Wir schauen Hannibal - Staffel 3, Folge 11

17.08.2015 - 09:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
...And the Beast from the Sea
NBC
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Wir nähern uns dem Finale und damit wird Hannibal Lecter auch immer arroganter und selbstsicherer. Will und Francis hingegen müssen sich ernsthafte Gedanken über die Veränderungen machen, die ihr Leben wahrscheinlich braucht.

Umso mehr wir uns dem großen Finale der dritten Staffel und damit womöglich auch der allerletzten Folge von Hannibal überhaupt nähern, umso direkter wird die Serie, umso aufrichtiger und ehrlicher ihre Charaktere. Bryan Fuller und sein Team haben seit der Aufnahme der Red Dragon-Storyline die kryptische Verschrobenheit der Serie immer mehr abgelegt und sie stattdessen eher in Richtung des klassischen Thrillers gelenkt, was nicht nur eine leichtere Verdaulichkeit für uns Zuschauer, sondern auch eine direkte Konfrontation mit dem Bösen bedeutet, was den furchterregenden Psychospielchen der vorangegangenen zweieinhalb Staffeln in nichts nachsteht.

"Save yourself. Kill them all." Hannibal (Mads Mikkelsen) ist selten eindeutiger und klarer gewesen als in seinem Gespräch mit Francis (Richard Armitage), dem er ziemlich direkt befiehlt, Wills (Hugh Dancy) Familie zu ermorden. Hannibal hat sich im Laufe dieser Serie einen wahrlich angsteinflößenden Status erarbeitet und das gelang ihm auch deswegen, weil er sein abgrundtief teuflisches Wesen stets hinter verbalen Schnörkeleien verschleiern konnte. Klar zeigte er uns auch schon vorher gelegentlich, wie der wahre Hannibal aussieht, aber zuvor äußerte sich das in erster Linie in physischen Akten, weniger in seiner Kommunikation mit anderen Menschen. Doch seitdem er sich in Gefangenschaft befindet, scheint er seine selbst erteilte Rolle als Übermensch immer mehr zu genießen. Zumal er jetzt überhaupt nichts mehr zu befürchten hat, er ist ja schon gefangen, sodass er ganz sorgenfrei seine Arroganz nach außen tragen kann.

Seine Arroganz ist bekanntlich darin verwurzelt, dass er sich für einen Menschen hält, der allen anderen in jeglicher Hinsicht überlegen ist, was so weit geht, dass er sich nicht als Kannibale bezeichnen würde, denn "it's only cannibalism if we're equals." Früher bedeutete das für sein Verhalten, dass er gemütlich jagen, essen und manipulieren konnte, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Die ersten beiden Sachen fallen nun weg und so muss er sich auf das Manipulieren konzentrieren und oben drauf spielt er einfach mit offenen Karten, um Will, Jack (Laurence Fishburne) und Alana (Caroline Dhavernas) so richtig vorführen zu können. "What did you say to him?", will Will von Hannibal wissen, nachdem er seine verletzte Frau im Krankenhaus besucht hat und Dr. Lecter sagt ihm in einem seltenen Moment der undekorierten Aufrichtigkeit genau das, wonach er gefragt hat: "Save yourself, kill them all. Then I gave him your home address." Er sagt das mit einer frechen Überlegenheit, mit einem Was-willst-du-dagegen-machen-Blick, als wolle er nichts anderes als seinen Gegenüber verspotten.

Es ist fast so, als habe er ein neues Hobby gefunden, einen wahrhaft spaßigen Zeitvertreib, der ihm erst so richtig möglich ist, seitdem er ganz offiziell als verrückt deklariert wurde. Als Alana ihn damit konfrontiert, dass sie mit seinem Anwalt gesprochen habe und der ihr bestätigte, dass er schon seit sehr langer Zeit nicht mehr mit seinem Klienten gesprochen habe, erwidert Hannibal mit einem gelangweilten "I could have told you that", während er gemütlich auf seinem Bett liegt und in einem Büchlein schmökert. Alana hat berechtigte Zweifel daran ("Would you have told me the truth?"), aber Hannibal versichert ihr, dass er das ja auf seine ganz eigene Art doch schon immer getan habe.

Wie erwartet sollte also Wills Familie das nächste Opfer des Roten Drachen werden und der letztendliche Überfall auf Molly (Nina Arianda) und ihren Sohn ist der Umsetzung ganz genau so zum Zähneknirschen wie erhofft, was vor allem daran liegt, dass Regisseur Michael Rymer, der zum ersten Mal in dieser Staffel zum Einsatz kommt, eine ganz hervorragende inszenatorische Arbeit ablegt. Die Kamera verfolgt in ruhigen Fahrten die einzelnen Mitglieder des Hauses teilweise in nahezu gänzlicher Dunkelheit, während der gewohnt minimalistische, aber nicht minder verstörende Soundtrack die restliche Arbeit erledigt. Die Spannung entsteht auch dadurch, dass es gut denkbar wäre, dass die beiden in dieser Szene tatsächlich sterben, aber Molly verhält sich dafür zu geschickt. Sie verhält sich entgegen aller Film- und Serien-Klischees potentieller Mordopfer vorbildlich clever. Sie schickt ihren Sohn und raus und bewahrt eine erstaunliche Ruhe, die den beiden letzten Endes auch das Überleben sichert.

Zum Glück ist Nina Arianda als Molly so unheimlich sympathisch ("Is it bad if it's made in China?"), denn eine Empathie zu ihr entwickelt sich nicht aus ihrer Beziehung zu Will. Womöglich ist das auch genau so gewollt, denn die Serie hat sich bislang kaum Zeit genommen, zu erklären, warum diese Familie für Will so wichtig ist und warum wir als Zuschauer uns um sie sorgen sollten. Neben seinem Verhältnis zu Hannibal gab es für Will nie Platz für jemand anderen und vielleicht will Bryan Fuller uns auch einfach gar nicht erst vormachen, dass jemand anderes ähnlich wichtig für ihn werden könnte. Und so wird es auch bleiben, denn egal, was Hannibal tut, er wird auf eine gewisse Weise immer ein Verbündeter bleiben. Nicht nur für Will, der am Ende der Episode nach einem kurzen Streitgespräch über seine Familie wieder anfängt, vom Roten Drachen zu sprechen und sich dabei wieder Hannibals Vorschläge zunutze macht ("He didn't kill those families... he changed them."). Aber auch Alana und Jack sind naiv genug, Hannibal Vertrauen entgegen zu bringen, indem sie ihn zu ihrem Vorteil mit Francis telefonieren lassen wollen. Dass Hannibal sich jedoch nicht so leicht herumkommandieren lässt, hätte den beiden eigentlich klar sein müssen.

Francis hingegen kämpft wie in vorangegangenen Episoden angedeutet mehr mit sich selbs, als mit allen anderen. Sein Verhältnis zu Reba (Rutina Wesley) ist so weit fortgeschritten, dass er sie unter keinen Umständen dem Roten Drachen opfern will, worauf die aktuelle Situation jedoch hinausläuft. So sucht er verzweifelt nach Veränderung, ohne zu wissen, wie die aussehen könnte. Veränderung war ohnehin schon immer das, was er begehrt hat in Anbetracht seiner sozialen Ängste. Will geht es da vielleicht auch gar nicht so anders, auch er sollte vielleicht mal Veränderungen in Betracht ziehen, wie Hannibal andeutet: "Don't you crave change, Will?" Wie auch immer Wills potentielle Veränderung aussehen mag, wie bei Francis involviert auch sie das Leben von Menschen, die ihm sehr am Herzen liegen. Im Fall von Will ist der Rote Drache, der alles bedroht, was ihm lieb ist, womöglich gar nicht in ihm, sondern in einer Zelle hinter einer Glaswand.

Notizen am Rande:

- Wills Stiefsohn schlägt vor, dass Francis auf jeden Fall ermordet werden muss und geht direkt im Anschluss seelenruhig Baseball schauen. Ich glaube, da ist der nächste Serienkiller-Kandidat auf dem Weg.

- Die Serie interessiert sich bekanntlich nicht so sehr für authentische Plotdetails und so wird - im Gegensatz zu der Romanvorlage - keine Zeit dafür verschwendet, die Strategien zur Kommunikation zwischen Hannibal und Francis auszuleuchten. Ganz im Gegenteil wird sich sogar ein bisschen über die Vorlage lustig gemacht: “How do you imagine he’s contacted me? Personal ads? ...notes on toilet paper?” Genau das tat er nämlich in Thomas Harris' Red Dragon.

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