Inventing Anna: Die wahre Geschichte von Anna Sorokin ist noch spannender als die Netflix-Serie

23.02.2022 - 08:52 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
Julia Garner als Anna Sorokin in Inventing AnnaNetflix
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Jahrelang lebte Anna Sorokin als deutsche Erbin Anna Delvey im Luxus – auf Kosten anderer. Jetzt hat Netflix der unglaublichen Betrugsgeschichte mit Inventing Anna ein Denkmal gesetzt.

Sie ist der Star einer der aufsehenerregendsten Betrugsgeschichten der letzten Jahre: Anna Sorokin aus Eschweiler bei Köln, die in den USA unter dem Namen "Anna Delvey" Teile der New Yorker Kunst- und Immobilien-Szene sowie namhafte Banken geschickt hinterging. Sie erschlich sich fast 300.000 Dollar und lebte in Luxus, bis sie 2017 schließlich verhaftet wurde.

Dieser unglaublichen Geschichte widmet Netflix jetzt eine eigene Miniserie. Alle 9 Folgen von Inventing Anna sind ab dem 11. Februar beim Streaming-Anbieter verfügbar. Doch auch wenn die Show-Verantwortliche Shonda Rhimes mit Serien wie Grey’s Anatomy, How to Get Away With Murder oder Bridgerton bereits bewiesen hat, dass sie die Meisterin spannender Geschichten mit Frauenfokus ist – die wahre Story von Anna Delvey ist krasser als jedes Hollywood-Drama.

Die Netflix-Serie fußt zu großen Teilen auf einer wahren Geschichte

Inventing Anna - S01 Trailer (Deutsch) HD
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Inventing Anna: Wer ist Anna Sorokin aka Anna Delvey?

Spektakuläre Reisen, Flüge in Privatjets, Hummer und Rosé bis zum Abwinken, ein Leben in luxuriösen Hotelzimmern statt schäbigen WGs und 100 Dollar als Standard-Trinkgeld: Sorokin lässt sich bis zu ihrer Verhaftung im Herbst 2017 nicht lumpen. Dabei besitzt sie selbst nichts, als sie 2013 nach New York zieht. Ihr Geheimnis: Sie gibt sich als reiche deutsche Erbin mit einem Vermögen von 60 Millionen Dollar aus, die einen exklusiven Club für Kunstliebhaber:innen eröffnen will.

In Wahrheit wird Anna Sorokin in Moskau geboren und zieht mit ihrer Familie 2007 nach Deutschland. Sie wächst in einem durchschnittlichen bürgerlichen Haushalt auf. Ihr Vater, ein ehemaliger LKW-Fahrer, macht sich später mit einer Firma für Heizungen und Klimaanlagen selbständig. Ihre Eltern unterstützen Anna finanziell, als sie nach ihrem Abitur erst nach London und dann nach Paris zieht – angeblich, um in der Modebranche durchzustarten.

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Dort sammelt sie erste Kontakte zur High Society, bevor sie schließlich in New York Fuß fasst. Doch wie schafft es eine junge Frau Anfang, Mitte 20 aus der russisch-deutschen Mittelschicht, jahrelang die Reichen und Schönen einer der teuersten Städte der Welt derart an der Nase herumzuführen?

So spielte die falsche deutsche Erbin die New Yorker Elite aus

Anna Sorokin ist ein soziales Chamäleon. Sie hat die Verhaltensweisen und Codes der New Yorker Schickeria so gut verinnerlicht, dass sie sich nahtlos zwischen Schauspieler:innen, It-Girls, Immobilien-Haien und Millionärs-Kids mit Trust-Fund einfügt. Sie weiß: Solange man Geld ausgibt und den eigenen Lifestyle spektakulär auf Instagram inszeniert, stellt niemand Fragen.

Ab 2013 lebt sie zunächst vor allem auf Kosten ihres damaligen Partners, einem aufstrebenden Entrepreneur mit eigenem Start-Up. Später erschleicht sie sich das Vertrauen von Luxushotels, Freunden und Banken, indem sie die Geschichte von ihrem angeblich millionenschweren Treuhandkonto auftischt. Von Privatpersonen leiht sie sich Geld, ihre Konten überzieht sie gnadenlos. Wenn sich ihre Schecks als gefälscht herausstellen, ist die angebliche Erbin meist schon über alle Berge.

Anna will allerdings nicht einfach nur in Luxus leben, sie will als Businessfrau anerkannt werden. 22 Millionen Dollar will sie sich von Banken leihen, um ihren Künstler-Club, die Anna Delvey Foundation, aufzuziehen. Für diese Art von Summe muss sie allerdings einen Schritt weiter gehen – und erfindet einen deutschen Vermögensverwalter namens Peter W. Hennecke. In seinem Namen mailt sie engagiert mit diversen Banken und einigen ihrer Schuldnern und findet immer neue Entschuldigungen dafür, warum Summen nicht überwiesen werden oder Unterlagen, die ihre Kreditwürdigkeit beweisen sollen, fehlen. Viele Dokumente fälscht sie selbst.

Julia Garner als Anna Sorokin in Inventing Anna

Wann immer die Delvey-Masche ins Stocken gerät, findet sich jemand, der für Anna zahlt. Wer so viel Geld ausgibt, muss schließlich auch selbst Geld besitzen und wer Geld besitzt, zahlt seine Schulden zurück. Weil Anna mit Scheinen um sich wirft, glauben die Leute lange an die Geschichte der reichen Erbin, die eben manchmal Probleme mit internationalen Überweisungen hat. Knapp 275.00 Dollar erschleicht sie sich auf diese Art. Bis Anna Sorokins Lügengebilde in sich zusammenbricht.

Von Anna Delvey im Luxushotel zu Anna Sorokin in der Gefängniszelle

Im Frühling 2017 lädt Anna drei Freunde zu einem Luxusurlaub in Marokko ein, wohlwissend, dass sie kein Geld hat, um die Reise zu bezahlen. Als ihre Kreditkarten abgelehnt wurden, muss eine Freundin einspringen. Hätte Rachel DeLoache Williams die rund 60.000 Euro nicht mit der Geschäftskreditkarte ihres Arbeitgebers Vanity Fair bezahlt, hätte das Hotel die Polizei gerufen.

Zurück in New York kann Anna dieses Geld natürlich nicht zurückzahlen. Ihren Freundinnen dämmert, dass sie jahrelang belogen wurden, und wenden sich von ihr ab. Auch die Luxushotels, in denen sie sonst residiert, weigern sich schließlich, sie aufzunehmen. Es hatte sich herumgesprochen, dass "Anna Delvey" ihre Rechnungen nicht bezahlt. Die angebliche Millionenerbin ist plötzlich obdachlos – und startete einen letzten betrügerischen Coup. Sie hebt mit gefälschten Schecks mehrere tausend US-Dollar ab. Von dem Geld setzt sie sich nach Los Angeles ab und lässt sich dort in eine Luxus-Entzugsklinik einweisen.

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Was Anna damals vielleicht noch nicht vollends begreift: Die Behörden fahnden bereits nach ihr. Anfang Oktober 2017 ist es allerdings ihre Freundin Rachel, die Anna den Behörden ausliefert. Sie tut so, als wolle sie sich mit Sorokin in einem Resturant in der Nähe treffen. Als die Betrügerin die Klinik verlässt, wird sie festgenommen.

Die Betrügerin aus Eschweiler wird berühmt – und zur Social-Media-Ikone

Im Mai 2018 wird Sorokin quasi über Nacht weltberühmt, als in den US-Magazinen The Cut und Vanity Affair ihre Karriere als Hochstaplerin nachgezeichnet wird. Die einen feiern sie als eine Art modernen Robin Hood, der die oberflächliche New Yorker Schickeria zu Recht an der Nase herumführte. Die anderen verurteilen sie als arrogante und geldgierige Kriminelle mit Hang zum chronischen Lügen. Eine Sache haben aber beide Fraktionen gemein: Sie sprechen über Anna.

Es werden T-Shirts mit dem Slogan "Fake German Heiress" verkauft. Die Outfits, die sie im Gerichtssaal trägt, gehen viral. Hier zeigt sich einmal mehr, dass Anna ganz genau weiß, wie sie sich in der Öffentlichkeit präsentieren muss. Und ebenjene Öffentlichkeit frisst ihr aus der Hand. Vor Gericht hift ihr das nicht: Im April 2019 wird sie wegen der Erschleichung von Dienstleistungen und schweren Diebstahls in acht von zehn Fällen schuldig gesprochen und zur vier bis zwölf Jahren Haft verurteilt. Außerdem muss sie 200.000 US-Dollar Schadensersatz zahlen.

Julia Garner in Inventing Anna

Als sie im Februar 2020 wegen guter Führung freigelassen wird, landet sie kurz darauf wieder hinter Gittern. Dieses Mal wegen Verstößen gegen das Einwanderungsgesetz – ihr Visum ist abgelaufen. Trotzdem erweisen sich Annas Verurteilung und der damit zusammenhängende Medienrummel als Geschenk.

Wie aus der spektakulärsten deutschen Betrugsgeschichte des Jahrzehnts eine Netflix-Serie wurde

Auf einmal braucht es keine überkandidelten Geschäftspläne und komplizierte Lügengebilde mehr, um ordentliche Finanzspritzen einzutreiben. Jetzt ist ihre echte Geschichte pures Geld wert. Aus dem Gefängnis heraus kassiert Sorokin eine sechsstellige Summe von Netflix für die Adaptionsrechte an ihrer Story. Auch wenn sich Netflix bei Inventing Anna dafür entschieden hat, die Geschichte um ein paar fiktive Personen und Storylines anzureichern.

Trotzdem bleibt insbesondere der weibliche Haupt-Cast sehr nah an der Realität: Neff (Alexis Floyd), Rachel (Katie Lowes) und Kacey (Laverne Cox) sind drei Freundinnen, die bis um Ende an Annas (Julia Garner) Seite waren. Die Figur der Journalistin Vivian (Anna Chlumsky) ist klar an Jessica Pressler orientiert, die den Enthüllungsartikel für The Cut schrieb.

Dass Anna Sorokins Geschichte nun vom größten Streaming-Dienst der Welt erzählt wird, passt perfekt zur Kunstfigur Anna Delvey. Sie wollte immer ein Star sein. Dass sie dafür erst eine eigene Legende schaffen musste, ist in einer Welt, in der vor allem Macht, Geld und Status zählt, eigentlich nur folgerichtig. Insofern ist Anna Sorokin vor allem eins: ein Gesamtkunstwerk. Mit einem Promi-Status, den sie sich tatsächlich selbst verdient hat.

Was haltet ihr von Inventing Anna?

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