Werbe-Regisseure beeinflussen das moderne Kino

30.05.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Als wäre sie einem Beauty-Spot entsprungen: Charlize Theron in Snow White and the Huntsman
Universal
Als wäre sie einem Beauty-Spot entsprungen: Charlize Theron in Snow White and the Huntsman
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Jeder Regisseur hat einmal klein angefangen. Oft erregten sie mit dem Drehen von Werbe- oder Musikclips die Aufmerksamkeit der Studios und wechselten dann ins Kinofach. Wie das verschiedenen Filmemachern gelungen ist und welchen Einfluss sie auf das Medium haben, haben wir uns genauer angeschaut.

Es ist noch nie ein Meister vom Himmel gefallen – das gilt natürlich auch für die Filmregisseure dieser Welt. Oft haben sie in der Musik- oder Werbebranche ihre ersten Erfahrungen gesammelt und können, wenn sie ihre Arbeit gut machen, durchaus auch zm Kinofilm wechseln. Selbstverständlich beeinflusst die frühere Arbeit des Regisseurs auch seine künftigen Projekte. Oft kollidieren dann zwei Welten miteinander. Denn nur, weil ein Regisseur eine Geschichte in einer Minute erzählen kann, muss das noch lange nicht auf der großen Leinwand funktionieren.

Als sich in den Achtziger Jahren die erste Generation der künstlerischen Werbefilmer entwickelte, traten aus diesem Medium talentierte und kompetente Geschichtenerzähler hervor. Zu ihnen zählt natürlich Regieveteran Ridley Scott, der mit seinem Apple-Werbespot sowohl die Erzählweise der Werbung, als auch der von Filmen beeinflusste. Und auch Regisseure aus der Musikvideoindustrie erregten Aufmerksamkeit und übertrugen ihre Visionen auf 90-Minüter. Allen voran sei hier Regisseur David Fincher (Sieben, Fight Club) erwähnt, der bis heute wie kaum ein anderer den Spagat zwischen tiefgehender Erzählweise und beeindruckender Optik meistert. Seine Werbeerfahrungen bereicherten seine Filme und verliehen ihnen einen erstklassigen Look, der wunderbar mit seinen Geschichten harmonierte. Und auch Regisseure wie Michel Gondry oder Spike Jonze, die ihre ersten Gehversuche auch mithilfe von Musikvideos machten, verlieren sich nicht in bildgewaltigen Spezialeffekten, sondern zählen zu den innovativsten und einfühlsamsten Geschichtenerzählern.

Dass der Wechsel von der Werbung zum Film aber auch in die Hose gehen kann, sehen wir am aktuellen Beispiel von Snow White and the Huntsman. Für ihr riesig anmutendes Fantasymärchen holte sich Universal den gestandenen Werbefilmer Rupert Sanders als Regisseur ins Boot. Dieser debütierte mit der Neuauflage des Grimmschen Klassikers und konnte damit alles andere als glänzen. Während er in seinen Werbefilmen wie in Halo oder Guiness, imstande ist, die ganze Bildgewalt und Spannung auf ein bis zwei Minuten zu konzentrieren, wirkt das Timing in seinem 120 Minuten langen Debütfilm oft deplatziert und unausgereift. In seinem Spiegelkabinett aus Spezialeffekten, Kampfszenen und prächtigen Kostümen, scheint der Regisseur zunehmend die Orientierung zu verlieren. Inszeniert wird hier frei nach dem Motto: Was die Story nicht kann, machen wir mit den Bildern wieder wett. Für den einen oder anderen von euch mag das sicherlich funktionieren, den Großteil der Zuschauer dürfte aber ein Stück saurer Apfel im Halse stecken bleibt.

Der Sprung vom Werbeclip, Musikvideo oder Kurzfilm zu einem Blockbuster, ist nicht immer der richtige Weg. Hatten Werberegisseure früher noch die Zeit, sich im Medium Film auszutesten und ihre Erzählweise der Länge eines Spielfilms anzupassen, werden heute immer öfter Regisseure ins kalte Wasser geworfen. Da ist es auch verständlich, dass der Sinn für ausgearbeitete Charaktere oder eine schlüssgige und gut-getimte Story noch nicht völlig ausgereift ist. Dass dieses Schicksal zuweilen nicht jeden Clipregisseur ereilt, steht außer Frage. Zwar tritt bei einem Tarsem Singh (The Cell, The Fall) auch gerne mal die Story hinter die Optik zurück, jedoch vermittelt er uns diese in einzigartigen und monumentalen Bildern, die er ohne eine Karriere als Werberegisseur sicherlich nie in dem Maße auf die Leinwand hätte zaubern können.

Werbung, Musikvideos und Filme beeinflussen sich ständig gegenseitig. Auch wenn wir es nicht wollen, aber auch auf uns färbt der Stil der verschiedenen Medien ab. Unser Auge gewöhnt sich zunehmend an die schnellen Schnitte und Effekte der Werbefilme. Besonders die jüngere Generation spricht dieser Video- und Erzählstil an. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass viele Studios ihre Filme für eben genau diese Zielgruppe konzipieren und produzieren. Schneller, größer, besser scheint desöfteren die Devise der Filmemacher zu sein, die damit zwar einen Teil ihres Zielpublikums ansprechen mag, bei den Geschichtenliebhabern aber nur Kopfschmerzen verursachen.

Es bleibt anzunehmen, dass trotz vieler Fehlstarter die Filmindustrie weiterhin auf junge Regisseure aus anderen Branchen zurück greift. Und das ist auch gut so, solange die Neueinsteiger nicht hoffnungslos überfordert werden. Denn von den entstehenenden Synergieeffekten kann letztendlich jeder profitieren.

Wie steht ihr zu Regisseuren, die aus der Werbung oder aus der Musikvideobranche kommmen? Seht ihr die neuesten Entwicklung als Fluch oder als Bereicherung?

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