Hör auf zu betteln, Danish Girl!

30.01.2016 - 09:11 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Can you at least try?
Universal Pictures/moviepilot
Can you at least try?
K
22
44
Ein Film, der groß und mutig hätte sein können, und dann am Ende doch einfach nur schön ist. Und wenn ein Kommentar viel radikaler ist, als der Film zu dem er geschrieben wurde, dann reicht "schön" einfach nicht aus...

Im Kommentar der Woche stellen wir euch jede Woche einen besonderen Kommentar vor, der uns von einer von euch nominiert wurde. Besonders, weil er persönlich ist; besonders, weil er euch etwas bedeutet; besonders, weil er euch zum Lachen gebracht hat - oder besonders, weil er so viel besser ist, als der Film, zu dem er geschrieben wurde. Wenn euch so ein Kommentar irgendwo auf moviepilot oder gamespilot auffällt, dann sagt unbedingt sciencefiction oder Kängufant Bescheid und nominiert ihn!

Der Kommentar der Woche
Manche Filme sollten besser von Leuten gemacht werden, die auch den Arsch in der Hose haben, das Thema angemessen umzusetzen - und nicht einfach nur auf den Oscar schielen, denn den hätte eher Jenny von T für ihren Kommentar zu The Danish Girl verdient, als der Film selbst...

(M)eine kleine Vorgeschichte zum Einstieg:
Ich bin zwar anatomisch eine Frau, doch innerlich fühle ich mich zu etwa 80% als Mann. Schon als 5-Jährige habe ich geplärrt und wild um mich getreten, wenn es hieß, ich solle zu bestimmten Anlässen ein Kleid tragen. Immer allerdings bin ich gegen meine Eltern als Sieger hervorgegangen und durfte schließlich doch eine Hose anziehen. Das Geburtstagsgeschenk, über das ich mich in meinem Leben bislang am meisten freute, war wahrscheinlich das Manchester United-Trikot mit der Rückennummer 7 zu meinem 13.. Im Winter stülpte ich es eben einfach über einen Pullover drüber, da kannte ich keine Grenzen.
17 Jahre später: Noch immer bin ich Fußball-begeistert und noch immer hatte ich kein Kleid an mir. Ich besitze 4 Paar Schuhe (oder waren's doch nur 3?), verabscheue (Designer-)Mode ebenso wie Make-up und Handcremes. Ich habe nicht einmal eine Handtasche, in welche ich den ganzen Schnodder hineintun könnte. Im Bad benötige ich 20 Minuten, Duschen mit eingerechnet. In zu engen Klamotten komme ich mir eingequetscht und tatsächlich irgendwie "impotent" vor. Und wer mich nur deshalb mag, weil ich geschminkt bin und darüber hinaus nichts Nobles an mir entdeckt, kann mir von Anfang an gestohlen bleiben. Ich mache mich für niemanden schön – entweder *bin* ich es, oder eben nicht. Meine Position mag radikal klingen, aber ich vermute, es hat mir schon so manch oberflächliche (und somit ärgerliche) Begegnung erspart.
Natürlich habe ich auch eine feminine Seite. Da wäre zum Beispiel meine gelegentliche Schwäche für kitschige Liebesfilme, 90er Jahre-Powerballaden oder Robert Redford. "Entgegen" meiner androgynen Erscheinung bin ich heterosexuell. Nimmt man es wirklich ganz genau und wertet gemäß meinem inneren Befinden, wäre ich nach dem Gesagten eigentlich (zu 80%) schwul, so absurd es zunächst vielleicht klingt. Dabei fühle ich mich – um die Verwirrung zu komplettieren - nicht einmal unbedingt unwohl in meinem Körper. Ich trage bloß ausgeprägte maskuline Züge an mir, für die ich gerne akzeptiert werden würde.
Dies zeigt, wie komplex bzw. fließend sich Geschlecht und Sexualität im Einzelfall verhalten können. Manchmal frage ich mich, warum wir überhaupt in strikten (Klischee-)Kategorien wie "männlich" und "weiblich" denken und urteilen müssen, denn wohl niemand (außer Chuck Norris) erfüllt "seine" eindeutig zu 100%. Es schafft unnötig Probleme. Aus nicht zuletzt eigener Erfahrung schließe ich des Weiteren: Das (soziale) Geschlecht ist nichts, das man sich, etwa aus einer Laune heraus, aussucht - als Kind war ich ja auch noch gar nicht imstande, über so etwas bewusst zu reflektieren. Ich mochte einfach keine Barbie-Puppen. End of Story.

Auf THE DANISH GIRL hatte ich mich gefreut, birgt der Film doch ungemeines Potenzial. Das fertige Ergebnis ist jedoch eine einzige, kaum ernstzunehmende Enttäuschung, die – vor lauter Anbiederung - ihre guten Absichten leichtfertig und fast schon dümmlich konterkariert.
Die künstliche Abruptheit, mit der die Hauptfigur beginnt, ihre Identität zu hinterfragen, mag noch einer verunglückten dramaturgischen Verdichtung geschuldet sein – problematisch wird es aber spätestens, sobald der Film beginnt, Einar Wegener und Lili Elbe als zwei verschiedene Persönlichkeiten darzustellen und für den Zuschauer somit nicht weniger als eine Schizophrenie (also eine Geisteskrankheit!) anzudeuten. Dass Transsexualität dies jedoch gerade nicht ist, sollte jedem einigermaßen aufgeklärten Menschen klar sein. Zum Haare Raufen!
Die auf sämtlichen Ebenen kleinmütige Inszenierung sowie die falschen, da spürbar aufgepfropften Emotionen stellen hier wahrlich noch das geringste Problem dar und es stimmt mich traurig, wie der stilsichere Tom Hooper so tief fallen konnte.
Und als ob das nicht genug wäre, strapazierte obendrein Oscar-Preisträger Eddie Redmayne meine Nerven bis zum Anschlag. Seine Gesichtszuckungen, seine bebende Unterlippe und sein "anmutiges" Lächeln sind nach spätestens einer Stunde Laufzeit nicht mehr auszuhalten. Wer so penetrant bettelt, erhält von mir rein gar nichts.
Überhaupt wurde jegliche Uneindeutigkeit und Spannung (die daneben ja auch die Liebesgeschichte mit sich bringt!) mit dem Biederhammer platt gewälzt, um dem Publikum eine Einfachheit vorzugaukeln, die - wie oben ausgeführt - speziell im Rahmen dieser Thematik nicht existiert. Damit ist Hooper auch nicht etwa "interessant gescheitert", denn das würde immerhin bedeuten, dass er etwas riskiert hat – und THE DANISH GIRL ist vermutlich sogar noch weitaus weniger als egal.

Den Originalkommentar findet ihr hier.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News