Wir befinden uns im Jahr 2010, ganz moviepilot ist von Christopher Nolan-Fans besetzt. Ganz moviepilot? Nein! Ein paar, von unbeugsamen Communitymitgliedern bevölkerte Profile hören nicht auf, dem Hype Widerstand zu leisten... Und das Leben ist nicht leicht für die Nolanverehrer, denn an der Kritik an Inception könnte vielleicht, unter Umständen, eventuell, nur ein gaaaaanz kleines bisschen was dran sein...
Nein? So gar nicht? Nun denn... Während im Hintergrund die Messer gewetzt werden und eine einsame Trompete zu spielen beginnt, bleibt uns also nur noch eins zu sagen: Hitmanski, es war uns eine Ehre, mit Ihnen gedient zu haben... :)
Der Kommentar der Woche von Hitmanski zu Inception
Oh oh oh, wenn man sich hier so umsieht, dann fühlt man schon eine gewisse geistige Seelenverwandschaft mit Ronald Reagen aufkeimen - man ist umgeben von Roten...
Es wäre natürlich billig und ungerechtfertigt, wenn man einem Produkt den Hype vorwerfen würde, der es umweht - trotz alledem beeinflusst eine solche Omnipräsenz das eigene Sehverhalten und die Wertung dessen was man sieht. Ich wäre niemand, der Inception wegen des Hypes als solches schlecht findet, aber ich gebe zu, es wurden bei mir - sowohl bewusst als auch unbewusst - Erwartungen geweckt, denen er nicht standhalten kann.
Das liegt nicht etwa an der Geschichte oder den Winkelzügen, denen sich Nolan hingibt. Bezüglich dessen habe ich genau das bekommen, was ich erwartet habe: Eine in sich logische Konstruktion, die für den geneigten Zuschauer genügend Ansätze zur weiteren Interpretation und Deutung beinhaltet, aber nicht gerade vor Kreativität platzt. Inception ist bei aufmerksamer Betrachtung in jedem Moment logisch - aber besonders intelligent oder kreativ ist er dabei noch lange nicht, da helfen auch ein paar bedeutungsschwere Kreiseldreher nicht. Sicherlich, man kann über vieles spekulieren, und ich bin überzeugt es gibt freundliche Menschen hier, die mir besondere Deutungen vorstellen werden - aber in Essenz ist der Grundplot nichts weiter als Ocean's Eleven mit negativen Vorzeichen und einem Hauch Matrix. Sicherlich, das Ende ist der Hinweis mit dem Vorschlaghammer, das Internet mit Theorien zu überfluten - aber es wirkt seltsam unpassend, hat Nolan sich bis zu diesem Schlusspunkt doch ständig dazu berufen gefühlt, dem Zuschauer alles haarklein zu erläutern und/oder deutlich unsubtil vorzusetzen. Damit man mich nicht falsch versteht: Mir persönlich macht das nichts aus, aber ob es wahrhaft so komplex ist, wie manche vielleicht erwarten, wage ich in Frage zu stellen.
Das wirkliche Problem von Inception ist aber nicht die Handlung,
sondern vielmehr die Tatsache, dass Nolan diese nur als Aufhänger für
überlange Actionsequenzen missbraucht. Diese erinnern zum Teil
frappierend an schon mal Dagewesenes, von James Bond bis hin zu Matrix,
sind vor allem aber das ermüdende Zugeständnis an das einnahmenträchtige
Popcornpublikum. Der Verweis, solch eine rasante Abfahrt inklusive
Granatwerfer-Biathlon sei doch nunmal ein "typischer Traum" ist doch
recht einfach und passt so gar nicht in die sonstige, durchkalkulierte und
unpersönliche Traumarchitektur. Natürlich, es gibt formell nichts zu
beklagen an der Explosionsfront, technisch ist das alles einwandfrei -
aber es berührt mich zu keinem Zeitpunkt. Da wären zum einen die Träume
selber, die eindeutig die Handschrift Nolans tragen - nämlich die eines
kalkulierenden Technokraten. Es ist diese klinische Perfektion, die
akribische Planung der ganzen Traumwelt, die jeglichen emotionalen
Zugang zu ihr verbaut - ein paar lieblose Physik- und
Schwerkraftsspielereien ist das Maximum an Möglichkeiten im nolanschen
Kosmos. Dieses Konzept der Sterilität mag bei The Dark Knight funktioniert haben, aber nicht hier, wo der Dreh- und Angelpunkt doch
letztendlich die Fantasie und das Unterbewusstsein sind. Die surrealen
Einschübe kommen da ähnlich galant um die Ecke, wie der Güterzug, der
sie darstellen soll.
Zum anderen sind es die Akteure, die sich innerhalb des
Traumkonstrukts bewegen: Es gibt keinen emotionale Bindung zu ihnen;
genau wie die Traumwelten begegnen sie einem seltsam kalt, distanziert
und trotz (langweiligem und pathetischen) Liebesgedöns komplett
asexuell. Durch dieses Defizit bei den Figuren kommt es auch dazu, dass
sich keinerlei wirkliche Dramatik entwickelt: Da kann der Score noch so
laut rumdonnern und noch soviel Kameratrickserei auf dem Schirm zu sehen
sein - solange mir die Figuren herzlich egal sind, solange stellt sich
auch kein Gefühl des Mitfieberns ein, zumal es bei DiCaprio reichlich
Parallelen zu seiner - auch nicht gerade vor Kreativität strotzenden -
Rolle in Scorseses Shutter Island gibt.
Ich habe lange überlegt, welche Punktzahl denn Inception nun schlussendlich angemessen ist: Zum einen mag der Film für Leute mit überdurchschnittlichen Hang zur Interpretation vielleicht die eine oder andere Ebene offenbaren, über die er glücklich ist und die höhere Wertungssphären rechtfertigt. Wer dieser Vorliebe jedoch nicht frönt (was herzlich wenig mit dem Verständnis des Films als solches zu tun hat - nur um diesem Vorwurf vorzubeugen), der bekommt klinisch-perfektes Actionkino neuerer Bauart. Für zweitere Gattung gilt: Man kann sich Inception ansehen, aber ich wüsste wirklich nicht, was einem fehlen würde, wenn man es nicht täte.
Den Originalkommentar findet ihr übrigens hier.