstellung als Choreograph fand. Er war angekommen und der Rest ist Geschichte.

Wobei Geschichte eigentlich das falsche Wort ist. Gene Kellys Arbeiten liegen fern von jedem angestaubten Klassizismus. Ob er nun mit einer Zeichentrickmaus tanzt oder mit seinem sehr flexiblen Spiegelbild, aus seiner Athletik, seinem Esprit, auch seinem Widerstand gegen eine Festlegung auf die eine Art zu tanzen, erblüht diese seltsame Zeitlosigkeit des Gene Kelly. Die ist in Das ist New York – Heut’ gehn wir bummeln von Stanley Donen zu erfahren, in Ein Amerikaner in Paris von Vincente Minnelli, seinem Herzensprojekt Einladung zum Tanz, der ohne Worte auskommt, und selbst in Die Mädchen von Rochefort von Jacques Demy. In dem spielt er sich, die Legende. Nur wirkt er nicht wie eine, die sich ausruht, einen Gang zurückschaltet und sich von einem Bewunderer feiern lässt.

Er veränderte das Hollywood-Kino nichtsdestotrotz nachhaltig. Als Regisseur und Choreograph, der mit filmischen Mitteln experimentierte, veränderte er die Darstellung von Tanzsequenzen. Er führte sie weg von den langen, relativ starren Einstellungen, die den Tänzer passiv beobachten und forcierte eine Dynamik zwischen Agierenden und Kamera, die den Zuschauer stärker mit einbezog und das gern mit innovativen Spezialeffekten. In seiner Physis und Kunst selbst strahlte Gene Kelly das spitzbübische Charisma eines Errol Flynn aus, nur ersetzte er das Spektakel der Actionszenen (z.B. in Die drei Musketiere) mit jenem der tanzenden Körper.

Dann ist da jene Szene, an die alle beim Namen Gene Kelly als erstes denken müssen. Es ist eine der schönsten, weil aufmunterndsten, lebensbejahendsten Szenen der Filmgeschichte. Mit Singin’ in the Rain (Du sollst mein Glücksstern sein), ursprünglich als Best of von MGM-Songs gedacht und verziert mit einem hervorragenden Donald O’Connor, drehten Gene Kelly und Stanley Donen einen der schönsten Filme übers Kino, eine Chronik des Siegeszuges des Tonfilms, eine Hommage an die Sterne der Filmfabrik und die eigenwilligen Sternchen. Und ja, mit diesem einen Tanz im Regen wäre Gene Kelly zur Legende geworden. Es ist ein Glück für uns, dass seine Karriere weit mehr umfasste.

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