The Last Kingdom - Game of Thrones trifft auf Vikings?

03.03.2016 - 09:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
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Die Historienserie The Last Kingdom erzählt vom Konflikt der Angelsachsen und Wikinger im frühen Mittelalter. Doch nicht nur Fans von Game of Thrones und Vikings sollten einen Blick über den Schildrand riskieren.

Eisig pfeift der Wind durch die Reihen der Männer von Wessex, die sie sich hinter ihren Schilden aus Lindenholz verbergen, teils, um der Kälte zu trotzen, teils, um nicht sehen zu müssen, was dort auf der nebelverhangenen Ebene auf sie zukommt. Ganz vorn steht der Ealdorman, dessen blank polierter Helm in der Morgensonne glänzt. Ringsum hat er seine wackersten Krieger versammelt, die allesamt mit schweren Kettenhemden gerüstet sind. Die übrigen Männer des Fyrd, meist einfache Bauern, tragen nicht mehr als ein wollenes Hemd oder einen Lederwams am Leib. Es stinkt nach Erbrochenem. Um sich Mut zu machen, hatten sie am Vorabend ein Gelage veranstaltet. Wyrd bið ful aræd, wimmert ein Bursche, der kaum das Mannesalter erreicht hat. Das Schicksal ist unausweichlich.

Dann vertreibt Hörnerschall die unheimliche Stille. Noch bevor die Feinde sichtbar werden, kündigt ein anschwellendes Grollen ihre Ankunft an. Allmählich heben sich ihre ehernen Speerspitzen vom Himmel ab. Dann ist auch das schwarze Rabenbanner auszumachen. Wie eine Lawine schiebt das Bollwerk aus überlappenden Schilden sich unerbittlich vorwärts. Bald kann man ihre grimmigen Gesichter erkennen, raubeinige Hünen mit verwegenen Bärten und langen Haaren. In jeglicher Hinsicht fremd. Die Dänen sind nur noch einen Steinwurf entfernt.

Plötzlich prallen die Schilde aufeinander. Wie eine Brandung durchfährt das hölzerne Gewitter Mark und Bein. Das tödliche Ringen beginnt. Ein einziges Schieben und Stechen. Blut in solchen Mengen, dass es den Boden aufweicht und die Hände rot färbt, wenn es über die langen Eschenschäfte der Speere rinnt. Erwachsene Männer, die wie Frauen im Kindbett schreien. Höllischer Lärm, als Eisen auf Eisen trifft. Jäh ein stechender Schmerz. Der Blick verschwimmt. Finsternis.

"Cry 'Havoc!' said he who fought chaos with chaos, and let slip the dogs of war"

Kommt euch bekannt vor? Dann habt ihr vermutlich schon Vikings geschaut oder The Saxon Stories von Bernard Cornwell gelesen. Letztere Romanreihe bildet die Vorlage zur Historienserie The Last Kingdom, die ebenfalls vom Konflikt zwischen den Angelsachsen und Wikingern im Frühmittelalter erzählt. An der Titelsequenz erkennen wir zudem, dass mit Game of Thrones offensichtlich eine weitere Serie Pate gestanden hat: Die Kamera streicht über eine Karte der britischen Inseln, die an den Rändern Feuer fängt. Doch nicht nur Fans von Blutbädern, mittelalterlichen Machtspielchen und Typen in Tierfellen sollten einen Blick über den Schildrand riskieren.

The Last Kingdom erzählt die Geschichte von Uhtred, Sohn eines angelsächsischen Adligen, der als Kind von den Dänen versklavt, doch durch die Gunst seines Herrn Teil ihrer Gemeinschaft wird. Als dieser von einem Rivalen ermordet wird, flieht der nun vogelfreie Uhtred an den Hof des Königs Alfred von Wessex, der sich von ihm über Gesellschaft und Kriegsführung der Wikinger unterrichten lässt, um einen Vorteil beim Kampf gegen die ausländischen Aggressoren zu haben. Doch Uhtred verfolgt einen eigenen Plan: Er will die Bebbanburg zurückerobern, rechtmäßiger Stammsitz seines Adelsgeschlechts. Die aber liegt im besetzten Northumbrien...

Zwei Seelen wohnen, ach! In seiner Brust: Uthred ist Sachse, aber fühlt sich als Däne.

Routiniert versteht es Alexander Dreymon, den inneren Zwiespalt von Uhtred zu verkörpern, der zwischen seiner Liebe zu den Dänen und den Verpflichtungen gegenüber seinem Lehnsherren Alfred hin- und hergerissen ist. Womöglich wirkt dies so mühelos, weil Dreymon selbst in Deutschland geboren wurde, aber in Frankreich, der Schweiz und den USA aufwuchs. Positiv ist auch, dass Uhtred zwar als ebenso kühner wie charismatischer Recke gezeichnet wird, den aber die anderen Figuren in geistiger Hinsicht durchaus in seine Schranken weisen. Er ist Krieger, kein Denker. Zwar lässt er deshalb stellenweise die Anziehungskraft von Ragnar aus Vikings vermissen, was ihn aber authentischer erscheinen lässt. Uhtreds Geschichte wirkt weniger wie das Abenteuer eines Helden, der seiner Zeit voraus ist, sondern wie die Chronik eines Menschen, der unter den widrigsten Umständen seinen Platz in der Welt zu behaupten versucht.

Thema und Zeitepoche von The Last Kingdom bedingen, dass ein gehöriger Testosteronüberschuss das Geschehen dominiert. Umso besser, dass dem forschen Uhtred mit Brida (gespielt von Emily Cox) ein ebenbürtiges weibliches Pendant an die Seite gestellt wird. Wie der Protagonist beginnt auch Brida als Sklavin, wird dann Uhtreds Geliebte und später dessen unverzichtbare Kampfgefährtin. In einer der eindringlichsten Szenen der Serie sind die beiden in einem Dorf einer Überzahl von Angreifern ausgesetzt. Wenn sie zunächst getrennt voneinander durch die schlammbesudelten Gassen rennen, dem Hinterhalt ausweichen, ihre Verfolger aufteilen, um ihnen schließlich gemeinsam den tödlichen Stoß zu verpassen, erinnert das durchaus an eine berühmte Szene aus der ersten Staffel von True Detective. Dieses Zusammenspiel ist es, das den genretypischen Machismo aufbricht, indem beide Figuren die jeweiligen Stärken des anderen nutzen.

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Besonders erwähnenswert ist auch die Darbietung von David Dawson als König Alfred. Der hat große Pläne und will alle angelsächsischen Königreiche unter seiner Herrschaft vereinen. Nur so kann den einfallenden Wikingern Einhalt geboten werden.

"Alles, was von England übrig ist, ist Wessex", sagt er zu Uhtred in Episode drei, als dieser bei ihm Schutz sucht. "Die Geburt von England, die Idee eines einzigen Königreichs namens England muss hier seinen Anfang nehmen. Sonst gibt es nichts mehr."

Damit liegt es vor allem an Dawson, ein anderes Leitmotiv der Serie einzuführen. Immer wieder pocht er darauf, dass nur die Fähigkeit zu lernen und sein Wissen an spätere Generationen weiterzugeben das Überleben seines Königreichs sicherstellt. Denn Alfred beherrscht etwas, was zu seiner Zeit die wenigsten vermochten: Er kann lesen und schreiben. Seine Gelehrsamkeit eröffnet eine andere Sichtweise auf die Welt und hilft ihm, die Ereignisse zueinander in Relation zu setzen, womit er sich von den stets auf die Gegenwart bedachten Dänen abhebt.

König Alfred und sein Gefolge

Als jemand, der die Romanvorlagen von Bernard Cornwell verschlungen hat, muss ich zuletzt noch diverse historische Ungereimtheiten ansprechen. Aus dramaturgischen Gründen entschied man sich etwa dazu, Angelsachsen und Wikingern einen sehr unterschiedlichen Look zu verpassen. Leider haben aber beide Designs wenig mit den archäologischen Befunden gemein. So führen die Serien-Sachsen rechteckige Schilde, die eher an römische Legionäre gemahnen, während ihre Helme in Kindergröße aussehen, als hätte man sie aus einem Spielwarenladen entwendet. Die Wikinger wirken mit ihrem Lederfetisch und den Hippiefrisuren wie eine Mischung aus Marvels Thor und He-Man.

Die Produktion der zweiten Staffel von The Last Kingdom wurde bereits bestätigt. Ausreichend Stoff liefert die mittlerweile neun Bände umfassende Vorlage von Bernard Cornwell allemal. Uhtred steht schließlich erst am Beginn seiner Reise.

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