Will Smith hat mit seinem Oscar-Ausraster 30 Jahre Karriere-Arbeit ruiniert

03.04.2022 - 09:00 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
Will Smith: Wie wirkt sich der Ausraster auf seine Karriere aus?Paramount/Telepool
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Der Oscar-Ausraster schockt, weil er nicht zu Will Smith passt. Jahrzehntelang arbeite Smith an dem Bild des perfekten Schauspielers, um in wenigen Sekunden alles einzureißen.

Der Kernsatz, auf den Will Smiths Rede nach seinem Oscar-Ausraster hinauslief, lautet folgendermaßen: "Liebe lässt dich verrückte Dinge tun." (But love will make you do crazy things). Im Jahr 2015 erklärte Smith, warum er die Rolle des Sklaven Django im Tarantino-Film Django Unchained abgelehnt hatte . Ihr müsst die Begründung komplett lesen, denn sie legt sich einfach zu schön über die Ohrfeigen-Geschichte, die uns seit einer Woche beschäftigt:

  • "Es ging um die kreative Ausrichtung der Geschichte. Für mich ist es genau die Geschichte, die man sich immer vorstellt: Ein Typ lernt zu töten, um seine Frau zu befreien, die als Sklavin gehalten wird. Die Idee ist perfekt. Es ist nur so, dass Quentin und ich nicht dasselbe darin gesehen haben."
  • "Ich wollte den Film unbedingt machen, aber ich merkte, das würde ich nur tun können, wenn [Django Unchained] eine Liebesgeschichte wäre, keine Rachegeschichte."
  • "Gewalt erzeugt [Gegen-]Gewalt. Ich konnte in der Gewalt einfach nicht die richtige Antwort erkennen. Liebe muss die Antwort sein."

Der Oscar-Ausraster ist ein Schandfleck auf Will Smiths sauberer Karriere

Bei den Oscars war Gewalt als Ausdrucksmittel offenbar okay, sie diente den richtigen, den Will Smith-gemäßen Zielen. Als Zeichen der Liebe und als Rache-Geste.

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Rolle und persönliches Image waren für Will Smith immer zwei Seiten derselben Medaille. Deshalb schockierte sein Ausraster bei den Oscars am letzten Sonntag uns alle so sehr. Also deshalb und natürlich, weil Smith beim wichtigsten Filmpreis der Welt während einer Live-Show den Comedian und Schauspieler Chris Rock auf einer Bühne ohrfeigte und ihn danach aus den Zuschauerreihen weiter obszön beleidigte. Wow!, um hier Rocks prompte Reaktion zu zitieren.

Dennoch: Wenn dieser Ausfall, sagen wir, Val Kilmer passiert wäre und nicht Will Smith, wäre das Thema nach drei Tagen gegessen. Was ist so anders an Will Smith?

"Der größte Filmstar der Welt": Wie Will Smith seine Karriere aufgebaut hat

Das soll keine Entschuldigung sein, aber: Will Smith hat bei den Oscars eindeutig die Kontrolle verloren. Und das muss einen von (Selbst)Kontrolle besessenen Menschen wie ihn extrem wurmen.

In den 15 Minuten zwischen dem geschmacklosen Witz von Chris Rock und Smiths selbstherrlicher Dankes/Entschuldigungsrede hat er seiner penibel geschliffenen und sorgsam polierten Karriere einen tiefen, quietschend nachhallenden Kratzer verpasst. Dieser Kratzer wird sich kaum rückstandslos wegwischen lassen, weil Will Smith eben kein normaler Filmstar mit einer normalen Karriere ist.

Will Smith plante seine Karriere und sein Image wie ein Multimillionen-Dollar-Unternehmen. Viele Stars haben einen Karriereplan, aber keiner einen so ambitionierten und präzisen und letztlich erfolgreichen wie Will Smith. Er ist das Amazon unter den Hollywood-Stars.

Ganz zu Beginn seiner Karriere Anfang der Neunziger, also vor etwa 30 Jahren, entwarf Smith zusammen mit seinem Manager James Lassiter einen Karriereplan, der ihn auf den Thron von Hollywood führen sollte, sagte er 2015 THR . Als das Konzept entstand, war Smith etwa Mitte zwanzig. Er erholte sich gerade von einem Bankrott  mit feierte seinen ersten Schauspiel-Erfolg mit der Sitcom Der Prinz von Bel-Air.

Ich sagte zu James Lassiter, 'Ich will der größte Filmstar der Welt werden.' Und er sagte, 'Okay. Lass uns herausfinden, was dafür nötig ist.'

Will Smith wollte der perfekte Filmstar sein und scheitert daran

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Nötig war, möglichst viele erfolgreiche Blockbuster am Stück zu drehen – was Smith gelang wie niemand anderem davor und danach. Will Smith ist der einzige Schauspieler, der mit 8 Filmen hintereinander 100 Millionen Dollar an den US-Kinokassen eingespielt hat. Er und sein Manager durchforsteten dafür die Top 10 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten und leiteten daraus eine Karriereformel ab, die eigentlich gar nicht so kompliziert ist und auch nicht immer funktioniert: Ein erfolgreicher Film braucht Special-Effects, Monster und eine Liebesgeschichte. "Also suchten wir nach Filmen mit Special-Effects, Monstern und Liebesgeschichten."

Zum größten Filmstar der Welt gehört auch die Auszeichnung mit dem größten Filmpreis in der wichtigsten Kategorie: der Oscar für den Besten Darsteller. Es mag viele überraschen, doch Will Smith gewann für King Richard seinen ersten Oscar überhaupt nach zwei Nominierungen für Ali und Das Streben nach Glück.

Kommerzieller Blockbuster-Star und anerkannter, seriöser Darsteller: Niemand vereinte diese beiden Pole des Mainstream-Kinos so perfekt wie Will Smith. Weil das einfach verdammt schwer ist. Es funktioniert nur mit präzisem Micromanagement und genau dem unterwirft sich Will Smith seit 30 Jahren. Er hat in seiner Karriere nie etwas dem Zufall überlassen.

Und jetzt dieser Moment bei den Oscars. Ein Augenblick des puren, menschlichen Chaos in einer zumindest äußerlich so geordneten Biographie.

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Der Oscar war der Höhepunkt in Will Smiths Karriere – und gleichzeitig der Tiefpunkt

Im Moment seines größten künstlerischen Triumphes erreichte Smith seinen persönlichen Tiefpunkt. Egal, wie viele ihn dafür auch feiern mögen: Eine öffentliche Ohrfeige widerspricht allem, wofür Will Smith steht. Er will ein Star für die Familie sein und kein impulsgesteuerter Trampel auf Reality-Show-Niveau.

Wer als Saubermann Ohrfeigen verteilt, für den wird der Schlag zwangsläufig zum Bumerang. Das merkte Will Smith wohl selber, nachdem sich die erste Wut auf Chris Rock ein wenig legte, vielleicht schon auf dem Weg zurück von der Bühne zum Logenplatz. Mit seiner bizarren, weil erstaunlich unreflektierten Rede 15 Minuten später betrieb er verzweifelte Schadensbegrenzung – 30 Jahre eiserne Disziplin und Arbeitsethos rannen ihm durch die Finger.

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Was bleibt von der Oscar-Shitshow kleben an der Fresh Prince-Statue? Für den Augenblick erreichte Smith mit dem melodramatischen Auftritt den bestmöglichen Effekt. Hier zeigte sich die Kraft des Will Smith-Charismas, der mit hohlen Sätzen wie "Ich will ein Schiff der Liebe sein" Ovationen im Saal erwirkte. Ein purer Will Smith-Kinomoment: Er kann Räume für sich gewinnen, Szenen beherrschen und die Emotionen des Publikums auf Knopfdruck steuern.

Nur wird dieser ungeplante Will Smith-Höhepunkt langfristig eben nicht als rührende Lovestory in die Geschichte eingehen, sondern als würdeloses Rache-Epos im kleinen Rahmen, als Meme für die Internet-Ewigkeit. An dem unmenschlichen Ziel, der perfekte Filmstar zu werden, ist Will Smith gescheitert.

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