Harry Potter im Blutrausch: Daniel Radcliffe ballert sich durch Guns Akimbo

08.10.2019 - 13:25 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
Daniel Radcliffe in Guns Akimbo
Altitude Film Entertainment
Daniel Radcliffe in Guns Akimbo
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Harry Potter-Star Daniel Radcliffe hat sein Crank gedreht mit Guns Akimbo, einer rasanten Actionkomödie, in der ihm Knarren an die Hände genagelt werden. Samara Weaving macht Jagd auf ihn.

Daniel Radcliffe ist der Chev Chelios der Millennial-Generation in Guns Akimbo, auch wenn der frühere Star aus Harry Potter in seinem neuen Film leider keinen Sex auf einer gut besuchten Pferderennbahn hat. In die Fußstapfen von Jason Statham aus Crank tritt ein Geek im Bademantel, der in seiner Freizeit wütende Kommentare schreibt und in guten Nächten höchstens seinen Controller stimuliert.

Bis er mit einem schmerzhaften Körper-Upgrade erwacht: Daniel Radcliffes Held werden in Guns Akimbo nämlich Waffen an die Hände genagelt. Fortan kann er kaum allein aufs Klo gehen, aber dafür in Sekundenschnelle eine seiner 100 Kugeln abschießen.

Mit Samara Weaving als rücksichtslose Killerin auf seinen Fersen beginnt eine blutige Online-Menschenjagd. Was deutlich düsterer klingt, als es ist. Guns Akimbo zwingt einem den Spaß nämlich mit der filmischen Waffe gegen die Schläfe auf. Dabei ist nichts im Film so lustig wie das Meme, das er vor einem Jahr produziert hat.

Harry Potter-Star Daniel Radcliffe wird wegen Guns Akimbo zum Meme

Im Mai 2018 schenkte uns das zauberhafte Filmgeschäft Bilder Radcliffe in Unterwäsche und Bademantel mitten auf einer neuseeländischen Straße. Darauf wedelt er mit zwei Waffen. Nicht zu vergessen: die plüschigen Tigertatzen-Hausschuhe an seinen Füßen. Erwartungsgemäß sah Radcliffe weniger wie ein cooler Actionheld aus, sondern eher wie Harry Potter, der keine Ahnung hat, wie man den Feuerblitz 3000 anlässt.

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Die Bilder verschafften dem Internet eine Verschnaufpause kurz vor der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle. Radcliffe reihte sich ein in die mittlerweile lange Geschichte memefizierter Stars, darunter die stolpernde Scarlett Johansson am Set von Under the Skin und der traurige Keanu Reeves auf der Parkbank.

Ein beinahe poetischer Bogen schließt sich dank der Tatsache, dass Guns Akimbo eine zugespitzte Internet-Kultur zeigt. Radcliffes Miles trauert seiner Ex hinterher, als er sich eines Nachts mit einem Vorrat Bierdosen daran macht, seine Wut in einer Kommentarspalte abzulassen.

Guns Akimbo

Unglücklicherweise wählt er dafür das Online-Spiel Skism, in dem man zusehen kann, wie die Teilnehmer sich die Schädel einschlagen oder abknallen. In der Realität, wohlgemerkt. Herzchen und Emojis strömen über den Bildschirm, je mehr Blut fließt. Schon bald stehen Vertreter von Skism in Miles Wohnung. Statt Funkos zu tauschen, nageln sie ihm Schusswaffen an die Finger. Sein persönliches Running Man-Remake hat begonnen.

Daniel Radcliffe muss Samara Weaving killen in Guns Akimbo

Warum ausgerechnet der unerfahrene Miles in den Todeskampf mit Skism-Königin Nix (Samara Weaving) gezwungen wird, ist in Guns Akimbo ebenso Nebensache wie die allgemeine Verrohung, die den Erfolg des Spiels ermöglicht. Das "World Building" hat in etwa die Tiefe eines 14-Jährigen, der Nietzsche bei brainyquote.com entdeckt hat.

Das zynische Weltbild von Guns Akimbo stellt sich als Vorwand heraus, um Daniel Radcliffe mit festgenagelten Waffen an den Fingerknochen in den Kampf zu schicken.

Was - zugegeben - genug sein kann für 90 Minuten Action, erst recht bei einer derart empfänglichen Zuschauerschaft wie beim Festival in Sitges. Hier wird nämlich bei jedem brutalen Kill geklatscht. Vor allem, wenn eine eiskalte Samara Weaving als Mischung aus dem T-1000 und Tank Girl durch die satten Farben des Films marschiert und alles niederschießt, was sich bewegt.

Daniel Radcliffe in Guns Akimbo

Beide Darsteller haben sich in den letzten Jahren im Genre-Bereich etabliert. In The Babysitter, Mayhem und jüngst Ready or Not findet sich Samara Weaving in Mord und Totschlag wieder. Entweder lernt sie fix die Regeln des Spiels - oder macht sie selbst. Hält Weaving eine Bazooka, dann schleicht sich eine wahnsinnige Konzentration in ihre Augen. Selbst wenn sie unfreiwillig im Gemetzel landet, scheint es, als sei ihr das Blut unter den Fingernägeln vorbestimmt.

Radcliffe wiederum wirft sich seit dem Ende von Harry Potter 2011 in das Genre-Äquivalent von Daniel Day-Lewis' Method Acting. Er trägt Hörner, kämpft im Dschungel ums Überleben, verbringt einen ganzen Film als furzender Leichnam und versucht in Guns Akimbo mit blutigen Waffen-Händen seinen Hosenstall zu öffnen.

Je größer das physische Hindernis, desto befreiter spielt Radcliffe auf. Deswegen wirkt er in Guns Akimbo wesentlich glaubhafter als etwa in der Undercover-Nazi-Story Imperium. In einer Romantic Comedy würde ich ihn trotzdem gerne wieder sehen. Wo bleibt sein Der seidene Faden?

Die Kamera ist der Star in der Actionkomödie

Radcliffe und Weaving sind bitter nötig in Guns Akimbo, der seine überbordende Inszenierung sonst nur mit platten Popkulturreferenzen und Gags füllen kann. Der wahre Star des Films von Jason Lei Howden (Deathgasm) ist die Kamera. Stefan Ciupek, der vorher mit Anthony Dod Mantle, Lars von Trier und Danny Boyle arbeitete, lässt den Kamerablick in Verfolgungsjagden sausen, kreisen und sich überschlagen.

Die teils radikalen Perspektiven rasen voraus und die konventionelle Story hält kaum Schritt. Guns Akimbo ist schließlich nur ein harmloser Verschnitt von Gamer oder Crank, geht die ästhetische Raserei in den Filmen von Neveldine/Taylor doch Hand in Hand mit Story und Figuren. Die vielen Liter Computer-Blut können den Sex auf der Pferderennbahn eben nicht ersetzen.

Samara Weaving in The Babysitter

Schwebt das Objektiv wie ein betrunkener Geist hinter Radcliffe her, dann lässt Gaspar Noé grüßen, mehr aber auch nicht. Enter the Void wäre jedenfalls ein treffenderer Titel für Guns Akimbo gewesen, in dem die stylische Inszenierung, Tempo und zwei hervorragend aufgelegte Stars darüber hinwegtäuschen, wie wenig der Film zu bieten hat.

Guns Akimbo ist nach Nerve und Assassination Nation ein weiterer jüngerer Film über den vom Internet getriebenen Blutrausch mit Social Media-Einschlag. Diese beiden nähern sich der Fixierung auf leuchtenden Displays von innen heraus an. Sie denken sich in die Nutzer hinein, bevor reale Menschen sterben.

Gerade neben Nerve von den beiden Paranormal Activity-Machern fällt das verschenkte Potenzial von Guns Akimbo auf. Der kreiert seine Welt gewissermaßen ausgehend vom Bild des Waffen wedelnden Pantoffeltigers. Heraus kommt eine schmale Perspektive, die nur auf Höchstgeschwindigkeit davon ablenken kann, wie wenig sie tatsächlich zeigt. Das Meme hätte genügt.

Was sagt ihr zu Daniel Radcliffes Karriere seit Harry Potter?

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