Hitchcock im Berliner Tatort

25.05.2010 - 07:00 Uhr
Frau Wernicke lugt durchs Fenster
ARD
Frau Wernicke lugt durchs Fenster
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Das Fenster zum Hof von Alfred Hitchcock diente den Machern des gestrigen Tatorts als Aufhänger, um eine Neuköllner Nachbarschaftsgeschichte zu erzählen. War das Konzept erfolgreich?

Dass Alfred Hitchcock die deutsche Hauptstadt bewunderte, wissen zumindest die Berliner. Mehrfach befand sich der wohl größte Thriller-Regisseur aller Zeiten in Berlin und holte sich vielleicht auch die ein oder andere Inspiration in der geschichtsträchtigen Stadt ab. Das Erste kehrte gestern den Spieß um und adaptierte gewissermaßen Hitchcocks Kammerspiel Das Fenster zum Hof im Tatort: Hitchcock und Frau Wernicke. Diese im Grunde amüsante Idee unterhielt dann jedoch nur 30 Minuten lang, um in den restlichen 60 jeden Tatort-Fan zum Einschlafen zu bringen.

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Wer den gestrigen Tatort geschätzt hat, ist wahrscheinlich schon lange Fan der Berliner Reihe. Für all jene, die bislang der Berliner Touch vielleicht noch vor die Glotze gezogen hat, stellte sich die Hitchcock-Adaption als langgestreckter Gähneffekt dar. Alleine das kongeniale Duo Boris Aljinovic und Dominic Raacke genügte diesmal leider nicht, um dem Krimifan 90 Minuten Spannung am Sonntagabend zu bieten. Was als charmanter Anzünder diente, konnte keinen ganzen Kriminalfall füllen, zumal die Macher sich nicht trauten, den Tatort: Hitchcock und Frau Wernicke als kompronissloses Kammerspiel zu inszenieren. Immer wieder blickte die Kamera nach draußen, streifte leicht den Flirt zwischen Kommissar Felix Stark und Wernickes Krankenschwester oder zeigte kurz dessen Konflikt mit seinem pubertierenden Sohn. Keine Ausstrecken nach einer Nebenhandlung wurde leider weiterverfolgt und verlor sich stets im Winde. Schade.

Ob Weinhändler Benkelmann (Hans-Jochen Wagner) nun tatsächlich seine depressive Frau im Badezimmer zermetzelt hat oder die senile Dame zuviel Hitchcock im Kopf hatte, interessierte schlussendlich keinen mehr wirklich. Fast schon hätte man sich gewünscht, der Altmeister zeige sich auch im Berliner Tatort in einem seiner schelmischen Cameos. Aber nichts passierte. Wir beobachteten einen aufgebrachten Menschen, der auf und ab lief, telefonierte und Vorhänge aufhängte. Eine alte Dame verschwand in die Wohnung ihrer Krankenschwester – nur die beiden Kommissare schienen dies nicht zu kapieren. Am Ende stellte sich heraus, dass wir öfter älteren Menschen Vertrauen schenken sollten: Der fiese Benkelmann hatte tatsächlich seine Frau zersägt, die Leichenteile transportierte dann seine Geliebte in einem Kühltransporter und verstreute sie in Portugal, damit die Frau als Opfer eines portugiesischen Serienkillers gölte. Befriedigen konnte dies aber nicht wirklich: Was in einem echten Hitchcock ein James Stewart zum puren Genuss machte, wurde im Tatort durch hölzerne Dialoge ersetzt. Das zentrale Thema des Voyeurismus unter Nachbarn wurde nicht ironisch verarbeitet, das einzige zweite Fenster zeigte eine überstrapazierte Großfamilie…

Unterm Strich war die Hitchcock-Eskapade dann leider doch zu unkreativ, um als außergewöhnlicher Krimifall in Erinnerung zu bleiben.

Und wie fandet ihr den Tatort: Hitchcock und Frau Wernicke?

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