The Looming Tower - Jeff Daniels im Wettlauf gegen die Zeit vor 9/11

09.03.2018 - 09:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
The Looming TowerHulu
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Die Miniserie The Looming Tower erzählt von dem Pfad, der zu den Anschlägen des 11. Septembers 2001 führte. Die Hürden des Informationszeitalters spielen dabei eine übergeordnete Rolle und sorgen für fesselnde wie brisante Serienkost.

Update, 09.03.2018: Nachdem die 1. Staffel von The Looming Tower bereits im Rahmen der Berlinale 2018 ihre Premiere gefeiert hat, startete die Serie Ende Februar auf Hulu. Anlässlich der hiesigen Erstausstrahlung auf Amazon haben wir unsere Serien-Check noch einmal geupdatet.

Bereits im vergangenen Jahr hat Hulu mit der Adaption von Margaret Atwood dystopischer Erzählung The Handmaid's Tale genau den Nerv der Zeit getroffen. 2018 scheint diese Aufgabe der Miniserie The Looming Tower übertragen worden zu sein, die auf dem gleichnamigen, mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Bestseller von Lawrence Wright basiert und sich mit den Ereignissen beschäftigt, die schlussendlich zu den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 führten. Im Jahr 1998 setzt die Geschichte ein, und trotz der zwei Dekaden, die seitdem vergangenen sind, lässt sich The Looming Tower einwandfrei als Kommentar auf die aktuelle Situation in Trumps Amerika lesen. Denn während kurz vor der Jahrtausendwende der Wert von Informationen ins unermessliche stieg und Sicherheitsbehörden wie das FBI und die CIA spaltet, findet sich das Land der unbegrenzten Möglichkeiten unter seinem aktuellen Präsidenten erneut in einer Spaltung wieder, die gegenseitig aufwiegelt.

Mit Alex Gibney, der sich aufgrund seiner herausragenden Arbeit im Dokumentarfilmbereich einen Namen gemacht hat, und dem zweifach als Drehbuchautor für den Oscar nominierten Dan Futterman (für Capote und Foxcatcher) hat sich Lawrence Wright ein überaus kompetentes Team zusammengestellt, um sein eigenes Werk zu verfilmen. Was gleich zu Beginn auffällt: Während die Vorlage verschiedene Perspektiven einnimmt, um die Geschehnisse aus möglichst vielen Blickwinkeln zu beleuchten und dazu in der Zeit sogar bis in die 1940er Jahre zurückgeht, fokussiert sich die Serien-Adaption auf einen deutlich kleineren Rahmen. Rund sechs Jahre umfasst die in den ersten zwei Episoden etablierte Zeitspanne, die sich mit dem Vorlauf sowie den Nachwirkungen des 11. Septembers 2001 auseinandersetzt. Als Protagonisten dienen bisher überwiegend Figuren auf US-amerikanischen Boden, allen voran Mitglieder des FBI und der CIA.

The Looming Tower

Genau hier offenbart sich allerdings bereits der Kern der Serie, die zwar stets das geopolitische Ausmaß der vonstattengehenden Dinge im Hintergrund andeutet, sich vordergründig aber dem Kampf alteingesessener Machtstrukturen in den USA widmet. Während FBI-Agent John O'Neill (Jeff Daniels) felsenfest davon überzeugt ist, dass sein CIA-Kollege Martin Schmidt (Peter Sarsgaard) staatliche Auflagen missachtet und bewusst brisante Informationen hinsichtlich der Machenschaften von Osama bin Laden und al-Qaida verheimlicht, kosten ausbleibende Taten auf der anderen Seite der Welt Menschenleben. Geschickt setzt The Looming Tower das Ego der Agierenden ins Verhältnis zu den Konsequenzen der Entscheidungen, die sie zu treffen haben. Sorgfältig und präzise werden Hierarchien eingeführt, ehe sich später ein großes, komplexes Monster offenbart, dass mit den modernsten Mitteln des neuen, anbrechenden Jahrtausends agiert und gleichzeitig düstere Geheimnisse versteckt.

Als zwei von John O'Neills Agenten bei Martin Schmidt, der glaubt, die Welt im Alleingang retten zu müssen, an die Tür klopfen, weist dieser hastig sein Team an, jegliche Hinweise und Spuren vor den neugierigen Augen der Verbündeten (!) zu verstecken. Schreibtische werden geräumt, Tafeln verhängt und Jalousien geschlossen. Der Kampf im frühen Informationszeitalter findet nicht nur in Form von hochempfindlichen wie inzwischen klotzig anmutenden Datenträgern statt, die es zu erlangen gilt, sondern ebenfalls mit ganz archaischen Methoden, die geradezu unprofessionell anmuten. Doch genau durch diese aufmerksamen Details, die den Mensch gleichermaßen als Schwachpunkt und starkes Glied der Kette verstehen, schafft The Looming Tower eine elektrisierende Spannung, die raffiniert zwischen dem Hauch des Dokumentarischen und dramaturgischen Kniffen schwankt. So vereinen sich etwa authentische Aufnahmen des Weltgeschehen mit nervenaufreibenden Mechaniken eines Thriller-Dramas.

The Looming Tower

Mehr noch als die Expertise der kreativen Köpfe hinter den Kulissen sorgt jedoch vorerst das ausnahmslos großartig aufspielende Ensemble für den meisten Eindruck. Allen voran Jeff Daniels, der mit der gleichen Eloquenz und unwiderstehlichen Unausstehlichkeit wie sein Will McAvoy aus The Newsroom auf globaler Ebene agiert, während der heimlich zwei Affären und eine Familie unter einen Hut bringen muss. Peter Sarsgaards Antagonist findet derweil in den Lücken des Systems seinen Triumph und behält sich haarspalterische Argumentationsketten als Ass im Ärmel, während Tahar Rahims junger FBI-Agent Ali Soufan am ehesten als Identifikationsfigur in diesem bürokratischen Labyrinth aus als Wahrheit getarnten Lügen fungiert. The Looming Tower entdeckt in seinen Figuren ganz beiläufig feine Facetten. Besonders der von Bill Camp verkörperte FBI-Veteran Robert Chesney gewinnt im Verlauf der Zeit an unerwarteter, menschlicher Tiefe.

In welche Richtung sich The Looming Tower in den kommenden Wochen auch entwickelt - die Menschlichkeit in diesem Wust aus sensiblen Informationen und verhängnisvollen Entscheidungen könnte das größte Vermächtnis sein, dass diese Serie zutage fördert. Gerade wenn die "wahren Ereignisse" die organische Erzählung überschatten, geradezu dominieren, leistet der Auftakt der Serie ganze Arbeit, wenn es darum geht, die Figuren möglichst interessant und vielschichtig zu gestalten. Manchmal tauchen die Twin Towers des World Trade Center in weiter Ferne am Horizont auf, als wollten sie vom großen Unheil künden, das für uns Zuschauer aufgrund unseres Vorwissens zur tickenden Bombe geworden ist. Am wahrhaftigsten ist The Looming Tower bisher jedoch, wenn das Damoklesschwert in Vergessenheit gerät und die Episoden ihre eigenen Weg gehen, dicht bei den Figuren und trotzdem im Bewusstsein der Gravitas der Geschichte.

Die 1. Staffel von The Looming Tower feierte im Rahmen der Berlinale 2018 ihre Premiere, ist seit dem 28.03.2018 auf Hulu in den USA zu sehen und kommt am 09.03.2018 via Amazon nach Deutschland. Als Grundlage für den Serien-Check dienten die ersten zwei Episoden.

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