Wie Cinderella die Disney-Zeichentrickfilme rettete

26.12.2017 - 10:45 Uhr
Tanzte sich zum Erfolg: CinderellaWalt Disney Pictures
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Heute Abend ist mit Cinderella die Realfilm-Version eines Disney-Zeichentrick-Klassikers im Fernsehen zu sehen. Lest, wie das Vorbild aus den 1950er-Jahren einst über das Schicksal der Disney-Studios entschied, die vom Bankrott bedroht waren.

Heute Abend könnt ihr Lily James um 20:15 Uhr auf RTL dabei beobachten, wie sie sich als mittellose Cinderella unter der Regie von Kenneth Branagh um die Gunst von Prinz Richard Madden bemüht, unterstützt von einer guten Fee und kleinen Füßen. Wie schon Tim Burtons Alice im Wunderland und Robert Strombergs Maleficent - Die dunkle Fee ist Cinderella dabei von einem Disney-Zeichentrick-Klassiker inspiriert, der ebenfalls Cinderella betitelten Märchenverfilmung aus dem Jahre 1950. Der stellte einst für die Disney-Studios die wohl letzte Chance dar, die Zeichentrickfilm-Abteilung zu retten, welche über zehn Jahre zuvor mit Schneewittchen und die sieben Zwerge Kinogeschichte schrieb.

Mit Schneewittchen und die sieben Zwerge wagte Walt Disney in den 1930er-Jahren nämlich etwas, das sich noch niemand zuvor getraut hatte: Einen abendfüllenden Zeichentrickfilm zu schaffen, der die für Kurzfilm-Cartoons typischen Gags zum Teil einer echten Geschichte machte. "Disneys Torheit", wie das Projekt in der Filmindustrie genannt wurde, entwickelte sich zu einem riesigen Erfolg: Zuschauer, Kritiker und Filmschaffende wie Sergei M. Eisenstein und Charlie Chaplin waren begeistert von Schneewittchen, Walt Disney erhielt einen Ehrenoscar und sieben kleine Academy Awards.

Disneys folgende Zeichentrickfilme Pinocchio, Fantasia, Dumbo, der fliegende Elefant und Bambi waren zwar nicht weniger ambitioniert, lösten an der Kinokasse aber nicht annähernd eine solche Begeisterung aus wie Schneewittchen. Eine gequälte Holzpuppe, ein halbverwaister Hirsch und ein depressiver Elefant als Hauptdarsteller mögen dem damaligen Publikum wohl etwas zu fremd gewesen sein, ganz zu schweigen von baletttanzenden Nilpferden.

So kam es, dass die Disney-Studios nach Bambi nur noch kurze Zeichentrickfilme zu Spielfilmen wie Drei Caballeros im Sambafieber zusammenfassten und nach dem Zweiten Weltkrieg mit 4 Millionen US-Dollar verschuldet waren. Schließlich hatte der Krieg auch dazu geführt, dass einige finanzkräftige ausländische Absatzmärkte ausgefallen waren.

Ende der 1940er-Jahre musste also dringend ein neuer Hit her, andernfalls hätten die Disney-Zeichentrickstudios wohl für immer ihre Pforten schließen müssen. Hier kommt nun Cinderella ins Spiel. Schon 1922 hatte Disney den Märchenklassiker in einen Cartoon verwandelt, bereits Ende der 1930er-Jahre hatte das Studio erste Vorarbeiten für eine Spielfimversion begonnen. 1948 entschloss sich Disney dann endgültig, nach Schneewittchen abermals auf eine Märchenprinzessin zu setzen, um die Gunst des Publikums zu gewinnen.

Cinderella steht dabei zwischen Tradition und Moderne, verbindet er doch Elemente aus Disneys vorherigen Zeichentrickfilmen mit neuen Ansätzen, die für spätere Werke prägend werden sollten. So schwangen abermals die sogenannten Nine Old Men die Zeichenstifte, Animatoren wie Frank Thomas, Ward Kimball und Wolfgang Reitherman, die allesamt schon an Schneewittchen beteiligt waren. Für Cinderella wurde aber so umfassend wie nie zuvor auf Realfilm-Referenzen zurückgegriffen: Um Kosten zu sparen, wurden etwa 90% von Cinderella zunächst mit Schauspielern gefilmt, deren Bewegungen dann mehr oder weniger direkt für die Zeichentrick-Figuren übernommen wurden. Dressierte Katzen, Mäuse und Vögel wurden allerdings nicht verwendet, so dass sich die Animatoren hier austoben konnten. Als Modell für Cinderella diente die Schauspielerin Helene Stanley, Jeffrey Stone war das Vorbild für den Prinzen.

Auch bei der Musik ging Walt Disney in mehrfacher Hinsicht neue Wege: Zum ersten Mal wurden für die Lieder erfahrene Hitschreiber engagiert, während zuvor Stücke wie "Some Day My Prince Will Come" oder "When You Wish Upon a Star" nur mehr oder weniger zufällig zu Erfolgen wurden. Bei Cinderella komponierten nun Mack David, Al Hoffman und Jerry Livingston sozusagen Hits auf Bestellung. Um das Vermarktungspotential der Lieder voll auszuschöpfen, wurden sie von Disneys frisch gegründetem Musikverlag (der Walt Disney Music Company) veröffentlicht, anstatt die Rechte an ihnen anderen Firmen zu verkaufen. Das Soundtrack-Album zum Film ging dann auch über 750.000 Mal über die Ladentheke. Auch bei der Aufnahme bediente sich Disney einer relativ neuen Technik: Cinderella-Sängerin Ilene Woods nahm mehrere Stimmen nacheinander auf, so dass sie sich selbst zu begleiten schien.

Insgesamt kostete die Produktion von Cinderella 2,9 Millionen US-Dollar, was heutzutage gut 28 Millionen entspricht. Eine riskante Investition, die sich aber mehr als auszahlte, denn durch die Kino-Einnahmen des Films, der Plattenverkäufe und zahlreiche Merchandising-Erlöse stand Disney schon bald eine beträchtliche Summe zur Verfügung. So konnten nicht nur die Zeichentrick-Studios vor dem Bankrott gerettet werden, es war auch genug Kapital vorhanden, um Realfilme zu produzieren, einen eigenen Verleih aufzubauen, ins TV-Geschäft einzusteigen und mit dem Bau von Disneyland zu beginnen.

Welche Cinderella-Version gefällt euch am besten?

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