Hanebüchener Abenteuerstreifen beleidigt deutsches Kulturgut

02.04.2010 - 07:00 Uhr
Schillers Schädel wird zersägt
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Schillers Schädel wird zersägt
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Die Jagd nach der Heiligen Lanze sollte RTLs erfolgreichste Fernsehproduktion werden. Doch hielt der aufwändige Abenteuerstreifen wirklich ein, was er versprach?

Oh weh. Goethe würde sich im Grab umdrehen und Schiller gleich mit. Diesen Gedanken galt es zu vertreiben beim gestrigen RTL-Spektakel Die Jagd nach der Heiligen Lanze, um den Film einigermaßen ertragen zu können. Gelang dies, so bot sich dem Zuschauer ein zwar hanebüchener, aber aufwändig produzierter TV-Film, der streckenweise gute Unterhaltung bot.

Foto-Show: Die Jagd nach der Heiligen Lanze

Natürlich könnte man sich nun ausführlich darüber auslassen, wie haarsträubend unhistorisch, ja gar beleidigend dem deutschen Kulturgut gegenüber sich das Drehbuch der Heiligen Lanze entwickelte. Schlösser, Burgen, Preussen, Napoleon und Goethe – das RTL-Team ließ nichts aus, um die deutschlandweite Schnitzeljagd des Abenteuertrios spannend zu halten. Historizität und Verantwortung blieben dafür auf der Strecke: die Heilige Lanze ein Instrument zur Weltherrschaft, Goethe ein Hobbytüftler, der unterirdische Fallen zum Schutze der Lanze baut, Schillers Schädel durchsägt. Orte des deutschen Kulturguts, so die Walhalla und sogar das Brandenburger Tor in Berlin, wurden als Verstecke für Hinweise uminterpretiert. Die Schnitzeljagd bewegte sich auf ziemlich dünnem Eis – und geriet spätestens zur Farce, als das Trio die Lanze mitsamt Napoleons Beuteschatz direkt unterm Brandenburger Tor entdeckte. Selbstredend abgesichert durch weitere, tödliche, von Goethe konzipierten Fallen.

Ebenso flach wie das Drehbuch wirkten die Charaktere des RTL-Indiana-Jones-Verschnitts: Während Bettina Zimmermann in jeder Einstellung darauf bedacht war, Eleganz und Schönheit auszustrahlen (sich dadurch aber eine gekünstelte Aura verschaffte), verfolgte eine Art Lara Croft-Kampflesbe das Trio gemeinsam mit einem gescheitelten Fiesling in dunkler Tracht. Alles im Auftrag des von Jürgen Prochnow (Das Boot) gespielten schwerreichen Bösewichts. Teilweise ausgleichen konnten dies aber die perfekt gecasteten Kai Wiesinger als kühner Held – er ersetzte Benjamin Sadler aus dem ersten Teil – und Fabian Busch als flapsiger Archäologe Justus (die drei Fragezeichen ließen grüßen).

Eindeutiger Pluspunkt: die erhabene Musik . Während viele Fernsehproduktionen durch billige Klänge verhunzt werden, fand Komponist Klaus Badelt die richtige Tonlage für weite, aus dem Flugzeug aufgenommene Landschaftsaufnahmen und todesmutige Heldentaten. Das muss man dem Film schon lassen: Lust auf eine Wandertour durch Bayern hat man anschließend allemal. Nur ob sich nun die Passagiere der neu gebauten Berliner U55 nach Napoleons Schatzkammer umschauen werden, lassen wir lieber außen vor…

Was meint ihr: War Die Jagd nach der Heiligen Lanze ein guter Unterhaltungsfilm oder nervte euch ebenso das hanebüchene Drehbuch?

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