Roman Polanski und die Graustufen im Hintergrund

23.02.2019 - 09:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
In France, he's desired - in America, he's wanted...
HBO/BBC/moviepilot
In France, he's desired - in America, he's wanted...
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Der Fall Roman Polanski erhitzt seit Jahrzehnten die Gemüter. Die einen verteufeln ihn, die anderen verehren ihn. Ohne seine Schuld in Frage zu stellen, lohnt sich ein Blick hinter den Skandal, denn nicht nur seine Tat, auch die Folgen verstören.

Es liegt in der menschlichen Natur, Kategorien zu bestimmen, Schubladen zu finden, Dinge in gut oder schlecht einordnen zu wollen, in schwarz oder weiß. Das erleichtert das Erkennen, das Verarbeiten, das Zurechtfinden. Sind Dinge schwarz oder weiß, wirkt die Welt gleich viel kontrastreicher. Jedoch heißt dies auch, dass sehr viele Details verloren gehen, denn die Welt ist eben nicht nur schwarz und weiß - sie ist hauptsächlich grau, in unendlich vielen Abstufungen.

Deswegen fällt es uns mitunter nicht (oder zu) leicht, eine Seite zu beziehen, wie zum Beispiel im Fall Roman Polanskis, dessen Schuld unbestritten, dessen Fall jedoch, wie Roman Polanski: Wanted and Desired und unser Kommentar der Woche von mikkean zeigen, weitaus komplizierter ist, als nur gut oder böse, schwarz oder weiß.

Der Kommentar der Woche von mikkean zu Roman Polanski: Wanted and desired

Roman Polanski: gefeierter Erfolgs-Regisseur, Genie der Erzähl-Kunst. Und verurteilter Sexual-Straftäter wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen.
Gern genutzte Dämonen-Fratze des ewigen Wüstlings, hässliches Aushängeschild der Ewig-Flüchtigen. Das berühmteste aller feigen Schweine, das sich der Straf-Verfolgung durch Staats-Flucht entzogen hat.

Roman Polanksi: Wanted And Desired, ein Greenwashing-Porträt? Der schändliche Versuch der Revision? Mitnichten.

Über Roman Polanski ist derart viel geschrieben worden, dass einem schwer fällt, einen klaren, unbeschmutzten Blick auf das schändlichste Kapitel seiner Vita zu werfen. Jener Prozess, jene Anschuldigung und ihr Ausgang, der seither immer als Schatten über Polanskis Schaffen liegt. Und während ich irgendwie belustigt auf die Banner-Werbung für Der Gott des Gemetzels blicke, kommt mir in den Sinn, wie zwiespältig dieser Mensch doch ist. Und wie viel davon eigentlich auf die Projektion von außen zurückzuführen ist.

Roman Polanski hat ein Verbrechen begangen. Fakt. Er hatte Sex mit einer Minderjährigen, das ist gegen das Gesetz. Punkt. Daran ist nicht zu rütteln, und ich kann Herrn Polanski hier nicht reinwaschen. Er hat es getan und genau hier setzt diese außerordentlich penible Doku an. Roman Polanksi: Wanted And Desired überrascht mich vor allem deshalb, weil er meine nachgeborene Sicht auf den Wirbel von damals zurechtrückt. Immer wieder wurde mir eingeredet, Polanski sei ein reicher Drecksack. Ein schmieriger Künstler, der sich mit Geld aus der Affäre ziehen wollte und letztlich vor der Rechtsprechung durch Ausreise drückte. Immer wieder profiliert sich ein/e amerikanische/r Staats-Diener/in durch Droh-Gebärden gegen diesen Fatzke, der bloß einen Fuß auf US-Boden setzen soll! Und wer kennt nicht dieses medienwirksame Festsetzen Polanskis samt Hausarrest, mit dem dieser Fall vor nicht allzu langer Zeit ins öffentliche Bewusstsein zurückgezerrt wurde.

Was Roman Polanksi: Wanted And Desired allerdings mehr als deutlich nachzeichnet, ist der fast vergessene / totgeschwiegene Umstand, dass Roman Polanski für sein Vergehen eigentlich rechtskräftig verurteilt wurde. Und dass er bereits das damals angesetzte Strafmaß absaß. Dass er das ebenfalls interviewte Opfer nicht wie in einer schmierig-brutalen Rape-Sequenz überwältigte und entjungferte. NOCHMALS: ICH WILL NICHTS VERKLÄREN UND VERTEIDIGEN, KLEINREDEN ODER SONSTIGES. Es war Alkohol und Seduktion im Spiel. Aber in meinen Augen reicht es dennoch nicht ganz zum Polanksi-Sinnbild des hässlichen Vergewaltigers. So sei noch erwähnt, dass das Opfer zum Zeitpunkt des Geschehens bereits sexuell und drogentechnisch erfahren war.

Und überhaupt, Roman Polanksi: Wanted And Desired zeichnet ziemlich verblüffend und irgendwie erschreckend den Verlauf dieses großen Prozesses nach. Wer hätte gedacht, dass der Richter ein egozentrischer Arsch war, der sich mit Medien- und Starrummel rühmte. Für ihn waren Schuldspruch und Verurteilung eher eine Frage des Prestige. Denn im Verlauf des Films wird klar, dass sich Anklage und Verteidigung schon einig waren. Dass ein vernünftiges Maß fürs Opfer und den Schuldigen Polanski gefunden wurde/werden sollte. Und wie dann dieser Mann in der Robe seine Amtsgewalt unverständlich nutzte, um den Regisseur medienwirksam klein zu machen. ICH SAGE NOCHMALS: Für das Getane habe ich kein rechtes Verständnis. Doch: Ich kann wiederum verstehen, warum Roman Polanski letzten Endes aus den Vereinigten Staaten floh.

Und ich bin mir sicher, dass Roman Polanksi: Wanted And Desired durch die teilweise minutiöse Aufarbeitung der Geschehnisse, des Prozesses und den Interviews mit Beteiligten und Amtsnachfolgern ein abgerundetes, aber auch beängstigendes Bild der amerikanischen Rechtsprechung bietet - und nebenbei auch einen guten Überblick über das Leben und Schaffen Roman Polanskis.
Diese starke Doku beschönigt nichts, verurteilt niemanden oder erteilt Absolution. Aber sie nimmt sich Zeit, einen eigentlich zur unverschämten Schmutzwäsche und Verfolgung verkommenden Prozess ins rechte objektive Licht zu rücken.

Den Originalkommentar findet ihr hier.

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