Flug des Phönix - Kaleidoskop menschlicher Natur

25.07.2011 - 08:50 Uhr
Aktion Lieblingsfilm: Flug des Phönix
Twentieth Century Fox/moviepilot
Aktion Lieblingsfilm: Flug des Phönix
0
18
Über die Jahre hinweg hat der Film Der Flug des Phönix einen unseren User begleitet und nie ganz losgelassen. Deshalb hat er uns einen Text zu seinem Lieblingsfilm geschickt.

Der Flug des Phönix aus dem Jahre 1965 ist einer jener Filme, der mich über die Jahre hinweg begleitet und nie ganz losgelassen hat. Erzählt wird die Geschichte eines dramatischen Flugzeugabsturzes in der nördlichen Sahara. Ohne Hoffnung auf Hilfe sind die Überlebenden gezwungen, einen anfänglich aussichtslos erscheinenden Plan in die Tat umzusetzen, um dem mörderischen Glutofen der Wüste zu entfliehen. Es stellt sich jedoch schon bald heraus, dass der Mensch des Menschen größter Feind ist.

Eigentlich neige ich nicht dazu, allzu euphorische Hymnen auf Filme zu schreiben. Aber es gibt Werke, bei denen nahezu alles passt und deren Faszination sich nur schwer in Worte fassen lässt. Solch ein Film ist Der Flug des Phönix. Einerseits besticht dieses Meisterwerk durch ein herausragendes Schauspielensemble, gespickt mit mehreren Oscar- und Golden Globe-Preisträgern (James Stewart, Peter Finch, Richard Attenborough, Ernest Borgnine, George Kennedy), und andererseits durch die exzellente Regie des Altmeisters Robert Aldrich (Vera Cruz, Ein Zug für zwei Halunken etc.). In Robert Aldrichs Œuvre tauchen auffallend oft Personen auf, die sich in existenziell bedrohlichen Situationen befinden. Aldrich seziert gekonnt ihre Verhaltensmuster und entlarvt punktgenau die „Bestie Mensch“, die zunächst noch in einem geschützten Kokon steckt, langsam entblättert wird und schließlich ihr wahres Gesicht zeigt. Wer etwa denkt nicht an „Engelsgesicht" Olivia de Havilland in Wiegenlied für eine Leiche, die eine perfide Intrige gegen die von Bette Davis gespielte Cousine spinnt oder aber an die Darstellung der ebenfalls von Bette Davis gespielten, titelgebenden Jane in Was geschah wirklich mit Baby Jane?, die ihre an den Rollstuhl gefesselte Schwester langsam in den Tod zu treiben versucht?

Der Flug des Phönix ist nur vordergründig betrachtet ein herkömmlicher Mix aus Abenteuerfilm und frühem Katastrophenfilm. Man kann ihn durchaus auch als geradlinigen „Männerfilm“ bezeichnen. Ja, ich würde ihn in der Tat als solchen betiteln, denn de facto spielt tatsächlich keine einzige Frau in diesem Film mit. Wer jetzt jedoch vermutet, der Film sei lediglich ein Lobgesang auf die „Welt der starken Männer“, sieht sich getäuscht, denn es kommen alle Spielarten des menschlichen Daseins, Stärken wie Schwächen, zum Vorschein. So gibt es etwa den Besserwisser, den Selbstgerechten, den Ängstlichen, den Mutigen, den Schwächling, den Zweifelnden oder den Verschlagenen. Ein heterogenes Sammelsurium, ein Kaleidoskop der menschlichen Natur.

Der Film besitzt zweifellos eine tiefenpsychologische Ebene, die das Werk erst zu etwas ganz Besonderem werden lässt. James Stewart spielt den ebenso erfahrenen wie engstirnigen Piloten Frank Towns, der das Traditionelle und die Ratio verkörpert und zunächst allem gegenüber kritisch eingestellt ist, das seinem festgefahrenen Weltbild widerspricht. Towns behält nach dem Flugzeugabsturz die Nerven, übernimmt die Führungsposition, teilt sorgsam die Wasserrationen unter den Überlebenden auf und denkt akribisch über die nächsten Schritte nach. Als Antagonist zu Towns fungiert Hardy Krüger in der Rolle des jungen, deutschen Flugzeugkonstrukteurs Heinrich Dorfmann, der die Vorgehensweise und das auf ihn antiquiert wirkende Verhalten von Towns in einem Anflug von jugendlicher Überheblichkeit belächelt, in Frage stellt und schließlich für obsolet erklärt. Den Lebenserfahrungen von Towns setzt er Technikaffinität und Wissen entgegen, mit denen er sich dem alternden Piloten überlegen fühlt.

Insofern verkörpert Dorfmann den Fortschritt, der mit alten Traditionen bricht und zu unbekannten Ufern aufbricht. Dieses neue Ufer ist der „Phoenix“, den Dorfmann, der sich mittlerweile als Flugzeugkonstrukteur zu erkennen gegeben hat, aus den Trümmern der alten Maschine bauen will. Unter den Männern keimt Hoffnung auf und auch Towns lässt sich trotz seiner Zweifel auf das Wagnis ein, eine neue Flugzeugkonstruktion zu erschaffen. Nachdem Towns jedoch herausgefunden hat, dass Dorfmann lediglich Modellflugzeuge gebaut hat, stellt er diesen zur Rede und verunglimpft dessen Konstruktionen als „Spielzeuge“. Tief gekränkt zieht sich Dorfmann zurück. Erst spät erkennen beide, dass sie aufeinander angewiesen sind und das Schicksal der Gruppe in ihrer beider Hände liegt. Zwischen diesen Charakteren steht der trunksüchtige Copilot Moran, gespielt von Sir Richard Attenborough, der als Vermittler in diesem Generationenkonflikt auftritt und sich schließlich als Schlüssel zur Rettung herauskristallisiert.

Der Flug des Phönix ist ein bemerkenswerter Film. Er bezieht seine Spannung vor allem aus dem nuancierten Spiel seiner Darsteller. Eine zentrale Frage des Films lautet: Wie verhält sich die Spezies Mensch, wenn sie sich in einer lebensbedrohlichen Situation befindet? Der Flug des Phönix liefert mögliche Antworten auf diese existenzielle Frage und zeigt eine Ansammlung unterschiedlichster Menschen, die fernab der Zivilisation wieder auf seine Urinstinkte zurückgeworfen werden und den Kampf ums nackte Überleben nur dann erfolgreich bestreiten können, wenn sie als Schicksalsgemeinschaft zusammenhalten. Während dieser Film also im Prinzip auch eine Parabel auf die menschliche Existenz ist, macht das 2004 inszenierte Remake den Fehler, die Charaktere nicht genügend auszuloten und auf simple Actionszenen zu setzen. Man kann also getrost auf das Remake verzichten und sich lieber ein weiteres Mal an den Vorzügen des großartigen Originals erfreuen.


Sollte der Text euer Gefallen finden und ihr möchtet ihn gern in der weiteren Auswahl für die Jury sehen, dann drückt bitte auf den Button “News gefällt mir” unter diesem Text. Wir zählen am Ende der Aktion Lieblingsfilm alle moviepilot-Likes zusammen.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News