Abspannszenen sind irrelevant. Der Film ist vorbei und alles, was danach kommt, ein Goodie. Über Abspannszenen beschweren ist wie von den Bonbons einer Hotelrezeption naschen und lauthals den fehlenden Waldmeister-Geschmack bemängeln. Sowas macht man nicht. Normalerweise.
Die jüngsten Post-Credit-Szenen aus dem Marvel Cinematic Universe verdienen jedoch die Aufregung. Da sitzt man in den letzten Minuten im Kinosessel, von Angst erfüllt, als würde Michael Myers in der Toilettenschlange warten. Weil gleich wieder so eine furchtbare Marvel-Abspannszene kommt. Das sind keine Bonbons, das sind Wurzelbehandlungen, bei denen Freddy Krueger am offenen Nerv seine Klingen schärft. Die erste Abspannszene in Thor 4: Love and Thunder mit Chris Hemsworth zeigt, dass sie immer unerträglicher werden.
Vor der Abspannszene in Thor 4 sollte man aus dem Kino fliehen
Thor 4: Love and Thunder endet emotional für unseren Donnergott, mit einer verlorenen Liebe und einer neuen Verantwortung. Im Abspann gibt es ein Wiedersehen mit Göttervater Zeus. Das müsste Freudentänze hervorrufen, denn Russell Crowe hat den vorangegangenen Film Chris Hemsworth quasi unter der Nase weggeklaut, so unterhaltsam und verspielt legt er den himmlischen Selbstdarsteller an. Die Abspannszene artet allerdings in den puren Horror aus.
Schaut euch Yves Review von Thor 4 an:
Früher hätte eine Post-Credit-Szene die geheimnisvolle Rückkehr von den Toten geteast und es dabei belassen. Die erste Post- bzw. Mid-Credit-Szene von Thor 4: Love and Thunder allerdings zeigt sich gierig.
Crowe muss einen langen, viel zu ernsten Monolog über den respektlosen Umgang mit Göttern halten. Der misst seinem Zeus einen getragenen Ernst zu, den er im ganzen Film davor nicht hatte. Es wirkt unendlich gewollt. Dann befällt den Scene Stealer aus Thor 4 dasselbe Unheil wie viele andere Opfer, die sich in MCU-Abspannszenen wiederfinden: Zeus muss eine neue Marvel-Figur einführen. Da denkt man, die Credits würden den Feierabend einläuten und dann das! Harte Arbeit!
Es handelt sich um Hercules, gespielt von Brett "Roy Kent aus Ted Lasso, eine Serie, die ihr vielleicht kennt" Goldstein. Zu diesem Zeitpunkt häuften sich in meinem Kino Ausrufe von "Hä?" und verwirrtes Gelächter. Mal wieder vermengt das MCU im Abspann einen großen Cameo mit einer neuen Marvel-Figur, die vielleicht in Phase 8 oder 9 des Universums eine Rolle spielen wird. Das hat Methode, so wie ein paar lange Fingernägel, die über eine Tafel kratzen, Methode haben können. Werfen wir kurz einen Blick zurück!
Hier sind die größeren Abspannszenen in Phase 4 des MCU:
- Florence Pugh kriegt Besuch von Selena aus Veep in Black Widow, eine Szene bei der nicht mal der Drehbuchautor wusste, was sie bedeutet.
- Shang-Chi bekommt Besuch von Bruce Banner und Carol Danvers
- Harry Styles spielt Thanos' Bruder, Kit Harington greift nach einem Schwert und Mahershala Ali spricht Blade in Eternals
- Tom Hardys Eddie Brock wird aus dem MCU geworfen in Spider-Man: No Way Home
- Charlize Theron hopst in Doctor Strange 2 durch ein Portal. Zitat: "Du hast eine Inkursion verursacht. Wir müssen das in Ordnung bringen."
Die pure Masse an Super-Gaststars in den genannten Abspannszenen plättet, auch weil viele von ihnen ins MCU hineinstolpern, als hätten sie sich auf der Suche nach einer Halloween-Party verlaufen. Keine der genannten Abspannszenen bezieht sich auf einen der anderen Filme in der Liste. Einige Figuren sind fürs Publikum ohne Comic-Hintergrund unverständlich, die Umsetzung oft auf Mängelexemplar-Niveau. Traumatisches Beispiel: die grauenhaften Effekte von Patton Oswalds Pip in Eternals.
Wenn eine Szene mit Tom Hardys Eddie Brock in einer Liste am meisten Sinn ergibt, hast du ein großes Problem.
Angst ist bei den MCU-Abspannszenen absolut berechtigt
Charlize Therons Auftritt in Doctor Strange in the Multiverse of Madness eroberte einen neuen Tiefpunkt in der Historie der Abspannszenen. Vielleicht traf er mich persönlich härter, weil ich Sam Raimis Film mochte und mich um einen Schandfleck am Ende sorgte. Ich saß nämlich im Kino in Erwartung der unvermeidbaren MCU-Abspannszene. Wie peinlich würde es diesmal werden? Die Angst vor der Fremdscham wuchs und wuchs, wie seit den frühen Tagen von Stromberg nicht mehr.
Es wurde peinlich. Was der spaßige Auftritt einer viel beachteten Oscarpreisträgerin in einem großen Franchise hätte werden können, gestaltete sich als drittklassiger Outtake aus The Old Guard. Bei Twitter fand Colorandi_causa den geeigneten Begriff für diese einzigartige Abspann-Phobie: Franschiss.
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Die erste Abspannszene in Thor 4: Love and Thunder geriet wegen ihrer Länge noch ein Stück unerträglicher, als es bei Doctor Strange 2 der Fall war. Da verging sogar mir die Lust an Russell Crowes vergnüglichem Wampensau-Spiel.
So lange Marvel-Boss Kevin Feige kein Einsehen hat, müssen wir weiter in Angst leben.
Mehr zum Film im Podcast: Wie gut ist Thor: Love And Thunder?
Im FILMSTARTS-Podcast Leinwandliebe diskutieren Moderator Sebastian, Chefredakteur Christoph und Marvel-Experte Julius über "Thor 4: Love And Thunder". Dabei sind sie sich ziemlich einig: Bei allen Stärken des Films, gibt es dieses mal auch einige eklatante Schwächen...
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Leinwandliebe ist der wöchentliche Kino- und Film-Podcast unserer Kollegen und Kolleginnen von FILMSTARTS.