Welt am Draht - Die bessere Matrix

22.02.2010 - 14:00 Uhr
Welt am Draht
Kinowelt
Welt am Draht
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Wenige wissen, dass Rainer Werner Fassbinder auch Science Fiction konnte. Arthaus veröffentlichte letzte Woche Welt am Draht, der die Story von Matrix schon 1971 erzählte.

Welt am Draht war bis zur diesjährigen Berlinale einer der fast vergessenen Filme des Regisseurs Rainer Werner Fassbinder. Seit über 30 Jahren gab es ihn nicht mehr im Handel und auch im Fernsehen war er nur sehr selten zu sehen. Lediglich eingefleischten Science Fiction-Fans war bekannt, dass die Pointe von Matrix bereits 1973 in Deutschland erzählt wurde und The 13th Floor eigentlich ein Fassbinder-Remake ist.

Wie dieser Film basiert Welt am Draht auf dem Roman Simulacron 3 von Daniel F. Galouye. Stiller (Klaus Löwitsch) ist der Technische Leiter am Institut für Kybernetik und Zukunftsforschung und verantwortlich für den Großrechner Simulacron 1. Dieser ist in der Lage, einen Ausschnitt der Realität mitsamt ihren Bewohnern perfekt zu simulieren. Die simulierten Personen haben zwar ein eigenes Bewusstsein, jedoch keine Ahnung, dass sie nur Teil einer virtuellen Realität sind. Nur der “Kontaktmann” Einstein (Gottfried John) ist eingeweiht und verzweifelt am Wissen, selbst nicht real zu sein. Als sich seltsame Zwischenfälle häufen, reift in Stiller die Erkenntnis, dass auch seine Welt nur die Computer-Simulation einer höherliegenden Realitätsebene ist.

Die Story bietet erheblich mehr Tiefgang als Matrix oder The 13th Floor und kommt in seiner Suche nach dem Wesen des Menschen über das Medium des Science Fiction-Filmes schon fast an Solaris von Andrei Tarkowski heran. Wie ihm dient Fassbinder der Science-Fiction-Kontext nur als Vorwand für existenzphilosophische Fragen. Aufgefangen wird dieses verkopfte Thema von gekonnt eingesetzter Action und einem subtilen Humor, der anfangs noch unbeabsichtigt wirkt, sich jedoch schnell als Stilmittel zu erkennen gibt. Ein komischer Höhepunkt ist sicherlich der Kommune 1-Hippie Rainer Langhans als sächselnder Kellner auf einer Party.

Das Besondere an Welt am Draht ist der weitgehende Verzicht auf Science Fiction-Klischees. Nur selten sind futuristische Sets zu sehen und auch die drei Realitätsebenen unterscheiden sich optisch kaum voneinander. Auch Trick-Aufnahmen sind selten. Schließlich handelt es sich um realistische Simulationen. Science Fiction sieht bei Fassbinder wie eine graue Stadt in den 1970ern aus. Viel bunter ist hingegen das atemberaubende Innendesign im Retro-Look. Wenn sich das Paar nach dem Liebesakt in Löwenfell-Bettwäsche räkelt und umringt ist von Einrichtungs-Gegenständen, die Innenarchitekten noch heute Freudentränen in die Augen treiben, dann wird Welt am Draht auch zum optischen Highlight. Dazu trägt auch die innovative Kamera-Arbeit von Michael Ballhaus (Departed – Unter Feinden) bei.

Um diesem Film-Klassiker zu seinem Recht zu verhelfen, wurde die alte Kopie, die 1973 als Zweiteiler für den WDR produziert wurde, aufwändig restauriert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, denn der Film erstrahlt in bester Bildqualität und satten Farben. Die restaurierte Fassung feierte dieses Jahr auf der Berlinale seine Premiere und erschien am 18. Februar auch als Arthaus-Premium DVD.

Neben den zwei 90-minütigen Teilen von Welt am Draht packt Arthaus auch reichlich Bonusmaterial auf die beiden DVDs. Neben dem Hauptfilm sind auch Das kleine Chaos und Der Stadtstreicher, die beiden ersten Kurzfilme von Rainer Werner Fassbinder, zu sehen. Außerdem komplettieren eine Doku zur Entstehung und Restauration von Welt am Draht, ein sehr informatives Interview mit Rainer Werner Fassbinder, eine Bildergalerie und Produktionsdokumente als PDF das qualitativ durchweg überzeugende Bonus-Paket.

Um eine von fünf der Arthouse-Premium DVDs von Welt am Draht zu gewinnen, müsst ihr uns nur eine einfache Frage beantworten: Welche ehemalige Muse von Rainer Werner Fassbinder wurde auf der diesjährigen Berlinale mit dem Ehrenpreis und einer eigenen Hommage geehrt? Schickt die Antwort mit dem Stichwort Welt am Draht bis zum 15. März 2010 an gewinnen@moviepilot.de.

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