Mehr vom Selben - Der Emmy 2018 hat Angst vor radikalen Serien

13.07.2018 - 14:45 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Twin Peaks: The Return/Game of Thrones
Showtime/HBO
Twin Peaks: The Return/Game of Thrones
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Gestern wurden die Nominierungen für den Emmy 2018 bekannt gegeben. Die Tendenz zu mehr vom Selben bei gleichzeitigem Ignorieren revolutionärer TV-Formate betrübt dabei besonders.

Der Emmy ist der Oscar fürs Fernsehen und daher schwer zu ignorieren - egal, wie wir im Einzelnen zur prestigeträchtigen Verleihung stehen mögen. Genügend Gesprächsstoff gibt es sowieso immer und das umso mehr genau jetzt, zumal gestern die Nominierungen für die kommende Award-Veranstaltung eintrudelten. Standen die Wähler vergangenes Jahr noch vor der großen Herausforderung, für eine Serie abzustimmen, die nicht Game of Thrones heißt, ist beim Emmy 2018 wieder alles beim Alten. Mit 22 Nominierungen führt das Fantasy-Spektakel das Feld an, dicht gefolgt von Westworld mit 21 Berücksichtigungen. Zwar markiert die zunehmende Diversität des Events - etwa durch die Anerkennung von Darstellern asiatischen Ursprungs - eine erfreuliche Entwicklung, doch bleibt auch die Frage, was diese Ansätze eigentlich wert sind, wenn am Ende mutmaßlich doch wieder die üblichen Verdächtigen die Preise entgegennehmen. Und dabei haben wir noch gar nicht über jene Serien gesprochen, die 2017 das TV-Universum auf den Kopf gestellt haben, offenbar aber einfach zu bahnbrechend für die Emmys sind.

Game of Thrones hat ein Abo auf den Emmy

Der Emmy ohne Game of Thrones, das ist wie Pizza ohne Käse - dieser Meinung scheinen zumindest die Mitglieder der ATAS (Academy of Television Arts & Sciences) zu sein, die die Veranstaltung mit ihrer Stimmabgabe fest in der Hand halten. Für Staffel 6 heimste die HBO-Produktion 2016 sagenhafte 22 Nominierungen ein und stellte damit einen Rekord auf (Auszeichnungen hagelte es schließlich 12 an der Zahl). In diesem Jahr blieb Game of Thrones denkbar knapp dahinter zurück, was die Dominanz der Serie nur unterstreicht. Mittlerweile vereint sie sogar die meisten Emmy-Nominierungen aller Zeiten auf sich. Bei den US-Awards wirkt Game of Thrones immun gegen jedwede Kritik, die im Rahmen von Staffel 7 deutlicher denn je angebracht wurde - sogar aus den Reihen eingefleischter Fans.

Kit Harington und Emilia Clarke in Game of Thrones

Peter Dinklage beispielsweise war lange ein Vorzug der Buchadaption, die Drehbuchautoren lassen ihn aber schon seit mehreren Staffel nicht mehr zur Entfaltung kommen. Für eine Nominierung Dinklages in der traditionell hart umkämpften Nebendarsteller-Kategorie (hier im Bereich Drama) reichte es 2018 dennoch. Immerhin ging die Rechnung HBOs nicht auf, Emilia Clarke und Kit Harington als Beste Hauptdarsteller ins Rennen zu schicken. Ließ Game of Thrones in Staffel 7 noch vereinzelt alte Qualitäten durchblicken, dann trotz und nicht dank diesen beiden.

Twin Peaks und andere werden beim Emmy 2018 schmerzlich vermisst

Mit Spannung erwartet wurde vergangenes Jahr David Lynchs und Mark Frosts großes Serien-Revival Twin Peaks: The Return. Anstatt den düsteren Vorstadt-Mythos des Kults aus den 1990er Jahren auf dieselbe Weise wie damals weiterzuerzählen, riskierten die Macher vielmehr, die Fans der Mutterserie mit zahlreichen Verrücktheiten vor den Kopf zu stoßen. The Return nämlich scherte sich noch viel weniger als das Original um erzählerische Konventionen und war keiner Skurrilität abgeneigt. Beglückt wurden die Liebhaber des seriellen Wahnsinns mit diversen Dale Cooper-Reinkarnationen, und das sollte am Ende des Tages nur die Spitze des Eisbergs sein. Zumindest eine Erwähnung von Kyle MacLachlan als Hauptdarsteller in einem Drama wäre beim Emmy 2018 angemessen gewesen, doch das Twin Peaks-Revival muss sich mit Nominierungen in Kategorien zufrieden geben, die der Serie als Gesamtkunstwerk nicht gerecht werden. Auf dem Papier lesen sich die 9 Nennungen daher weit weniger deprimierend als es bei nüchterner Betrachung der Fall ist.

Twin Peaks: The Return

Noch tiefer in die Röhre als Twin Peaks schaut derweil Nathan Fielder, der mit seiner Cringe-Comedy Nathan for You seit nunmehr 4 Staffeln auf die verdiente Anerkennung wartet. Als knuffig-bizarrer Unternehmensberater mit Fremdscham-Garantie arbeitet er geschickt mit den Konventionen von Reality-TV-Serien und findet unerwartete Momente der Wahrhaftigkeit. Interessieren tun sich dafür allerdings noch immer viel zu wenige Zuschauer (und Emmy-Wähler). Ebenso auf der Strecke bleibt mit BoJack Horseman die aufregendste Netflix-Produktion überhaupt. Hinter der Serie mit ihren vielen anthropomorphen Charakteren verbirgt sich seit jeher ein tiefgründiges Charakterdrama um einen ehemaligen Sitcom-Star, welches beim Emmy eigentlich gut aufgehoben sein sollte. Die Realität spricht indes leider auch 2018 eine andere Sprache. Und auch The Terror schaffte es nicht, die Wähler auf seine Seite zu ziehen - womöglich war hier die Idee, die Strukturen des Survival-Dramas mit einem als Mythos etablierten gigantischen CGI-Eisbären zu durchbrechen, ein wenig zu viel des Guten.

Nicht alles ist schlecht beim Emmy 2018

Ignorien wir einmal großzügig, dass am 17.09.2018 sehr wahrscheinlich die üblichen Verdächtigen die Preise unter sich ausmachen werden, läuft beim Emmy natürlich nicht alles verkehrt. Die vielen Nominierungen für das als Dystopie ausgewiesene, aber erschreckend relevante Hulu-Drama The Handmaid's Tale indizieren ein zeitgeistiges Gespür der Abstimmenden und die Rückkehr von The Americans in der Drama-Hauptkategorie kann sowieso nur zu Jubelstürmen verleiten. The Good Place und Killing Eve haben die Emmy-Wähler jetzt auf dem Schirm. Sandra Oh ist die erste Schauspielerin asiatischer Abstammung, die in der Kategorie Beste Hauptdarstellerin in einer Drama-Serie ein Wörtchen mitreden darf. Träumen ist also immerhin erlaubt bei den diesjährigen Emmys.

Was haltet ihr von den Nominierungen für den Emmy 2018?

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