Tatort - Ein Todesschütze mordet in Leipzig

02.12.2012 - 21:45 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Wotan Wilke Möhring (rechts) in Tatort - Todesschütze
MDR/ARD
Wotan Wilke Möhring (rechts) in Tatort - Todesschütze
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Direkt aus den Nachrichten scheint der neue Fall des Leipziger Tatort-Teams zu stammen. Obwohl auch in Tatort – Todesschütze die klassische Leipziger Oberflächlichkeit regiert, macht die Keppler-Lastigkeit den Krimi immerhin erträglich.

Für Leipziger Verhältnisse ist Tatort: Todesschütze ein durchaus gelungener Sonntagskrimi und einzig an den Vorgängerfällen aus der sächsischen Großstadt sollten wir diesen Tatort messen. Sonst würde einen die sich Sonntag für Sonntag wiederholende, notorisch schwache Krimiunterhaltung aus Leipzig richtiggehend deprimieren. Tatort – Todesschütze kratzt am brandheißen Thema Zivilcourage sowie am Evergreen der häuslichen Gewalt, ohne sich eingehend mit einem der beiden zu beschäftigen. Darüber hinweg tröstet die Keppler-Lastigkeit des Falls, die Martin Wuttke, sowieso die bessere Hälfte des Duos, die Bühne überlässt und auf der fühlt er sich bekanntlich pudelwohl.

Lokalkolorit: Viel reden die Polizisten in Tatort – Todesschütze von dem schlechten Viertel, in dem es fast schon zum Alltag gehört, dass ein Pärchen von Jugendlichen zusammengetreten wird. Zwar bekommen wir auch in diesem Ossi-Krimi die gewohnten Plattenbauwüsten als Fingerzeig sozialen Niedergangs zu sehen. Für ihre Bewohner kann der Krimi allerdings kaum Enthusiasmus aufbringen, so dass die einzige Platten-Familie, die uns tatsächlich vorgeführt wird, mit ihrem krakeelenden Assi-Gehabe in etwa so klischeefrei wie die Hauptarsteller aus Mitten im Leben und Konsorten wirkt. Dass die drei Jugendlichen im Zentrum der Story aus verschiedenen sozialen Schichten stammen, soll wohl andeuten, dass elterliche Vernachlässigung keinen Halt vor Gehaltsschecks macht. Ein Gefühl für die Stadt und ihre Milieus entwickelt dieser Tatort, anders als etwa der Polizeiruf aus Rostock, nie. Pluspunkte gibt es allerdings für den sächselnden Bratwurstverkäufer, ein einsamer Lichtblick in Sachen authentischer Dialekte im Hochdeutsch-verseuchten Leipziger Tatort.

Plot: Ein Pärchen wird von drei Jugendlichen auf offener Straße verprügelt. Die Frau stirbt später im Krankenhaus. Der Mann will erst Gerechtigkeit, dann Rache. Denn die Polizisten, die am Tatort zur Stelle waren, wissen offensichtlich mehr über die Täter, als sie zugeben. Philip Rahn (Wotan Wilke Möhring) vertuscht, dass sein Sohn beteiligt war und erpresst seinen Kollegen (Rainer Piwek), diese Tatsache bloß nicht nach außen dringen zu lassen. Als dieser erschossen wird, droht die Situation zu eskalieren. War es Rahn oder doch einer der drei Jungs (Jonas Nay, Antonio Wannek, Vincent Krüger)?

Unterhaltung: Wotan Wilke Moehring kann den Otto Normalverbraucher mit dem düsteren Geheimnis im Schlaf spielen (siehe Das letzte Schweigen). Insofern bildet der zukünftige Hamburger Tatort-Kommissar eine willkommene schauspielerische Bank, auf die der Zuschauer setzen kann. Obwohl die Wurzel der Gewalt, mit der Rahn seinen Sohn ‘erzieht’ außer Sicht bleibt, sorgt Moehrings intensive Leinwandpräsenz immerhin dafür, dass uns die Figur des Polizisten, der sich in einem Netz aus Lügen verstrickt, ansatzweise interessiert. Wie gesagt, beim Leipziger Tatort muss Grund für Lob auf niedrigstem Niveau gesucht werden und in diesem Fall ist Moehrings Vermögen, einem flachen Charakter Leben einzuhauchen, eines der Argumente, diesen Tatort nicht von vornherein in die Tonne zu treten.

Tiefgang: Jugendgewalt, Zivilcourage oder doch lieber das Vater-Sohn-Drama? So richtig mag sich Tatort – Todesschütze nicht entscheiden, wofür nun sein investigatives Herz schlägt. Im Grunde deutet schon der Titel des Krimis die Wankelmütigkeit dieses Leipziger Einsatzes an, warten wir doch eine ganze Weile, bis besagter Todesschütze überhaupt eine Rolle spielt. Auf diesen hätte der Krimi ohne weiteres verzichten können, lädt er doch nur den Plot mit lauter Unglaubwürdigkeiten auf (auf einmal haben alle ein Gewehr daheim). Warum die Rache des Opfers und/oder die Vertuschungsaktionen des Vaters den Autoren nicht für ihren Tatort genügten, wird für immer ihr Geheimnis bleiben. Einziger Pluspunkt dieses Handlungsstrangs bleibt das nur teilweise schwachsinnige Finale samt Geiselnahme, das uns zumindest Kepplers Fahrkünste beschert: “Als ich zum letzten Mal gefahren bin, sahen die Schlüssel noch etwas anders aus.” Manchmal muss sich der Zuschauer eben mit den kleinen Tatort-Freuden zufrieden geben.

Mord des Sonntags: Dezent wird weggeblendet, als der Kopfschuss den Entführer trifft.

Zitat des Sonntags: “Was soll das? Kriegen sie immer alle?”“Ja.”

Nicht ganz so schlimm wie sonst war der Krimi. Aber habt ihr dem Leipziger Tatort überhaupt eine Chance gegeben?

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