Neues aus Glamourcity

15.05.2011 - 16:38 Uhr
Fotografen im Smoking
JB
Fotografen im Smoking
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Gleich an seinem ersten Tag in Cannes geht Moviepilot Redakteur Johann Buchholz zu der glamourösesten Premiere des ganzen Festivals: “Piraten der Karibik – Fremde Gezeiten” mit Johnny Depp und Penélope Cruz.

„Wenn es im Weltraum einen Scheinwerfer gäbe, der immer auf den gerade spannendsten Ort der Erde scheinen würde, so wäre er während des Filmfestivals die ganze Zeit auf Cannes eingestellt.
Das ist Glamourcity, das merkst Du sobald Du ankommst.“
Das hat zumindest mein Freund Gaston, der Cannes-Experte, versprochen.

Na ja.
In meinem Hotelzimmer merke ich von den Scheinwerfern der Welt zumindest noch nichts. Die Autobahn bekomme ich dafür ganz gut mit.

Aber dagegen kann ich ja etwas tun. Ich ziehe meinen einzigen und elegantesten schwarzen Anzug an, dazu Lackschuhe und schwarze Krawatte. Heute ist Premiere von „Pirates of the Caribbean: On Strange Tides” und Gaston hat mir eine Karte besorgt.

Der Weg zum Glamour führt erst mal an einer Art französischen Imbiss vorbei, wo Typen in Trainingsanzügen „Steak frites“ (Baguette mit Pommes und Hackfleisch) essen.
Einfach weitergehen und hoffen, dass es irgendwie doch noch ein glamouröser Abend wird.

Tatsächlich muss ich nur unter der Autobahnbrücke durch und da beginnt Glamourcity dann wirklich. Jeder zweite ist hier in Abendgarderobe unterwegs, überall hängen große Starportraits und in den Straßencafés trinken unwirklich schöne Menschen Champagner.

Großes Gedrängel vor dem Festivalpalast. Kein Wunder: Die Hauptdarsteller des Films und die gesamte Festivaljury sind für heute Abend angekündigt.
Immer wieder werde ich gefragt, ob ich eine Eintrittskarte übrig hätte. Einer bietet mir sogar 100€ für meinen Platz. Was soll ich bitte mit 100€?
Hier bekomme ich dafür höchstens ein „Steak Frites“ und eine Piccolo Flasche Sekt.

Ich bitte also all die Ticket Suchenden, mich durchzulassen und präsentiere dem Einlasser meine Karte. Ob mir nicht aufgefallen sei, dass alle Herren hier Fliegen tragen?
Nicht nur die Gäste, auch die Platzanweiser und sogar die Fotografen.
Eine Fliege? Wer trägt denn noch so was?

Ohne Fliege, kein Einlass. Glücklicherweise könnte ich eine bei seiner Kollegin kaufen.
15€, EC-Karte wird hier nicht akzeptiert…

Jetzt aber! Mit meiner neuen Fliege – noeud papillon auf französisch- schreite ich über den roten Teppich, vorbei an den Fotografen, und dann die berühmte Treppe hoch.
Vor mir Jane Fonda.
Einfach so, Jane Fonda. Eine gute Figur hat sie behalten und guckst Du ihr ins Gesicht, dann musst Du an ihren Vater in „Spiel mir das Lied vom Tod“ denken. Die gleichen Augen, der gleiche Gesichtsausdruck.

Im Saal wird dann auf der Leinwand übertragen, wer noch so den roten Teppich langgeht. Um nur die Bekanntesten zu nennen: Der Präsident der Jury, Robert De Niro, Jurymitglieder Uma Thurman und Jude Law.

Den Saal selbst betreten die aber gar nicht. Einmal den roten Teppich hoch und dann zurück in die Suite im Hotel Carlton.
Das hätte mir schon eine Warnung sein sollen.

Aber da kommen die Hauptdarsteller:
Johnny Depp, Penélope Cruz mit ihrer Schwester Monica und Geoffrey Rush, zuletzt gesehen als Logopäde des englischen Königs.

Glauben Sie, dass Johnny Depp so eine alberne Fliege trägt?
Selbstverständlich nicht!

Jetzt betritt die Filmcrew den Saal, das Publikum erhebt sich und man hört eine Stimme über Lautsprecher: „Messieurs dames, le réalisateur Rob Marshall“ („Meine Damen, meine Herren, der Regisseur Rob Marshall“). So ist das bei den Franzosen: Es können die berühmtesten Schauspieler des Planeten kommen, begrüßt wird der Regisseur.

Der Film beginnt, 2000 Zuschauer in ihren Smokings und Ballkleidern setzen ihre Plastik-3D Brillen auf. Die Hauptdarsteller sitzen 2 Reihen vor mir. Seine 3D Brille hat Johnny aber wohl irgendwie verloren, er guckt den Film ohne.

Gaston hatte mir schon gesagt, wie besonders es ist, einen Film mit der Crew zu sehen, die ihn gemacht hat. Das ist dann wie Theater. Jede Reaktion des Publikums bekommen die mit.

Aber was ist das? Dunkle Gestalten schleichen durch die Gänge Richtung Ausgang.
Die gesamte Filmcrew hat den Saal verlassen, wir sind wieder allein.

Vielleicht eine gute Idee, denn das Arthouse-afine Cannes Publikum scheint den Film nicht sehr zu mögen. 2000 Menschen schweigen 2 Stunden lang.
Als ich ein einziges mal lachen muss, tue ich das allein. Ein Gefühl, als würde man bei einer Beerdigung laut aufstoßen.

Zum Schluss, nachdem ich gut versteckt hinter meiner 3D-Brille, eine kleine Schlafpause eingelegt habe, schleicht die Filmcrew wieder an ihre Plätze. Sehr verhaltener Applaus für einen Film, der hier eigentlich nichts zu suchen hat.

Glamourös war es trotzdem und außerdem habe ich Jane Fonda mit 3D Brille gesehen.
Das kann ja auch nicht jeder von sich behaupten.

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