In Hollywood weiß niemand wieso, weshalb, warum

08.09.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Ratlose Bänker in Der große Crash - Margin Call
Koch Media
Ratlose Bänker in Der große Crash - Margin Call
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Vor gut 30 Jahren prägte der berühmte Drehbuchautor William Goldman die goldene Regel, dass niemand in Hollywood vorhersagen könne, ob ein Film einschlägt oder nicht, denn “nobody knows anything”. Ist das Filmgeschäft noch immer so unberechenbar wie damals?

Im Oktober 2003 erschien in den USA ein Spielfilm über eine junge, aufstrebende Filmemacherin, die feststellen muss, dass niemand in Hollywood eine Ahnung hat, wie man einen erfolgreichen Film produziert. Was die junge Frau auch versucht und wen immer sie auch um Rat fragt, sie kommt einfach nicht hinter das Erfolgs-Geheimnis der Traumfabrik. Und so lautet irgendwann ihre Einsicht Nobody Knows Anything, was passenderweise auch der Titel dieses Films ist. Neu war und ist diese Erkenntnis natürlich nicht. Schon im Jahr 1983 erklärte der berühmte Drehbuchautor und Hollywood-Insider William Goldman (Butch Cassidy und Sundance Kid - Zwei BanditenDie Unbestechlichen) in seinem Buch Adventures in the Screen Trade, dass niemand in Hollywood vorhersagen könne, ob ein Film beim Publikum ankommt oder nicht. “Nobody knows anything" laute deshalb die erste Regel in Hollywood, denn bei jeder noch so fundierten Prognose würde es sich im Endeffekt um eine reine Vermutung handeln.

Marketing-Maschinerie und Strategien

In Anbetracht des ungeheuren Aufwands, den Hollywood seit Jahrzehnten betreibt, um Erfolge planbar zu machen, wäre es nicht auszuschließen, dass das Filmgeschäft heutzutage nicht mehr so unberechenbar ist wie damals. Schließlich gehören mehrmalige Testvorführungen, kostenintensive und gezielte Nachbearbeitungen am Produkt, breite Umfragen und ein ausgefeiltes Zielgruppen-Marketing mittlerweile zum Standardprogramm im Vorlauf vieler Filme. Dennoch scheint das große Geheimnis noch immer nicht gelüftet zu sein. 15 Prozent weniger Geld als im Vorjahr haben die US-Produktionen in diesem Jahr in den USA eingespielt. (Quelle ) Obwohl Hollywood penibel darauf geachtet hat, in vermeintlich sicheren Gewässern zu fahren (überwiegend Bestseller-Verfilmungen, Neuauflagen beliebter TV-Serien und Filme (Reboots), Franchise-Produktionen (Sequels und Prequels), kaum Filme im mittleren Budget, die also über 25 und weniger als 100 Millionen Dollar gekostet haben). Das zeigt, dass abgesehen vom Bankwesen in Hollywood wie sonstwo der solide Grundsatz gilt: Ein Business, in dem Vermutungen die Grundlage für alles Geschäftliche darstellen, und wo dennoch mit riesigen Summen hantiert wird, darf sich nicht allzu sehr aufs Risiko verlassen. Die Gefahr, durch ein Wundertüten-Projekt bankrott zu gehen, ist einfach zu groß. Nicht zuletzt aus diesem Grund vertraut die Mehrheit der Entscheidungsträger in Hollywood auf "Bewährtes", wie auf die Formel "Comic, Action, Abenteuer" (© Limit) und viel vereinte Star-Power.

Blick hinter die Kulissen 

Im Laufe der Zeit haben sich viele Köpfe mit den wirtschaftlichen Mechanismen in Hollywood auseinandergesetzt. Darunter auch der Anthropologe Scott Frank, der behauptet: Hinter den Kulissen würde Unsicherheit das Geschehen bestimmen, was bei allen Beteiligten zu einer ausgeprägten inneren Unruhe bzw. Angst führe. (Quelle ) Da behaupte noch einmal jemand, das Geschäftsgebaren Hollywoods sei der langweilige und dröge Teil des Ganzen. In Wahrheit spielen sich dort vermutlich eindrucksvolle Dramen ab, Irrungen und Wirrungen, die es mit denen auf der Leinwand locker aufnehmen können. Dazu müssen wir uns nur vergegenwärtigen, dass Geschichten über Menschen, die keine Ahnung davon haben, was gerade um sie herum passiert, im Kino oft zu fesseln wissen. Zuletzt konnte das Finanzkrise-Drama Der große Crash - Margin Call uns eine Vorstellung davon vermitteln, wie Menschen gemeinsam an einem runden Tisch sitzen, verunsichert und ratlos dreinblicken, und sich beim besten Willen nicht erklären können, wie sie in solch eine schwierige und bedrohliche Lage hineingeraten sind. 

Gut möglich, dass 2012 und 2013 im Büro des Disney-Vorstandes die Leute ähnlich zusammengesessen haben, um die spektakulären Flops John Carter - Zwischen zwei Welten und Lone Ranger zu diskutieren, die einigen im Betrieb letztlich den gut bezahlten Job gekostet haben. Manche von ihnen werden sich bestimmt noch immer fragen, wieso ein Reboot einer beliebten amerikanischen TV-Serie (Der Lone Ranger) mit einem verkleideten Johnny Depp in der Hauptrolle (Kassenschlager-Vorbild Fluch der Karibik), gerade mal 260 Mio Dollar (215 Mio Dollar Budget) weltweit in die Kassen spülte. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Film wie Gravity (in dem George Clooney und Sandra Bullock nur "lost in space" und in 3D, ums nackte Überleben kämpfen) im gleichen Jahr weltweit über 700 Mio Dollar eingespielt hat. (Quelle )

Ernüchternder Ausblick

Auch wenn das gesamte Business sich darüber geschlossen am Kopf kratzen mag, sollten wir wahrscheinlich nicht erwarten, dass nun versucht wird, die "rätselhafte" Erfolgsformel von Gravity zu kopieren. Wo würde das denn hinführen? Brad Pitt und Cate Blanchett (die als Paar bereits in Babel zu überzeugen wussten) irren und dursten gemeinsam durch die Wüste Gobi? Oder durch die Arktis? Das wäre vielleicht noch vorstellbar und bei weitem nicht so abwegig und riskant, wie einen unbekannten Schauspieler und einen animierten Tiger allein in einem Boot auf hohe See zu schicken (Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger: 600 Mio). Oder noch schlimmer: Tom Hanks verschollen auf einer einsamen Insel (Cast Away - Verschollen: 430 Mio). Im Ernst, wer sollte sich für solche dramatischen Erzähl-Situationen interessieren, vor allem wenn sie gut gemacht sind? Nein, da fehlt es schlicht an Schutt und Asche, Zerstörungswut und vor allem kostümierten Selbstdarstellern. Auf diese Dinge ist im Kino zumindest im Ansatz noch Verlass.

Welche Szenen fallen euch noch zum Thema Ratlosigkeit in Kino ein?

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