Filmkritiker Rüdiger Sturm schreibt über das Fictionfest in Rom.
Warum lohnt es sich, so ein Festival zu besuchen? Die prominentesten Gäste tragen Namen wie Dean Norris, Thomas Sadoski oder Atom Egoyan. Es gibt hier nicht einmal Filme zu sehen. Doch das Fictionfest in Rom ist auf seine Weise eine der trendträchtigsten Veranstaltungen im internationalen Zirkus. Denn es setzt auf das Medium, das dem Kino den Rang als innovative Erzählform abzulaufen scheint – Fernsehen. Schon 2007 hatten die Römer die Zeichen der Zeit erkannt und eine Veranstaltung aufgelegt, die ihrem Publikum die verschiedensten Varianten des kleinformatigen Filmemachens nahezubringen versuchte. Es mag angesichts der Misere der öffentlichen Haushalte Italiens wie ein Wunder wirken, dass das Fictionfest bis zu diesem Jahr überlebt hat. Zumal der Eintritt in die Vorführungen samt und sonders umsonst ist, also kein Zubrot durch Ticketverkäufe anfällt.
Zugegeben, Einschnitte gegenüber früheren Ausgaben, bei denen Stars ersten Ranges wie Helen Mirren oder Kenneth Branagh präsent waren, waren augenfällig. Aber an der Substanz des Programms hat sich nichts geändert. An sechs Tagen wurden ausgewählte Folgen von Serienhighlights wie Under the Dome, The Newsroom oder Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D. gezeigt. Hochkarätige TV-Macher wie Produzentin Melissa Bernstein (Breaking Bad) oder Frank Spotnitz (Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI) standen dem Publikum in ‚Masterclasses’ Rede und Antwort. Und dass auch in Europa Fernsehen von internationaler Relevanz produziert wird, belegten TV-Movies wie Burning Bush. Das zeithistorische Panorama über die Selbstverbrennung Jan Palachs, der 1969 gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings protestierte, war eine Produktion des europäischen Ablegers von US-Senderikone HBO und sorgte bereits in Toronto für Furore. Was beim deutschen Zuschauer die neidgeprägte Frage aufwirft: Warum ist so etwas nicht bei uns möglich?
Ob dem Fictionfest eine nächste Auflage 2014 möglich sein wird, muss sich angesichts der wackligen Budgetlage noch erweisen. Dass es auf die richtigen Inhalte setzt, ist indes unbestritten.