Juan of the Dead und das kubanische Kino

12.04.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Viele Filme aus Kuba kommen bei uns nicht gerade ins Kino.
Pandastorm
Viele Filme aus Kuba kommen bei uns nicht gerade ins Kino.
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Mit Juan of the Dead kommt heute der erste kubanische Zombiefilm in die Kinos. Doch Kuba hat noch weit mehr Filmerzeugnisse zu bieten. Wir geben einen kleinen Überblick.

Mit Juan of the Dead könnt ihr ab heute den ersten kubanischen Zombiefilm in deutschen Kinos schauen. Schon vor zwei Jahren konnten wir über die Splatterkomödie und die Versuche des Regisseurs Alejandro Brugués berichten, in Cannes um Geldgeber zu werben. Bisherige Stimmen zum Film sind gemischt. Wir werden uns selbst vom Inselerzeugnis überzeugen müssen. Fest steht aber, dass Juan of the Dead eine Ausnahmeerscheinung ist. Wir bekommen nicht unbedingt viele kubanische Filme zu sehen, zumindest nicht auf der großen Leinwand. Über Kuba sehen wir mit Filmen wie Buena Vista Social Club (Wim Wenders) oder Che – Revolucion (Steven Soderbergh) derweil vieles. Auch einer der ausgewählten Beiträge zum diesjärigen Animationsoscar, Chico & Rita, nahm sich Kuba als zeitweisen Schauplatz und Herkunftsland seiner Protagonisten an.

Wenn wir aber an Filme aus Kuba denken, ist das nicht so ergiebig. Grund genug für uns, etwas in der kubanischen Filmgeschichte zu graben. Wie ihr euch sicher ausrechnen könnt, ist die sehr eng mit den politischen Entwicklungen im Land verknüpft. Wir versuchen, einige wichtige Filmemacher und Filme in Kontext zu setzen.

Das faszinierende Kino des Kalten Krieges
Bevor es in Kuba zur Revolution kam, produzierte die stark von den USA beeinflusste Industrie in etwa 80 Filme. Nach der sozialistischen Revolution, die mit der Einsetzung von Fidel Castro als Staatschef endete, bildete sich auch eine neue Form des Kinos. Es formte sich das ICAIC (Cuban Institute of Cinema Art and Industry), dass einigen Filmemachern eine künstlerisch international anerkannte Karriere bescherte. Einer der produktivsten kubanischen Regisseure der Nachrevolution war wohl Tomás Gutiérrez Alea, der sich anfangs vor allem mit Dokumentationen beschäftigte. Das goldene Zeitalter des kubanischen Kinos begann aber erst mit seinen Spielfilmen Erinnerungen an die Unterentwicklung (1968) oder Der Tod eines Bürokraten (1966), die kurioserweise vollkommen offen mit der Unterdrückung durch das kubanische Regime und den Problemen der willkürlichen Bürokratie umgehen. Gerade Der Tod eines Bürokraten sorgte für internationale Beachtung der kubanischen Filmindustrie.

Das goldene kubanische Kino mit seinen wichtigsten Regisseuren Tomás Gutiérrez Alea (The Last Supper, 1976), Humberto Solás (Zwei Väter, ein Kind und die schöne Lucia, 1969) oder Santiago Álvarez lebt von der Verarbeitung der Identitätsproblematik Kubas, dessen gesellschaftlicher Realität und hochgradig experimentellen Darstellungsmethoden. Oft werden Filmschnipsel aneinandergereiht, wie in Santiago Alvarez Dokumentationen (zum Beispiel Now, 1965), der als der Vorreiter der Videoclip-Kultur gilt. Das kubanische Kino dieser Zeit wird auch Unvollkommenes Kino genannt. Hollywood-Schönheit und -Tradition wurde genauso abgelehnt wie das europäische Auteur-Kino mit François Truffaut oder Jean-Luc Godard. Das unvollkommene Kino ist hässlich, wirkt manchmal sogar improvisiert und will Kubas Realität künstlerisch darstellen. Konsequenterweise wurden die Filme dieser Zeit national nicht in großen Kinosälen, sondern auf Höfen, Hinterhöfen, nach Möglichkeit überall gezeigt und hinterher diskutiert.

Das ICAIC ging auch so offen mit seinen Filmschaffenden um, weil es eine Nationalidentität für Kuba finden wollte. Das sollte über Filme, Dokumentationen, aber auch Zeichentrickfilme erreicht werden. In dem Zusammenhang muss besonders Juan Padrón genannt werden, der mit seiner Bürgerkriegskämpfer Elpidio Valdés und dem politisch angehauchten, vor der Revolution spielenden Film Krieg der Vampire noch heute gern gesehene Cartoonfiguren erschuf.

Der Vorhang ist gefallen
… zumindest der eiserne Vorhang, aber die Geschichte des kubanischen Films war mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion noch lange nicht vorbei. Dafür ist sie um einiges komplizierter geworden. Das kubanische Kino nach der Revolution dreht sich logischerweise nicht mehr um die Revolution und ihre Auswirkungen. Meist geht es um junge Menschen und ganz aktuelle Probleme. Zum Beispiel Homosexualität und das Coming-Out. Dieses, für eine sozialistische Diktatur doch recht ungewöhnliche Thema behandelt Erdbeer und Schokolade, eines der Schlusswerke von Tomás Gutiérrez Alea. Der Film dreht sich um einen homosexuellen Erdbeereisliebhaber und einen heterosexuellen Schokoladeneisfan, deren Freundschaft zudem von ihren gegenläufigen politischen Meinungen gefährdet wird. Als Plädoyer für Toleranz holte sich die mexikanisch-kubanisch-spanische Koproduktion massenhaft Preise und eine Oscarnominierung für den besten fremdsprachigen Film.

Koproduktion ist für das kubanische Kino nach 1989 das Stichwort. Die ICAIC hat nur noch einen Bruchteil ihrer Ressourcen, weshalb die Filmemacher selbst zusehen müssen, wo sie bleiben. Für neue, erfolgreiche Filmemacher wie Huberto Padrón (Video de Familia, 2001), Alina Abreu (Buscándote Havana, 2007), Fernando Pérez (Suite Havanna, Das Leben, ein Pfeifen), Alejandro Brugués (Personal Belongings, 2008) oder Ernesto Daranas (Broken Gods, 2009) bieten Koproduktionen oder Förderungen internationaler NGOs zwar Ressourcen, bringen aber auch Klauseln mit, die ihnen ein Stück der kreativen Kontrolle wegnehmen. Die internationalen Lobpreisungen, zum Beispiel für den aus der Sicht von Kindern gedrehten Film Viva Cuba (Juan Carlos Cremata) sind derweil immer noch bemerkenswert.

Kuba will sich zwischen Sozialismus und Kapitalismus immer noch finden, wirft seine Filmhelden immer wieder in durch Reichtum hervorgerufene Wirrungen (z.B. The Horn of Plenty, Juan Carlos Tabío, 2009). Auch Juan in Juan of the Dead versucht in einer toten Welt sein eigenes, ganz persönliches Glück zwischen Sozialismus, Zombies und Geschäft zu finden. Hoffen wir, dass sich der Output des kubanischen Kinos in den nächsten Jahren noch dramatisch erhöht. Vielleicht macht Juan of the Dead ja einen kommerziellen Anfang.

Seid ihr mit dem kubanischen Kino vertraut? Interessiert es euch?

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