Preacher - Unser erster Eindruck der Comic-Adaption im Pilot-Check

24.05.2016 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Cassidy (Joe Gilgun), Jesse (Dominic Cooper) und Tulip (Ruth Negga) in PreacherAMC
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Nach einer gefühlten Ewigkeit des Wartens feierte am Sonntag endlich die erste Episode von Preacher ihre Premiere auf AMC. Doch wie ist der Einstand der lang ersehnten Comic-Adaption mit Dominic Cooper in der titelgebenden Hauptrolle ausgefallen?

Zwischen 1995 und 2000 veröffentlichte der DC-Imprint Vertigo die Preacher-Comics aus der Feder von Garth Ennis (Autor) und Steve Dillon (Zeichner), die zweifelsohne bleibenden Eindruck im populturellen Gedächtnis der jüngeren Zeitgeschichte hinterlassen haben. Dementsprechend war es nur wenig verwunderlich, als schon im Jahr 1998 erste Pläne geschmiedet wurden, um die Geschichte rund um einen verruchten Priester, seine toughe Ex-Freundin und einen irischen Vampir in Form bewegter Bilder zum Leben zu erwecken. Erste Adaptionsversuche, damals noch für die große Leinwand konzipiert, scheiterten jedoch und es sollten ganze 15 Jahre ins Land ziehen, bis AMC im November 2013 verlauten ließ, dass die Umsetzung des Pulp-Epos nun in serieller Form stattfindet. Anno 2016 hat das Warten endlich ein Ende und wir dürfen uns über die erste Episode von Preacher freuen. Doch kann der Pilot den gewaltigen Erwartungen standhalten?

Um die Spannung gleich aufzulösen: jein. Ausgehend von den ersten 60 Minuten ist Preacher nicht das Instant-Meisterwerk geworden, das sich viele Comic- und Serienfans erhofft haben - besonders in Anbetracht der kreativen Köpfe, die sich für die Verfilmung stark gemacht haben. Trotzdem zeugt der Auftakt vom Ehrgeiz aller Beteiligten. Auf der einen Seite wäre da Sam Catlin, der sich als Produzent und Drehbuchautor einiger Breaking Bad-Kapitel sehr wohl bei AMC fühlen dürfte. Auf der anderen Seite wartet mit Seth Rogen und Evan Goldberg ein eingespieltes Duo auf, das sich mit Kollaborationen von Ananas Express über The Green Hornet bis hin zum aktuell in den Kinos laufenden Bad Neighbors 2 regelrecht für einen Posten als Verantwortliche einer Preacher-Adaption empfohlen haben. Nicht zuletzt verlangt eine adäquate Umsetzung des Ausgangsmaterials mehr als ein Wagnis; ein bisschen Wahnsinn gehört sicherlich auch dazu.

Cassidy (Joe Gilgun) und Tulip (Ruth Negga)

Preacher ist eine unbändige Bestie, ein wilder Trip und ein extrem fragwürdiger dazu. Garth Ennis und Steve Dillon haben eine äußerst unbequeme Welt geschaffen, die sich in erster Linie gar nicht durch ihre Brutalität auszeichnet, sondern die misanthropische Grundstimmung. Das Gute sucht man zwischen den einzelnen Panels mitunter vergebens, so kompromisslos geht die Odyssee des zweifelnden Geistlichen vonstatten. Dennoch ist die Erzählung eine packende, voller einnehmender Eigenheiten, die sich im relativierenden Verhältnis zu den verwerflichen Ereignissen positionieren - und genau dieses Gefühl, das sich aus unzähligen Widersprüchlichkeiten zusammenzusetzen scheint, versuchen Seth Rogen, Evan Goldberg und Sam Catlin im Bewegtbild einzufangen. Ohne den Schutz gezeichneter Abstraktion wagen sie sich gleichermaßen respektvoll wie variierend an den Stoff, der sie offensichtlich so inspiriert wie fasziniert.

"Awesome! Soo awesome!", jubeln zwei kleine Kinder, die zufällig Zeugen einer unfassbaren Gewalttat seitens Tulip O'Hare (überragend: Ruth Negga) werden. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich in diesem Moment Seth Rogen und Evan Goldberg vorzustellen, wie sie sich über ihre eigene Version des Opus von Garth Ennis und Steve Dillon freuen und dabei auf den gleichen Wortlaut zurückgreifen. Viel Herzblut steckt in Preacher. Das ist in geradezu jeder Einstellung zu erkennen. Trotzdem gewinnt die Verehrung nicht Überhand. Wenn Seth Rogen, Evan Goldberg und Sam Catlin erst einmal in Fahrt gekommen sind, kann sie niemand mehr aufhalten - im Guten wie im Schlechten. Die entscheidenden Aspekte der Vorlage hat das Trio aber verinnerlicht. Jetzt wird das Ruder übernommen, wenngleich es noch eine kurze Unsicherheit zu überwinden gilt. "You aren't allowed to just drive around wreckin' stuff and killing people, you know. You're in, like, really big trouble.", melden sich die zuvor erwähnten Kinder noch einmal zu Wort, als hätten die Kreativen einen letzten Zweifel bei ihrer Umsetzung zu überwinden, bevor sie sich wieder selig im Augenblick des euphorischen Staunens verlieren.

"Awesome! Soo awesome!"

Es ist womöglich die angenehmste Überraschung des Piloten, zu wissen, dass sich die Serie nicht sklavisch an den Comics abarbeitet, aber durchaus deren Geist einfängt. Viele vertraute Bestandteil bleiben beim Übergang des Medium erhalten - Cassidys (cool: Joseph Gilgun) ersten Auftritt könnte beispielsweise dem gezeichneten Vorbild nicht ähnlicher sein - , gleichzeitig setzen Seth Rogen, Evan Goldberg und Sam Catlin ihre eigenen Akzente. An der groben Prämisse wird trotzdem nicht viel gerüttet. Jesse Custer (getroffen: Dominic Cooper) ist nach wie vor ein ambivalenter Priester, der vielmehr einem heruntergekommenen Wrack als einem wegweisenden Hirten gleicht und mindestens genauso viel raucht wie er trinkt. Durch ein mysteriöses Ereignis, das neben einem afrikanischen Prediger und einem russischen Satanisten auch Tom Cruise (!) das Leben kostet, gelangt Jessie im Verlauf des Piloten zu unheimlichen Kräften, obgleich er sich derer Wirkung selbst (noch) nicht im Klaren ist.

Und dann erzählt Preacher die Geschichte eines bescheidenen Mannes, der aufgrund seiner Erfahrungen (illustriert etwa in Form eines fiebrigen Rückblicks, in dem sein Vater vor seinen eigenen Augen erschossen wird) zum Zweifler geworden ist. Ständig versucht Jesse das Richtige zu tun, muss dabei jedoch eine Niederlage nach der anderen einstecken, bis er sich nicht mehr beherrschen kann. "Open your heart to her", gibt er einem treuen (sprich: nervenden) Schaf seiner Gemeinde mit auf den Weg, nachdem er unwissend jene große Kraft erlangte, aus der bekanntlich ebenso große Verantwortung resultiert. Kurze Zeit später werden wir Zeugen davon, wie der arme Tropf, der die ganze Episode lang über seine herrische Mutter klagte, dieser seine wahren Gefühle offenbart und sich im Anschluss das Herz aus der Brust schneidet. Vielleicht vermag Jesse doch nur das Schlechte zu den Menschen bringen - egal, wie sehr er versucht, in dieser von Grund auf verdorbenen Welt etwas Gutes zu vollbringen. Wir dürfen auf alle Fälle gespannt sein, wie diese Tragödie weitergeht.

"Open your heart to her."

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