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Robots, Guns & der schönste Nicht-One-Shot

14.10.2014 - 12:00 Uhr
Kunstauststellung Zack "Effektorgasmus" Snyder
Warner Bros. / Philipp Weinbrecht
Kunstauststellung Zack "Effektorgasmus" Snyder
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Zack Snyder spaltet die Massen. Egal was er tut: Kritiker, Fans und Hater sind sich einig, dass sie sich nicht einig werden. Eines kann man "Znyder" aber nicht absprechen: wenn es um künstliche Welten geht, macht ihm so schnell niemand was vor.

Fairness-Vorwort oder: Ich gebe dir aus Prinzip keine Stimme, weil der Film kacke ist!

"Oh Gott, es gibt so talentierte, Regisseure, die so intensive, grandiose und bewegende Szenen kreieren, wieso nimmt er diesen Scheißfilm von dem Nichtskönner?" - Random User

Die Aktion Lieblingsszene ist die bisher schwierigste Aktion, die Moviepilot gestartet hat. Denn im Gegensatz zum Lieblingsfilm (der als Gesamtwerk überzeugen muss) oder Lieblingsserie (man schaut ja keine Serien über längere Zeit, die schlecht sind), kann es vorkommen, dass man Lieblingsszenen auch in Filmen findet, die vielleicht nicht so gut sind. Szenen können kurze Geistesblitze sein, Werke, die losgelöst vom gesamt eingebetteten Konstrukt ein anderes Bild ergeben. Bisher hat Moviepilot von uns gefordert, ein gesamtes Auto oder ein Boot zu beurteilen; jetzt soll man das Lieblingsteil dieses Gesamten herausfinden. Ja, ein Mazda RX-5 ist meiner Meinung nach ein furchtbar zur fahrender Sportwagen - aber die Sitze sind großartig. Ich hasse SUVs, aber das Getriebe eines Range Rovers ist einfach fantastisch. Ich mag keine Sony-TVs, aber ihr Gehäuse ist edel.

Genau so verhält es sich mit der Lieblingsszene. Ich bitte euch inständig, auch und den anderen fantastischen Beiträgen gegenüber fair zu sein und die Texte nach dem Inhalt zu bewerten und nicht anhand des Films. Wir wollen die fantastischen Szenen herausfinden, nicht über Regisseure und Filme streiten. Ich wünsche daher allen Teilnehmern viel Erfolg und vor allem sehr, sehr viel Spaß!

Snyder in a nutshell


Die Kunst, Ölgemälden das Laufen beizubringen

Wer erwartet hat, ich würde eine Szene aus meinen Lieblingsfilmen (Stay, Shaun of the Dead, ...) wählen, dürfte schon beim Titelbild enttäuscht worden sein. Natürlich haben all diese Filme großartige Segmente, aber ich möchte diesen Raum Zack Snyder widmen, der in fast jedem seiner Filme fantastische Szenen und Szenenbilder abliefert. Jemand meinte vor allem bei Die Legende der Wächter, dass jede Szene für sich aus einem Ölgemälde entsprungen sein könnte und das ist es auch, was Snyder für mich so faszinierend macht. Natürlich sind diese Welten nicht echt; natürlich sind das nur Bits und Bytes, doch im Gegensatz zu einem Michael Bay oder einem Paul W.S. Anderson versteht Snyder es, nicht nur sinnlose, verwackelte CGI-Bilder abzuliefern, sondern diese überwiegend klar strukturiert zu filmen und sie nur durch Slow-Mo und Time-Lapse-Montagen zu veredeln. Das ist nicht minder künstlich wie bei den Genre-Kollegen, aber visuell viel reiner, klarer und vom Handwerk meisterhafter. Snyder ist für mich das Apple der Spezialeffekte. Er macht nichts, was andere nicht schon taten, nur macht er es mit einer Hingabe und einer Leidenschaft, mit einer Perfektion und Präzision, dass auch neben dem Geschehen so viele Details und Ideen zu finden sind, dass es das Gesamtbild insgesamt hochwertiger erscheinen lässt. 

Diese Kunst, aus Slow-Mo-Sequenzen und Time-Lapses, geschickten Kameraeinstellungen, Zooms und Soundtrackabstimmungen, ein gesamtes (Bewegt)Bild entstehen zu lassen, findet sich eindrucksvoll in Sucker Punch wieder. Genauer gesagt geht es um die Szene im Zug, die nicht nur im Making-Of schon beeindruckend wirkt - weil sie tatsächlich eine sehr kurze Filmzeit in Anspruch genommen hat und aus nur wenigen Takes besteht; anders als es die finale Szene denken lässt - sondern auch in knapp etwas um die drei Minuten eine meiner absoluten Lieblingsszenen erschaffen hat, die ich bisher auf der großen Leinwand verfolgen durfte.

Eine Szene wie aus der Galerie

Plump gesagt handelt meine Szene davon, dass unsere Heldinnen einen Zug entern, der eine Bombe parat hält. Diese Bombe wird von Robotern bewacht; also stürmen die Damen mit Kanonen rein und zerballern alles. Das ist in weniger als 10 Sekunden erklärt, doch Snyder feuert in dieser Szene ein Effektgewitter ab, dass man nur noch die Augen aufreißen kann:

Ballernd stürmen die Heldinnen das Abteil, während die Kamera spielerisch den Kugeln und Feinden folgt. Während erste Roboter in Zeitlupe damit beginnen zurückzuballern, legt Snyder seinen Augenmerk kurz auf die Patronenhülsen, die mit geschickten Soundeffekten unterlegt aufzeigen, dass Raum und Zeit in diesem Abteil Variablen sind, mit denen es zu spielen gilt. Die Kamera springt von der Pistolenhülse zur Schrotflintenhülse der mittleren Schützin. Was die Schrotkugeln anrichten, ist unwichtig, denn die Kamera fokussiert sich sofort auf das dahinterstehende Sturmgewehr, nimmt wortwörtlich das Ziel-Visier in den Fokus und folgt der nächsten Kugel, die spektakulär den glasähnlichen Roboterkopf in Einzelteile zerlegt. In der Zwischenzeit hat die Schützin die Distanz zum Feind überwunden und schlägt noch einmal physisch mit dem Kolben nach. Auch hier zeigt sich wieder: Raum, Zeit und Distanzen sind nicht existent, allein Snyder bestimmt darüber, was hier geschieht.

Gemäß dem Motto: "Versuche nicht, den Löffel zu verbiegen" springt und dreht sich die Heldin danach durch die Luft - oder dreht sich die Luft um die Heldin? Sie existiert nur in der Fantasiewelt und diese befolgt einzig und allein ihre Regeln, weshalb es nicht verwunderlich erscheint, dass nach einer Drehung ihrerseits plötzlich der Raum beginnt, sich um sie zu drehen, bevor sie wieder landet. Danach darf Emily Browning in einer choreographischen Meisterleistung zu Schwert und Pistole greifen, um sich weiterer Roboter zu entledigen, Die sich stets bewegende Kamera aus unterschiedlichen Perspektiven wirkt dabei wie aus einem einzigen Guss und spiegelt hervorragend das voyeuristische, allsehende Auge wider, das alles sehen will und doch vom Rest gar nichts mitbekommt - wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal einen Fuß in einen Toys'R'Us setzt und vor lauter "SPIELZEUG! BUNT!!!" gar nicht weiß, wo es zuerst hinschauen soll. Bevor man sich zu sehr in dem Fluss aus  Effekten und Kamerabewegungen verliert, unterbricht ein Widersacher mit stahlharter Faust das Geschehen und weißt Emily in ihre Grenzen, nur um danach wiederum von der Schrotflinte und "Rocket" an seine eigenen Grenzen erinnert zu werden.

Auch hier fällt wieder der Augenmerk auf das Detail der Patronenhülse, die erneut mit Soundeffekten unterlegt einen Slow-Motion-Einschub ankündigt und den Zuschauer daran erinnert: "Das ist meine Welt, das sind meine Regeln." Da der Antagonist sich diesen Regeln vehement mit seinen Fäusten widersetzt, wird er gezielt aus dem Abteil (und der Grenze der aktuellen Welt) geschleudert, nur um draußen mit einer geschickten Kameradrehung von einem Stahlträger daran erinnert zu werden: "Du existiert nur dort, wo du zu existieren hast. Der Einzige, der das Abteil verlassen darf, ist der Zuschauer; das Allsehende-Auge; das kleine Kind im Spielzeugladen". Deshalb schwenkt die Kamera auch sofort danach wieder nahtlos in das Abteil, wo Zuschauer und Kamera vor den Protagonistinnen herlaufen und fast belanglos und gelangweilt mitbekommen, wie weitere Roboter zerstört werden. Erst, als eine weitere Faust eine unserer Heldinnen wortwörtlich in's Gesicht springt, wird die Kamera wieder unruhig, fängt an sich zu drehen und spielt erneut mit Raum und Zeit, um den Aufstand gegen die festgelegten Regeln zu verfolgen und den Untergang selbiger zu untermauern. Wild springt die Kamera umher; so viel zu sehen, so viel zu schauen, so viele Details, die sie nicht erfassen kann. Erst mit einem gekonnten Schlag und dem Befördern des letzten Antagonisten aus dem Abteil und dem festgelegten Abschnitt endet die Szene mit einem ruhigen Verbleib auf dem geschlagenen Feind. Die Heldinnen kommen zur Ruhe, der Zuschauer lässt das Auge entspannen, das Kind erfährt, was nach den Öffnungszeiten im Spielzeugladen passiert.

All das - diese knapp 3 Minuten - ist gefilmt, als wäre es eine einzige Sequenz und Kamerfahrt. Man erkennt keine groben oder harten Schnitte, es gibt keine Sprünge: die Kamera hört nie auf, dabei zu sein. Die Zeit existiert als Variable und dient dazu, noch mehr auf engem Raum zu erfassen. Als würden alle Spielzeuge im Laden um das Auge des Kindes fliegen und zwar in der Geschwindigkeit, wie es das Kind erfassen möchte. Es ist die Realwerdung einer Fantasie, das Bedürfnis, alles zu erfassen und dabei nichts zu verpassen, aber dennoch nur das Wichtigste zu sehen. All die Details, die Künstler in ihre Bilder stecken, all die Informationen die man aus den kleinsten Elementen herauslesen kann - all das wurde hier in bewegtes Bild gepackt. Egal ob in den Spiegelungen der Roboter, die auch Zeigen, was "hinter" der Kamera (bzw. hinter dem Auge) stattfindet oder den Funken, die an den Objekten abprallen und gezielt weitere Details erleuchten: nichts ist zufällig. Das Abteil ist ein Bild, ein Gemälde. Ein 360-Grad-Kunstwerk, das eine kurze Handlungssequenz auf das Maximum ihrer Detailfülle erweitert, um jedes Element, jede Bewegung ohne Grenzen oder Zeitlimits darzustellen.

Zack Snyder hat ein Ölgemälde gemalt. Ein Kunstwerk, das man sehen, bewundern und zurückspulen kann. Ein Werk, gespickt mit zig Details, Nuancen und liebevollen Feinheiten. Das ist es, warum diese Sequenz aus Sucker Punch zu einer meiner liebsten Sequenzen der letzten Jahre wurde.

(Wer übrigens mehr über diese Roboter erfahren möchte und wissen mag, wieso sie tatsächlich so etwas wie eine Seele haben, der sollte unbedingt den Kurzclip "Distant Planet ", der die Vorgeschichte erklärt, anschauen. Absolut sehenswert!)


Hier präsentieren wir euch die Preise, die ihr gewinnen könnt und möchten uns damit auch bei all unseren Sponsoren und Medienpartnern bedanken, die sie gestiftet haben: 


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