Stranger Things - Pilot-Check zur spielberg-esken Mystery-Serie

15.07.2016 - 21:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Welches Geheimnis lauert hinter der nächsten Ecke in Stranger Things?Netflix
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Ein Kind verschwindet und etwas Unheimliches treibt durch eine Kleinstadt im Herzen der USA. Mit Stranger Things bringt Netflix den Geist des fantastischen Kinos der 1980er Jahre zurück - und erzählt darüber so viel mehr!

Die Nostalgie scheint mittlerweile zum essentiellen wie obligatorischen Bestandteil des gegenwärtigen Kinos geworden zu sein. Aktuelle Blockbuster à la Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht, Jurassic World und Das Dschungelbuch werben intensiv mit dem Versprechen, die wohlbehütete Kindheitserinnerung sorgfältig zu neuem Leben zu erwecken. In Anbetracht des enormen Erfolgs erwähnter Filme ist es kein Wunder, dass wir nun die erste große Serie begrüßen dürfen, die sich vordergründig auf den erprobten Nostalgiefaktor verlässt. Stranger Things verneigt sich vor dem fantastischen Kino der 1980er Jahre und definiert sich bereits auf Postern sowie in Trailern als unmittelbare Steven Spielberg-Hommage. Doch hat das neue Format aus dem Hause Netflix auch mehr als saubere Arbeit in puncto Zielgruppenorientierung zu bieten?

Hawkins, Indiana: Es ist der 6. November 1983 und in der Kleinstadt im Herzen Amerikas gehen nach und nach die Lichter aus. Die Sonne ist längst untergegangen, der Tag neigt sich dem Ende. Für Dustin (Gaten Matarazzo), Lucas (Caleb McLaughlin) Mike (Finn Wolfhard) und Will (Noah Schnapp) hat das große Abenteuer jedoch erst angefangen, denn sie befinden sich inmitten einer aufregenden Dungeons & Dragons-Quest. Die Würfel rollen über das Feld und fallen vom Tisch hinunter, woraufhin nicht weniger als das Überleben eines Mitglieds der eingeschworenen Truppe auf dem Spiel steht, da ertönen von oben die bestimmenden Rufe, die dezent darauf hinweisen, dass es längst Zeit ist, ins Bett zu gehen. Panik und Abbruch: Die Eltern wollen ihre gnadenlose Entscheidung nicht revidieren. Wohl oder übel muss sich die Dungeons & Dragons-Runde auflösen - unwissend, wie es mit ihrem Schicksal in der Fantasiewelt weitergeht.

Gaten Matarazzo, Caleb McLaughlin und Mike in Stranger Things

Lediglich Will soll die Auflösung des ungeplanten Cliffhangers aus erster Nähe erfahren, als er sich mit seinem Fahrrad, dem Cadillac für Jungs seines Alters, auf den Heimweg begibt. Wie aus dem Nichts erscheint das Monster und zeigt sich gewillt, seinen Blutdurst auf unbarmherzige Art und Weise auszuleben. Aber Moment, ist das gerade wirklich passiert? So sehr Matt und Ross Duffer, die kreativen Köpfe hinter Stranger Things, das Mysterium lieben - an der Erscheinung des Übernatürlichen hegen sie keinen Zweifel. Binnen weniger Minuten ist klar: Wills Schicksal fungiert als verlängerter Arm des aufregenden Rollenspiels, das plötzlich mit der Realität kollidiert. Die Würfel sind gefallen und das Ungeheuer, das zuvor geheimen Kellerräumen entkommen ist, hat Blut geleckt. Ein Teaser, der in die Irre führt, ist gar nicht mehr von Nöten. Vielmehr entfesselt Stranger Things durch diese angenehme Offenheit unglaubliche Spannung im vertrauten Umfeld der 1980er Jahre.

Diese Offenheit ist es letzten Endes auch, die Stranger Things langfristig auszeichnet: War Super 8 seinerzeit bemüht, voller Ehrfurcht die ikonischen Momente aus E.T. - Der Außerirdische und Co. zu imitieren, so verfangen sich die Duffer-Brüder maximal oberflächlich in dieser nostalgischen Nummernrevue. Hat die Geschichte erst einmal Fuß gefasst, offenbart sich Stranger Things nicht bloß als behutsames Abbild einer Generation an Filmen, wie sie in dieser Eigenart heutzutage scheinbar nur noch in einem rückblickenden Modus vorstellbar sind. Nein, Stranger Things schließt nahtlos an den Geist jener Filme an, als hätten die knapp drei Dekaden danach niemals stattgefunden. Wo sich Super 8 darum bemühte, jenen Außerirdischen zurückzubringen, der einst nach einem schicksalhaften Telefonat die Erde verließ, tut Stranger Things einfach so, als hätte es das Telefonat (noch) nicht gegeben.

Als wäre die erste Episode von Stranger Things gestern auf VHS-Kassette anstelle der Plattform eines Streaminganbieters veröffentlicht werden, bewegen sich die Duffer-Brüder völlig selbstverständlich in einer Zeit, in der Ronald Reagan Präsident war und der Rubik-Würfel die Welt verändern konnte. Mit diesem Bewusstsein geht auch der erfreuliche Umstand einher, dass Stranger Things nicht den Fehler macht und zum verklärenden Porträt des Zeitgeistes verkommt. Wie schon die Filme von Steven Spielberg, John Carpenter und Wes Craven bedeutend mehr erzählten, als etwa die fest in Genres verankerten Handlungen ihrer Filme erwarten ließen, versehen die Duffer-Brüder ihre Erzählung ebenso mit zusätzlichen Untertönen. Schnell ist klar: Das Verschwinden des Jungen ist womöglich das kleinste Problem in Hawkins, einem mustergültigen Ort der amerikanischen Idylle.

Winona Ryder in Stranger Things

Stranger Things entfaltet das Gefühl von Paranoia und Unsicherheit. Das eingangs erwähnte Monster, das in Hawkins für Unheil sorgt, ist dabei gar nicht die Hauptattraktion. Stattdessen entblößt sich die Kleinstadt genauso wie Cuesta Verde in Poltergeist von Minute zu Minute mehr und fördert die abgründigen Facetten hinter der idyllischen Fassade zutage. Der Tonfall ist dahingehend sogar düsterer als erwartet und entfaltet sein ganzes Potential in den verschiedenen Figuren des Ensembles. Die Duffer-Brüder wissen genau, wer die Menschen sind, die eine Welt wie die von Stranger Things bevölkern. Da kann der Serienauftakt noch so vielen Archetypen - sei es die sich um ihren Sohn sorgende Mutter Joyce (Winona Ryder) oder der faule, trinkende, aber letztendlich trotzdem herzensgute Sheriff Jim Hopper (David Harbour) - einführen. Entscheidend ist die aufrichtige Wertschätzung, die sie erfahren.

Folglich ist es kein Zufall, dass die Geheimnisse, die sich im Lauf der ersten 60 Minuten anhäufen, gar nicht den Mittelpunkt des Geschehens bilden, sondern bevorzugt die Menschen im Angesicht des Abenteuers zusammen geschweißt werden. Wie auch immer die Antwort auf Wills Verschwinden ausfallen mag: Am Ende ist Hawkins mit Sicherheit nicht mehr der gleiche Ort, der er vorher einmal war. Was in der Schule passiert, wirkt sich auf das Wohnzimmer in den eigenen vier Wänden ebenso aus wie Entscheidungen, die in den Räumen des lokalen Polizeireviers oder den Untiefen eines abgeriegelten Hochsicherheitstrakt gefällt werden. Und womöglich fangen dann die eigenen vier Wände selbst an, zu kommunizieren - untermalt von Kyle Dixons und Michael Steins elektrisierendem Score. Ein Ausblick, der zuversichtlich den verbleibenden sieben Episoden von Stranger Things entgegenblicken lässt.

Poster zu Stranger Things

Alle acht Episode der 1. Staffel von Stranger Things sind seit dem 15.07.2016 auf Netflix abrufbar.

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