Wie Stanley Kubrick in seinem Heist-Puzzle The Killing Träume zerstörte

24.08.2016 - 12:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
The Killing - Die Rechnung ging nicht aufMGM
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1956 erschien Stanley Kubricks Heist-Movie The Killing. Der Film um einen Raubüberfall zeigt den jungen Virtuosen, der vor dem Hintergrund dahingeraffter Hoffnungen einen hochkonzentrierten Thriller mit augenzwinkernden Film noir-Elementen inszenierte.

Stanley Kubricks The Killing - Die Rechnung ging nicht auf ist ein Film der zerstörten Träume. Sein Heist-Film aus dem Jahre 1956 sollte für den Regisseur zwar kein finanzieller, aber künstlerischer Erfolg werden. Das Werk ebnete seine Wege zum Ruhm. Hollywood stand dem gerade 28 Jahre jungen Kubrick offen. Was folgte, ist Filmgeschichte.

Die zerstörten Träume betreffen glücklicherweise "nur" seine Filmfiguren.

Ihr Untergang ist indes keiner, der zutiefst verstört, sondern mit humoristischen Anleihen an den Film noir mit einem geradezu verschmitztem Lächeln vonstatten geht. Kubrick unterwandert manch klassisches Motiv des Genres mit einem solch neckischem Augenzwinkern. Der Film ist mehr als ein gut strukturierter Thriller um einen gescheiterten Raubüberfall. Und hier liegt eine große Stärke des Films, die Quentin Tarantino dazu inspirierte, sich mit seinem Spielfilmdebüt Reservoir Dogs 1992 in ähnliche Genre-Gefilde zu wagen.

Deshalb ist The Killing auch heute noch ein wilder Ritt

Wer Tarantinos ruppiges Debüt gesehen hat, wird Parallelen ziehen zu The Killing, der in diesem Jahr seinen runden 60. Geburtstag feiert. Schon die Einführung um eine Gruppe Männer rund um Sterling Hayden (Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben) als Mastermind Johnny gibt den pulsierenden Takt vor. Kubricks Figurenzeichnung ist von erzählerischer und inszenatorischer Finesse. Er hechtet anfangs von Figur zu Figur, deutet auf ihr hintergründiges, persönliches Wesen und gibt Ausblick auf den bevorstehenden Höhepunkt: den Raubüberfall während eines Pferderennens.

Die Räuberschaft bei der Planung in The Killing.

Kubrick spielte passioniert das "Spiel der Könige" und einem Schachspiel gleich bringt er seine Figuren in Stellung, um sie geradewegs in die Niederlage zu manövrieren. Ihr Schicksal besiegelt er durch einen bewussten Spielzug schon früh, wie sich später herausstellen soll. Seine Spiel- bzw. Erzählweise erlaubt es dem Zuschauer dennoch nicht, ihm allzu früh in die bereitgelegte Strategie zu schauen. Einem filmepisodischen Puzzle gleich, das nicht einer Zeitlinie folgt, sondern mal vor-, mal zurückspringt, fügen sich die Fragmente vorsichtig zusammen, nachdem sie gegenübergestellt, parallel gelegt und zum Teil überkreuzt wurden. Dabei scheint der Plan seiner Mitspieler ausgeklügelt, detailliert und mit den richtigen Mannen besetzt.

Noir mal anders: die Femme fatale, die keine ist

Dieser Plan wirkt, als stünde er vordergründig im Kreuzfeuer eines bekannten Genre-Schemas: Dem Publikum vermittelt Kubrick, dass es sich in den konspirativen Hinterzimmern eines klassischen Film noirs aufhält, denn es scheint die manipulative, gefühlskalte und egozentrische Frau von Räuberkumpane George (Elisha Cook Jr.) zu sein, einer klassischen Femme fatale gleichkommend, welche der Partie den verhängnisvollen Stoß verpasst.

Tut sie das?

Kubrick zeigt hier seine Empfindsamkeit für das Genre der "schwarzen Filme" und entzaubert den Mythos der gefährlichen, alles beherrschenden Schönen und reduziert ihren Machtbereich auf ihren schwachen, unsicheren Mann George, der ihr zuvor großspurig von den Plänen erzählt. Zusätzlich unterstreicht er diesen destruktiven Charakter mit klassischen Motiven des Film noirs, die er im Absurden münden lässt. Den im Genre bekannten Einsatz von starken Lichtquellen wandelt Kubrick so in einer Szene zwischen vermeintlicher Femme fatale und ihrem geheimen Liebhaber zu einem bewusst überzeichneten Verschwörermotiv, indem er sie auffällig über den Schein einer unter ihnen gestellten Lampe positioniert - ihre darauffolgende Armbewegung ins Licht wirkt da wie ein Fingerzeig.

Darum werdet auch ihr von diesem Pferderennen fasziniert sein

Ohnehin zeigt der Filmvisionär Stanley Kubrick auf jenen ausgeklügelten Stil aus Perspektiven und flüssigen Kamerabewegungen, der sein Werk später definieren sollte. Insbesondere das Gleiten von einem Raum in einen anderen, das Durchschreiten der dabei im Wege stehenden Wände erinnert z.B. an das Beobachten eines zunehmend dem Wahnsinn verfallenden Jack Nicholson im Gold Room des Overlook Hotels in Shining oder das teils schnittlose Stapfen einer US-Einheit durch die Hölle des Vietnamkriegs, wie es Full Metal Jacket zeigt.

The Killing gibt stilistischen Ausblick auf spätere Werke, etwa Full Metal Jacket.

Dem Budget von etwa 320.000 US-Dollar mag es da zum Teil geschuldet sein, dass Stanley Kubrick noch nicht alle Freiheiten zur Verfügung standen, die seine späteren Werke zu den einflussreichen audio-visuellen Monolithen machten.

Seine stringente, auf die wichtigsten narrativen Ankerpunkte fokussierte Erzählweise trägt aber bereits die Autorität eines Regisseurs inne, der wusste, wie und was er zeigen wollte. Nicht von Ungefähr dauerten die Dreharbeiten für den etwa 85-minütigen Film nur 24 Tage.

Deshalb wird die Rechnung niemals nicht nicht aufgehen

Somit bleibt Kubricks Frühwerk ein meisterhaftes, das die Zeit überdauern wird. Denn sein Fundament aus starkem Skript und sicherer Regie übersteht manch gefühlsüberladenes Raubdrama, das sich in biederen Psychologisierungen verliert, mit Leichtigkeit.

Dabei gewährt der Regisseur einen für manchen Zuschauer ungewöhnlich weitgehenden Blick hinter die Kulissen seines Ensembles. Er gesteht ihnen eine deutlich tragische, melancholische und somit fast melodramatische Seite zu. Männer, die zum Teil aus Geldgier, aber auch aus Hoffnung auf ein besseres Leben und der Liebe zu ihren Frauen ein Wagnis eingehen. Ihre Geschichten sind die großen Tragödien eines jeden, der an seine Träume glaubt und scheitert. Dass es sich dabei um einen Raubüberfall handelt, ist nicht entscheidend - es geht nicht um gesetzliche Moral.

Es geht um nichts weniger als den Wunsch, aus seinem Leben etwas zu machen. Auch, wenn die Rechnung für sie nicht aufging: Wer kann es ihnen verdenken?

Geht eure Rechnung auf?

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