Star Wars: Episode 9 - Was ist nur bei Lucasfilm los?

06.09.2017 - 11:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Star Wars: Episode 8 - Die letzten JediWalt Disney
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Was ist nur bei Lucasfilm los? Nach dem Bäumchen-wechsle-dich-Spiel beim Han Solo-Spin-off wurde nun auch der Regisseur von Star Wars: Episode 9, Colin Trevorrow, entlassen.

Es könnte nicht besser laufen für Lucasfilm und das Star Wars-Universum. Episode 7 und Rogue One haben jeweils über eine Milliarde Dollar eingespielt, eine ganze junge Generation wurde für neues Merchandising sensibilisiert, mit der Celebration hat Disney gar seine eigene Comic-Con-Gegenveranstaltung etabliert. Star Wars ist der Franchise-Gigant schlechthin und hat die Verjüngungskur nach dem Ausscheiden von George Lucas offenbar gut überstanden. Trotzdem nehmen die Nachrichten über gravierende personelle Veränderungen nicht ab, eher im Gegenteil. Nachdem die beiden Regisseure des geplanten Han Solo-Spin-offs gefeuert wurden, musste nun auch Colin Trevorrow seinen Hut nehmen. Star Wars: Episode IX, Abschluss der neuen Trilogie, steht ohne Regisseur da.

Nun fragen sich viele, ob es sich hierbei um systemische Probleme im "Personalwesen" von Lucasfilm handelt. Die Personalpolitik wird seit Langem kritisiert, unter anderem, weil auf dem Regiestuhl eines Star Wars-Films bisher weder People of Color noch Frauen Platz genommen haben. Doch blicken wir erst auf die jüngere Geschichte des Star Wars-Karussells, das sich nicht immer in Pressemitteilungen über Entlassungen offenbart.

Rogue One war das erste Warnsignal

Walt Disney

Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht gilt als Erfolgsgeschichte sondergleichen, gelang es dem Blockbuster von J.J. Abrams doch, die neue und alte Besetzung in Einklang zu bringen und den Zuschauerhunger nach neuen Episoden zu wecken. Dabei kämpfte die Vorproduktion mit größeren Drehbuchproblemen. So wurde ursprünglich Michael Arndt (Toy Story 3) engagiert, um das Skript zu schreiben, er lieferte dem Vernehmen nach letztendlich nie einen kompletten Entwurf für den Blockbuster ab. Sechs Monate vor dem Drehstart übernahm Regisseur J.J. Abrams die Zügel und entwarf das Drehbuch zusammen mit Lawrence Kasdan komplett neu.

Ebenso wie Star Wars 7 offenbarte sich auch Rogue One: A Star Wars Story an den Kinokassen als weltweiter Hit. Doch schon bei dem Spin-off und zweiten Star Wars-Film nach dem Verkauf von Lucasfilm an Disney zeigten sich massive Turbulenzen in der Produktion. So wurde Godzilla-Regisseur Gareth Edwards auserkoren, um seinen zweiten Blockbuster in einem der größten Film-Franchises überhaupt umzusetzen. Bereits bei der Produktion des Kaiju-Films hatte Edwards Hilfe durch den erfahrenen Drehbuchautor, Skript-Doktor und Regisseur Tony Gilroy erhalten. Bei Rogue One fiel Gilroys Rolle bedeutend größer aus. Lucasfilm war unzufrieden mit der ersten Schnittfassung von Gareth Edwards. Also wurde Gilroy beauftragt, um das Ende des Films umzuschreiben. Er trug einem Bericht des Hollywood Reporters  zufolge große Verantwortung bei den fünfwöchigen Reshoots von Rogue One und setzte zusammen mit Colin Trevorrow die finale Schnittfassung um. Gerüchten zufolge soll Gilroy in der späten Phase der Produktion von Star Wars: Rogue One de facto der Regisseur des Films gewesen sein. Zu öffentlich ausgetragenen Verstimmungen von Seiten Gareth Edwards führte das allerdings nicht. Edwards behielt den alleinigen Regie-Credit und führte auch die Presse-Tour durch.

Von Boba Fett bis Han Solo

Die beiden alten Han Solo-Regisseure und ihr Cast

Rabiatere Schritte unternahm Lucasfilm im Vorfeld des geplanten Boba Fett-Spin-offs. Ursprünglich wurde Chronicle-Regisseur Josh Trank für den Regiestuhl eines Star Wars-Spin-offs auserkoren, das sich wahrscheinlich um den Kopfgeldjäger drehen sollte. Doch die Probleme bei der Produktion von Tranks Fantastic Four sowie dessen miserables Abschneiden an den Kinokassen führten letztlich dazu, dass Trank von Lucasfilm fallengelassen wurde. Erst tauchte er wegen einer "Krankheit" nicht zu einem Star Wars Celebration-Panel auf, dann gab er bekannt, dass er sich aus dem Star Wars-Universum verabschiedet. Ein Ersatz wurde nicht gefunden, vielmehr hat sich Lucasfilm danach einem Obi-Wan Kenobi-Film zugewandt.

Die bisher größten Unstimmigkeiten bei der Produktion eines Star Wars-Films gab es beim Han Solo-Spin-off. Phil Lord und Chris Miller wurden nach ihrem positiv rezipierten 21 Jump Street-Reboot und The Lego Movie für die Prequel-Geschichte mit Alden Ehrenreich engagiert, die den jungen Jahren des berühmten Schmugglers nachgeht. Dann der Schock: Im Juni, als die Dreharbeiten bereits seit Monaten liefen, verließen Lord und Miller das Projekt bzw. wurden wegen kreativer Differenzen gefeuert - je nachdem, wessen Perspektive man einnimmt. Bei einem Projekt dieser Größe hat solch ein Schritt eine enorme Tragweite, weswegen Reshoots und Skript-Doktoren wie bei Rogue One eigentlich die gängigere Methode sind.

Die Variety  berichtete damals, es hätte monatelang Probleme zwischen dem für seinen Meta-Comedy-Stil bekannten Regie-Duo und Lucasfilm-Chefin Kathleen Kennedy sowie Mitgliedern ihres Teams gegeben. Ebenso sei es zu Konflikten zwischen Lord und Miller sowie dem Ko-Autor und Produzent Lawrence Kasdan gekommen, der einst das Drehbuch für Das Imperium schlägt zurück angefertigt hatte. Die künstlerische Freiheit, die Miller und Lord bei anderen Projekten gewohnt waren, habe bei der stark kontrollierten Lucasfilm-Produktion gefehlt. Als Ersatz in letzter Sekunde wurde der Veteran Ron Howard engagiert, der derzeit die Dreharbeiten überblickt.

Star Wars: Episode 9 und Colin Trevorrow

Colin Trevorrow am Set von Jurassic World

Im Falle von Star Wars 9 hatten sich die Probleme lange angekündigt. Es begann beim überraschenden Tod von Leia-Darstellerin Carrie Fisher Ende letzten Jahres. Schon damals zweifelten manche, ob Colin Trevorrow, dessen zweiter Spielfilm Jurassic World wegen des Umgangs mit seinen weiblichen Figuren und einer zynischen Note kritisiert wurde, dazu in der Lage sein würde, das Drehbuch pietätvoll zu überarbeiten. Für jeden Regisseur und Autor wäre der Verlust einer der Hauptfiguren ein kaum zu bewältigendes Problem gewesen, doch Trevorrow hatte vor seinem Star Wars-Engagement nur bei zwei Filmen Regie geführt. Was immer man von diesen halten wollte, seine Erfahrung - etwa im Vergleich zu J.J. Abrams und Rian Johnson - gab wenig Anlass zu Optimismus.

Als Colin Trevorrows dritte Regiearbeit The Book of Henry im Juni in den US-Kinos startete, verdichtete sich die Kritik an der Person Trevorrow. Mit 22 Prozent bei Rotten Tomatoes fiel der Film durch, einmal mehr wurde der Umgang mit den Frauenfiguren kritisiert. Trevorrow wurde zum Sinnbild des weißen männlichen Regisseurs, der sich "nach oben scheitert", während Frauen oder People of Color kaum je die Chance erhalten, einen Blockbuster dieser Größe zu inszenieren.

Anfang August berichtete der Hollywood Reporter  dann, dass Harry Potter and the Cursed Child-Autor Jack Thorne das Drehbuch von Trevorrow und seinem Schreibpartner Derek Connolly überarbeiten würde. Bereits hier zeigte sich das schwindende Vertrauen in Colin Trevorrow von Seiten Lucasfilms, was sich mit der Trennung nun bestätigte.

Es gibt keinen Grund für dieses Bild an dieser Stelle, außer: PORG

Systemische Probleme bei Lucasfilm

Anders als Phil Lord und Chris Miller hatte sich Colin Trevorrow in den letzten Monaten auch in der Öffentlichkeit zur Zielscheibe der Kritik entwickelt. Doch ungeachtet der systemischen Diversity-Probleme Hollywoods zeigt sich in den jüngsten Ereignissen erst einmal ein systemisches Problem bei Lucasfilms Personalpolitik. Kathleen Kennedy und Kollegen legten den Start der neuen Trilogie in die vergleichsweise sicheren Hände von J.J. Abrams, der bereits mehrere Franchises erneuert hatte. Darüber hinaus wählte Lucasfilm vor allem junge Regisseure, die ihre eigenen Drehbücher schreiben, teils mit einer deutlichen eigenen Handschrift, und nur wenige Filme vorweisen können. Die Ausnahme bildete Rian Johnson. Tatsächlich folgt Johnsons Karriere einem fast klassischen Pfad. So begann der Autor-Regisseur mit einem kleinen Indie-Film und arbeitete sich mit Looper in den mittleren Budget-Bereich vor. Dazwischen zeigte er als Regisseur bei Breaking Bad, dass er sich in eine fremde kreative Vision einarbeiten kann, ohne an inszenatorischer Ausdruckskraft zu verlieren. Entsprechend ruhig ist es um die Produktion von Star Wars: Episode VIII - Die letzten Jedi geblieben.

Demgegenüber wurden Josh Trank, Gareth Edwards und Colin Trevorrow jeweils nach ihrem ersten kleineren Film mit einem Blockbuster-Auftrag versehen. Im Fall Trank zeigten sich die Warnsignale früher. Bei Edwards und Rogue One hatte sich mit Tony Gilroy bereits eine kreatives Notstromaggregat eingeschaltet. Colin Trevorrow allerdings oblag es, die neue Trilogie zu einem glorreichen Ende zu führen, und das trotz des Todes einer der wichtigsten Darstellerinnen des Franchises. Er scheiterte vor Drehstart. Nun fällt es schwer, Lucasfilm dafür zu kritisieren, aufstrebende Regisseure wie Phil Lord un Chris Miller engagiert zu haben, die der Sequelitis ihrer Industrie erstaunlich originelle Filme abringen konnten. Ebenso sollte Lucasfilm sich keinesfalls Marvel Studios zum Vorbild nehmen, die Produktionsschwierigkeiten dieser Art bei ihren Milliarden-Dollar-Team-Events teils dadurch entgehen, indem sie Fernsehregisseure engagieren.

Kreative Differenzen wie jene zwischen Lucasfilm und den Han Solo-Regisseuren sind bei einer Blockbuster-Maschinerie, die in diesem Tempo Filme produziert, zwangsläufig, erst recht, wenn die Studios dazu übergehen, ihre Kalender für die kommenden zehn Jahre festzulegen. Sie werden idealerweise in einem früheren Stadium ausgeräumt. Kritik an der strengen Oberhand Kathleen Kennedys ist sicher angebracht. In erster Linie äußert sich bei den Problemen um Star Wars jedoch eine gewisse Tendenz im amerikanischen Blockbuster-Kino. Durch den Niedergang des Mid-Budget-Films, von Dramen, Actionfilmen und Thrillern im mittleren Bereich, ist eine entscheidende Stufe auf dem Weg zur 100-Millionen-Dollar-Verantwortung so gut wie weggebrochen. Das befördern die Studios einerseits, in dem sie Regisseuren wie Jon Watts (Spider-Man: Homecoming) oder Colin Trevorrow nach ihrem Debüt ihre Tentpoles überlassen. Andererseits, indem sie kleineren Projekten ohne Franchise-Bindung gar nicht erst grünes Licht geben. Es ist eine Entwicklung, die das Hollywood-Kino des neuen Jahrtausends prägt. Im schlimmsten Falle wird sich daran wenig ändern, so lange die Franchises trotz aller Reshoots und Regie-Wechsel ihr Geld einspielen.

Was sagt ihr zum Personalkarussell bei Lucasfilm?

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