Regisseur als Star - Was Refn & Malick gemeinsam haben

26.07.2013 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Ryan Gosling in Only God Forgives
Tiberius Film
Ryan Gosling in Only God Forgives
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‘Ran an die Tastatur!’ heißt es in unserer Aktion Lieblingsstar. Nachdem letzte Woche beleuchtet wurde, wie Filmstars entstanden sind, soll heute die Vielfältigkeit des Star-Begriffs im Mittelpunkt stehen.

Vor einer Weile habe ich Only God Forgives gesehen und gelitten. Bevor jetzt alle Fans des Films abspringen, seid versichert: Ich komme gleich zum Thema. Also: Only God Forgives war ein quälendes Filmerlebnis, das mich regelrecht wütend gemacht hat. Anstatt in den Park zu gehen, zur Beruhigung einen Baum zu umarmen oder meinen Fäusten beim Öffnen und Schließen zu zusehen, galt es, der Welt meine Meinung mitzuteilen. Die Crux: Nicolas Winding Refn ist an allem Schuld. Aber warum eigentlich Refn? Warum nicht Oberbeleuchter Chatri ‘Sprite’ Kriangkraisorn, Editor Matthew Newman oder Produzentin Lene Børglum? Ihre Arbeit trug wesentlich zur Entstehung und zum Endprodukt bei, doch Scheitern oder Triumph von Only God Forgives wird an seinem Regisseur festgemacht. Die Antwort scheint einfach: Er schrieb auch das Drehbuch. Doch eines verkompliziert die Abfertigung: Nicolas Winding Refn ist ein Star und diese Tatsache hängt als spürbarer Ballast an den weniger sichtbaren Fransen dieser Diskussion.

Wie letzte Woche beschrieben, nehmen Stars in den Stadien von Entstehung, Vermarktung und Rezeption eines Films verschiedenste Funktionen ein. Der Begriff des Filmstars wird naheliegenderweise meist im Zusammenhang mit Schauspielern genannt. Doch auch Nicolas Winding Refn ist für eine bestimmte Zielgruppe ein Star, wenn auch kein so großer wie etwa Steven Spielberg. Obwohl beispielsweise sein Landsmann Niels Arden Oplev mit Verblendung deutlich mehr Geld eingespielt hat als Drive und mit Noomi Rapace ein prominentes verbindendes Element seiner Filme vorweisen kann, wird der Ottonormalgenrefan mit Oplevs Namen, geschweige denn seinen Stilmitteln kaum etwas anfangen können. Nicolas Winding Refn dagegen polarisiert. Aber wie steigt ein gesichtsloser Name im Vor- und Abspann zum Star auf?

Dass wir heute überhaupt von Regisseuren im Filmgeschäft reden, ist, ebenso wie der Aufstieg der Schauspieler, auf die Entwicklung des erzählenden Films zurückzuführen. Anfänglich, als Laufbilder vor allem dokumentarischer Natur waren, leiteten Kameramänner den Dreh. Regisseure kamen später ins Spiel, um die zunehmend komplexer werdende Arbeitsteilung am Set zu dirigieren. Obwohl es in der Stummfilmzeit einflussreiche Regisseure wie D.W. Griffith und Charlie Chaplin gab, blieben die schillerndsten Figuren abseits der Schauspieler im Goldenen Zeitalter Hollywoods andere: die Produzenten. In dieser Zeit wurde ein bestimmter Stil eher mit Studios als ihren Regisseuren assoziiert, denn letzteren wurde nicht etwa die Rolle des künstlerischen Genies zugedacht, das einem Werk den eigenen Stempel aufdrückt, sondern vor allem die des verlässlichen Akkordarbeiters. Nachhaltig veränderte sich die Wertschätzung des Regisseurs erst durch zwei zeitnahe Entwicklungen: die Popularität der Auteur-Theorie und den Niedergang des Studiosystems.

1954 veröffentlichte François Truffaut seinen Artikel “Eine gewisse Tendenz im französischen Film” in der Zeitschrift Cahiers du Cinema und forderte die zeitgenössischen Regisseure darin auf, ihre Filme selbst zu schreiben und ihnen eine individuelle Handschrift zu verleihen, anstatt als Rädchen im Getriebe der Arbeitsteilung unterzugehen. Die Kritiker der Cahiers du Cinema nahmen später vielfach selbst auf dem Regiestuhl platz. Ihre damalige Würdigung von marginalisierten Filmemachern wie Alfred Hitchcock und John Ford als Künstler prägt den Diskurs über Regisseure innerhalb der Unterhaltungsindustrie Hollywood bis heute, was auch der anschließenden Verbreitung der Auteurtheorie im englischsprachigen Bereich durch Andrew Sarris zu verdanken ist. Ihren größten Einfluss übten die Cahiers-Kritiker durch die Umsetzung ihres Ideals in die Praxis aus. In der Krise des Studiosystems in den 60er Jahren und dem kurzen, aber weitreichenden Flackern der kreativen Freiheit des New Hollywood war der Geist der Nouvelle Vague und anderer europäischer Autorenfilmer auf der anderen Seite des Atlantiks zu spüren. In einem überkommenen System, dessen bröckelndes Verwertungsmodell nicht mehr die gewünschten Gewinne erzielte, boten sich zu dieser Zeit Einfallstellen, die dem Kult des Regisseurs fruchtbaren Boden lieferten.

Das New Hollywood wurde nach zehn Jahren zwar der Verehrung des Blockbusters geopfert, die Prominenz der Regisseure blieb erhalten. Aber wie erklärt dieser kleine Geschichtsexkurs nun das Star-Dasein von Nicolas Winding Refn? Wenn die Auteurtheorie ungeachtet ihrer Schwammigkeit eines bewies, dann den allgemeinen Wunsch nach der Vorstellung eines künsterlischen Genius, das für die Kreation eines Films verantwortlich ist. Was den Film etwa von der Malerei unterscheidet, sind neben simplen ästhetischen Eigenheiten Herstellung und Vertrieb. Filme werden massenhaft reproduziert, weshalb ihnen die unantastbare Aura eines “echten” Da Vincis abgeht. Vor allem aber entstehen sie meist unter Einfluss von vielen verschiedenen Kreativen, weswegen sich im Nachhinein für Laien nur noch schwer nachvollziehen lässt, wer denn nun genau für positive wie negative Aspekte die Verantwortung trägt. Auf der langen Reise der Rechtfertigung des vergleichsweise jungen Mediums Film als Kunstform bot der Kult der Auteurs demnach einiges an Wegzehrung.

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