Gehen Disney die Ideen für originäre Animationsfilme aus?

01.12.2017 - 11:40 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Nur Fortsetzungen von Disney schaffen es in die Kinos
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Nur Fortsetzungen von Disney schaffen es in die Kinos
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Zum Kinostart des Pixar-Films Coco werfen wir einen kritischen Blick auf die kommenden Animationsfilme von Disney. Fallen Disney langsam keine innovativen Geschichten mehr ein?

Gestern kam mit dem Pixar-Film Coco nach einem Jahr endlich mal wieder ein originärer Animationsfilm aus dem Hause Disney in die deutschen Kinos, in dem der 12-jährige Miguel im Reich der Toten eine Familienzusammenführung der anderen Art erlebt. Schauen wir uns jedoch den Zeitplan der Walt Disney Studios in den nächsten Jahren an, merken wir schnell, dass sich der Fokus der Firma mittlerweile von Animationsfilmen weg zu anderen Projekten verschoben hat. Tatsächlich müssen wir diese sogar mit der Lupe suchen, zwischen all den Verfilmungen der Marvel-Comics, Streifen aus dem Star-Wars-Universum und dem neuen, trendigen Genre der Realverfilmungen von Zeichentrick-Klassikern. Bis 2019 kommen wir dabei auf genau fünf betitelte und mit Kinostart versehene Animations-Projekte, die allesamt Fortsetzungen von bereits bestehenden Disney- oder Pixar-Filmen sind. Gehen Disney etwa langsam die Ideen für grundlegend neue Animationsfilme aus?

So sieht der Zeitplan für Disney-Animationsfilme bis 2019 aus

Bisher gibt es nur fünf von den Walt Disney Studios Motion Pictures angekündigte Animationsfilme, die bereits einen mehr oder weniger festgesetzten Titel und ein deutsches Kinostartdatum haben. Dabei fällt sofort auf, dass alle diese zukünftigen Filme Fortsetzungen sind. Den Anfang macht Die Unglaublichen 2, der hierzulande am 27.09.2018 veröffentlicht wird. Am 24.01.2019 folgt Webcrasher: Chaos im Netz, die Fortsetzung von Ralph reicht's. Noch im selben Jahr können wir in Deutschland drei weitere Disney-Animationsfilme sehen: Am 13.06.2019 kommt ein noch nicht genauer spezifiziertes Projekt in die Kinos, wobei es sich vermutlich um Planes 3 handelt, vier Monate später, am 03.10.2019, dürfen sich Disney-Fans auf Toy Story 4 freuen, dicht gefolgt von Frozen 2, der am 28.11.2019 erscheint.

Wir fassen hier die Filme, die von den Pixar Animation Studios, den Walt Disney Animation Studios und den DisneyToon Studios produziert werden, unter dem Oberbegriff Disney zusammen. Von allen drei Seiten fehlt also anscheinend die Inspiration für neue Projekte mit originärem Ursprung. Dabei schnitten genau diese in den letzten Jahren doch eigentlich immer besser ab, oder?

Erste Teaser-Poster zu Toy Story 4, Ralph reicht's 2 und Die Unglaublichen 2

Die letzten Projekte von Disney in der Retrospektive

Die Tatsache, dass Disney in den nächsten Jahren anscheinend fast nur noch auf Fortsetzungen zählt, ist sehr schade. Schließlich wurden die originären Animationsfilme, die Disney und Pixar in den letzten Jahren ins Rennen schickten, von den Kritikern immer hochgelobt, und auch die Fans waren begeistert. Mit Ausnahme von Arlo & Spot, dem an der Kinokasse am wenigsten erfolgreichen Pixar-Film, wurden die eigenständigen Projekte in den letzten Jahren durchweg positiv bewertet. Baymax - Riesiges Robowabohu, Inside Out und Zoomania wurden 2014 bis 2016 sogar mit dem Oscar als Bester Animationsfilm ausgezeichnet. Die letzten beiden nahmen weit über 300 Millionen US-Dollar ein (via Box Office Mojo ). Auch Coco schoss seit mit dem Kinostart in den USA auf Platz eins der Box-Office-Charts und stieß die Comicverfilmung Justice League vom Thron. Eine Nominierung für den Oscar 2018 dürfte dem Pixar-Animationsfilm sicher sein.

Von den Fortsetzungen hat es in den vergangenen Jahren jedoch kein Disney-Film unter die Nominierten für den begehrten Goldjungen geschafft. Einzig Toy Story 3 fiel hier aus der Reihe und konnte den Academy Award 2010 sogar mit nach Hause nehmen. Eine Ausnahme von der Regel, für die es aber gute Gründe gibt: Zum einen war die Konkurrenz mit nur zwei weiteren Nominierten (Drachenzähmen leicht gemacht und Der Illusionist) im Gegensatz zu den sonstigen fünf Nominierungen in diesem Jahr kleiner als gewöhnlich. Zum anderen hält Toy Story 3 bis jetzt noch einen Score von 99 % bei Rotten Tomatoes  und kommt damit fast an den Vorgänger Toy Story 2 heran, der erst vor kurzem von Greta Gerwigs Lady Bird als Film mit dem besten Rotten Tomatoes-Score abgelöst wurde.

Selbst Findet Dorie, dem Sequel zu Findet Nemo, ist es dieses Jahr nicht gelungen, für den Oscar in Betracht gezogen zu werden, während Pixar-Animationsfilme mit neuen Geschichten wie Oben, Wall-E und Ratatouille in der Kategorie Bester Animationsfilm gewonnen haben. Warum also setzt Disney dennoch weiterhin auf einen mit Fortsetzungen gespickten Zeitplan?

Disney streicht autonome Projekte aus dem Terminkalender

Disney setzt in den nächsten Jahren nicht nur fast ausschließlich auf Fortsetzungen, vor Kurzem strichen die Walt Disney Studios auch den einzigen Film aus dem Programm, der auch nur ansatzweise eine originäre Geschichte erzählt hätte: Gigantic. Klar, die Geschichte von Jack und der Bohnenranke ist auch nicht unbedingt die neueste, trotzdem hatte Disney geplant, ihr seinen eigenen Stempel aufzudrücken, und sich eine andere Story rund um das Märchen ausgedacht. In ihrer Version wäre Jack spanisch gewesen, und der Film hätte sich zum Musical gewandelt, das im Zeitalter der Entdeckungen gespielt hätte. In den ersten Konzept-Bildern zu Gigantic war Jack an seiner Bohnenranke hinaufgeklettert und freundete sich über den Wolken mit einer Riesin an.

So sahen die ersten Entwürfe zu Gigantic aus

Im Oktober 2017 wurde der Animationsfilm, den Rapunzel-Regisseur Nathan Greno ursprünglich inszenieren sollte, abgesagt. Disney-Präsident Ed Catmull begründete das laut Variety  folgendermaßen:

Manchmal stellen wir fest, dass es einfach nicht funktioniert, egal, wie sehr man die Idee mag oder wie sehr sein Herz daran hängt. Mit Gigantic kamen wir an diesen Punkt, und auch wenn es eine schwierige Entscheidung ist, beenden wir jetzt jede weitere Entwicklung.

Im gleichen Atemzug kündigte Catmull an, dass sich der Fokus anstatt auf Gigantic auf einen anderen Film konzentrieren wird, der nun an Thanksgiving im Jahr 2020 starten soll. Genauere Infos zu diesem Projekt wurden allerdings noch nicht bekannt gegeben, und ob der Film eine neue Geschichte erzählen wird oder ein weiteres Sequel darstellt, ist noch unklar. Schließlich gäbe es noch so einige Filme, die noch ohne angekündigte Fortsetzung sind. Bei dem Erfolg von Zoomania und Vaiana hat Disney doch bestimmt schon längst weitere Geschichten um Häsin Judy Hopps im Kopf oder gibt Dwayne Johnson erneut die Chance, als Maui ein Liedchen zu trällern.

Mögliche Gründe für Disneys Sequel-Strategie

Ein naheliegender Grund, warum Disney mehr und mehr auf Sequels setzt, ist der Aufkauf der Marvel Studios und Lucasfilms. Diese beiden Studios leben mittlerweile ausschließlich von Fortsetzungen, Prequels und Spin-offs. Natürlich ist es auch schwierig für sie, sich außerhalb ihrer bereits bestehenden Universen auszutoben. Schließlich sind die Rahmenbedingungen durch die Comics und die Star Wars-Trilogien praktisch vorgegeben. Das Marvel Cinematic Universe und das Star Wars-Franchise fahren so aber auch eine sehr erfolgreiche Strategie, an die kaum ein anderes Studio heranreicht. Vielleicht haben sich die Animationsstudios von Walt Disney von diesem Fahrplan anstecken lassen und setzen deshalb lieber auf bekannte Marken, als ein unnötiges Risiko mit einer originären Story einzugehen.

Weiterhin geht es auch einer Firma wie Walt Disney natürlich um den Gewinn. Auch wenn John Lasseter, CCO der Walt Disney und Pixar Animation Studios, in einem Interview mit der New York Times  darauf hinwies, dass bei Pixar nur Fortsetzungen produziert werden, wenn wirklich eine Geschichte gefunden wird, die besser als das Original ist, oder zumindest an die ursprüngliche Story herankommt, ist das mit - zumindest bei den Fans - schlecht weggekommenen Filmen wie Cars 3 - Evolution nur schwer zu glauben. Insgesamt betrachtet, schafften es alle Fortsetzungen zumindest, Einnahmen weit über ihrem Budget zu erzielen, und sind nichtsdestotrotz weltweit erfolgreich. Auch müssen wir Disney hoch anrechnen, dass nicht jeder Animationsfilm durch ein Franchise ausgeschlachtet wird. 2016 berichtete Pixar-Präsident Jim Morris gegenüber Entertainment Weekly , dass beispielsweise mit Wall-E eine in sich geschlossene Liebesgeschichte erzählt wurde, die nicht weiter ausgebaut werden wird.

Wall-E bleibt eine in sich abgeschlossene Liebesgeschichte

Generell ist das Leben aber auch nicht nur schwarz und weiß. Sequels sind nicht immer schlecht (siehe Toy Story 3), und originäre Filme nicht immer gut (siehe Arlo & Spot). Natürlich kann Disney auch weiterhin seine Fan-Gemeinde mit Filmen wie Frozen 2 und Die Unglaublichen 2 erfreuen. Allerdings wäre es schön, wenn der zukünftige Terminkalender von Disney nicht völlig von Fortsetzungen dominiert wird, sondern auch wieder mehr neue Geschichten wie die von Inside Out und Coco eine Chance erhalten, in die Kinos zu kommen. Vielleicht könnte das zu Disneys gutem Vorsatz fürs neue Jahr werden.

Wünscht ihr euch auch mehr eigenständige Animationsfilme von Disney?

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