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Hayao Miyazaki - Ein Umbruch

05.01.2016 - 09:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Hayao Miyazaki
Toho Company
Hayao Miyazaki
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Vom Idealisten zum Realisten

Happy Birthday, Hayao Miyazaki und Danke, denn in Wirklichkeit sind wir die Beschenkten.
Wir blicken zurück auf seine Arbeit und seine Filme mit Dankbarkeit und ein bisschen Herzschmerz. Doch Zeiten ändern dich, wie wir auch an ihm erkennen müssen.

Hayao Miyazaki ist ein Magier, ein Künstler, der uns durch seine Filme in seine Welt mitnimmt.
So war es für mich immer schon, seit ich zum ersten Mal einen seiner Filme gesehen habe.
Wir träumten uns ins Zauberland, wir reisten im Katzenbus, wir flogen auf Kikis Besen über die Dächer der Städte, wir lebten mit Hauro in seinem wandelnden Schloss. Seine Fantasie, sein Idealismus schien grenzenlos und wir waren und wir sind ihm immer noch dankbar, dass wir seine Gäste sein durften, dass wir teilhaben konnten an diesen Welten. Und einen Aspekt betont er immer wieder: Es gibt kein Gut und Böse.


Jede Seite hat ihre Gründe, er betont dies schon in Prinzessin Mononoke (Link).
In Das wandelnde Schloss, einer Welt in der Krieg herrscht, ist es ähnlich.
Der Krieg ist das schlechte, nicht der Mensch. Miyazaki stellt dar, er bezieht keine Seite.
Es ist meist nicht mehr als Unwissenheit, Naivität, Arroganz oder Angst.

The villains are all parts of me. For years I've been wondering what it would be like if all those negative elements were forced onto the main character's side. I can understand a character with that kind of anger.*


Er zeigt uns die Welt durch seine Augen. Er ist der Filter, er ist das Fenster, das versucht uns genauer hinsehen zu lassen, unsere Perspektive zu verändern, einen Schritt nach hinten zu treten.


Der gesichtslose Krieg

Doch in Miyazakis letztem Film Wie der Wind sich hebt aus dem Jahr 2013 ändert sich etwas. Die Fukushima-Katastrophe 2011 hatte verheerende Folgen für das Land und die Japaner selbst, so auch für Miyazaki. Er selbst ist ein Atomkraftgegner und Pazifist, doch all seine Versuche waren vergebens.
Die Gefahr, dass ebenso eine Katastrophe in Japan passiert, ist tief in der Japanischen Kultur verankert. Sie verarbeiten die Vergangenheit und die drohende Selbstzerstörung der Menschheit, die unumgänglich scheint. Gerade Medien wie Mangas und Animes thematisieren nicht umsonst oft eine dystopische oder post-apokalyptische Zukunft
(Akira, Ghost in the Shell, Ergo Proxy, Neon Genesis Evangelion, Nausicaä - Prinzessin aus dem Tal der Winde, Attack on Titan u.v.m.).

Der Film Wie der Wind sich hebt ist eine fiktive Biographie und handelt von Jiro Horikoshi , einem Flugzeugkonstrukteur, dem Designer der Mitsubishi A6M und der Mitsubishi A6M Zero, die im zweiten Weltkrieg von Japan eingesetzt wurden. Zu Beginn sieht man Horikoshi als kleinen Jungen mit einem Traum:
dem Traum vom Fliegen.

The Wind rises

Sein ganzes Leben lang lernt er, arbeitet er darauf hin, sein eigenes Flugzeug zu bauen. Doch dieses Gute wird zu etwas genutzt, was außerhalb seiner Macht liegt. Sein Flugzeug wird zum Bomber, zur Todesmaschine. Sein wahr gewordener Traum verwandelt sich zu etwas Zerstörerischem. Das Böse ist damit vielleicht körperlos, aber es existiert.
Als musste es so kommen.

Miyazaki zeigt uns durch diesen Film diese Seite des Krieges und auch die Situation Japans. Vielleicht scheint es so, als ob Miyazaki seine Hoffnung in diesen Jahren verloren hat, jedenfalls wenn man, wie in diesem Film dargestellt, sieht, dass, egal, wie gut man etwas meint, egal, was man in diese Welt bringt, es immer zu schlechten Zwecken missbraucht werden kann.
Am Anfang stand nur ein kleiner Junge mit einem Traum.

In der Dokumentation The Kingdom of Dreams and Madness aus dem Jahr 2013 kann man Miyazaki und dem Studio Ghibli während der Entstehung seines letzten Films über die Schulter gucken. Und wenn man diesen kleinen Mann mit weißem Bart und seinem Malkittel sieht, dann ist er doch auch genau so, wie man sich ihn vorgestellt hat: ein Künstler, ein herzensguter, älterer Herr, der nichts mehr liebt, als die Magie dieser Welt, ihre Schönheit. Die Welt, die er sieht oder viel mehr sah, ist eine Welt, die für die meisten von uns nicht mehr existiert oder vielleicht nie existiert hat.
Doch etwas hat ihn verändert, was man Wie der Wind sich hebt anmerkt.


Hayao Miyazaki bei der Arbeit

Miyazaki scheint sich selbst in einer ähnlichen Position wie Horikoshi zu sehen. Er sagt von sich selbst, dass er nicht mehr ins 21. Jahrhundert passt, sondern ein Mann des 20. Jahrhunderts ist.

I’m a man of the 20th century, I don't want to deal with the 21st.*

Er wirkt in sich gekehrter, müder, als sei er von der Welt enttäuscht worden. Jeder seiner Versuche, ein Unglück zu verhindern, die Menschen zum Umdenken zu bewegen, eine Katastrophe zu stoppen, bevor es zu spät ist, sind gescheitert.
Er ist gescheitert.
Denn egal, wie gut man es meint, egal, was man in diese Welt bringt:
Es hat keinen Einfluss, es hat keinen Zweck.

The future is clear: it's going to fall apart," he says. "I can already see it. What's the use worrying? It's inevitable.*

Die Erkenntnis, dass ein Mensch, der seine Filme, seine Welten, die voller Hoffnung stecken, gespickt mit Schönheit und Zauber, zwar diese Schönheit noch sieht, sich jedoch eingesteht, dass diese vergänglich und man am Ende doch machtlos sei, sticht dem Zuschauer, sticht mir ein tiefes Loch ins Herz.
Wie konnte die Welt ihn so enttäuschen? Wie kann er einfach aufgeben?

Doch selbst, wenn er sich geändert hat, selbst wenn er die Hoffnung aufgibt, haben wir die zeitlosen Zeugnisse seines Idealismus: seine Meisterwerke, die uns vielleicht inspirieren, die uns Hoffnung schenken können, die uns klar machen, dass es nie zu spät ist, die uns den Zauber der Welt offenbaren und uns Mut geben, den Mut, den seine Figuren immer wieder aufbringen, um das Richtige zu tun und sich allen Hindernissen zu stellen.
Diese Werke sind zeitlos.


(Untertitel anklicken!)


Die Schönheit, die Magie. Sie existieren. Er sieht sie noch. Wir können sie auch sehen. Und es ist nicht zu spät. Und vielleicht können wir noch auf einen letzten Film von Miyazaki hoffen, selbst wenn dieser nie wieder so sein kann, wie seinen früheren, ist er doch inzwischen selbst nicht mehr so wie früher.

Yet, even amidst the hatred and carnage, life is still worth living. It is possible for wonderful encounters and beautiful things to exist.*



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