Film-Tipp für alle Thriller-Fans: The Negotiator lohnt sich als packende Whistleblower-Geschichte

27.09.2025 - 21:16 UhrVor 19 Tagen aktualisiert
The Negotiator
Leonine
The Negotiator
0
0
Hell or High Water-Regisseur David Mackenzie meldet sich mit einem weiteren Thriller im Kino zurück. The Negotiator schildert eine packende und unerwartet berührende Whistleblower-Geschichte.

Zwei Männer treffen sich spätabends in einem Diner in New York. Die Lichter der Nacht verschwimmen im Hintergrund, strenge Blicke erzählen von der Ernsthaftigkeit des Geschehens. Ein mächtiger CEO trifft sich mit einem ehemaligen Mitarbeiter, der brisante Informationen über seinen Betrieb gesammelt hat. Der CEO will die Dokumente zurück und ist bereit, eine beträchtliche Summe für das Schweigen zu bezahlen.

Doch kann der Mitarbeiter dem korrupten Chef vertrauen? Nicht zuletzt hat dieser zuvor seine Handlanger zur Einschüchterung auf ihn gehetzt. An diesem Punkt kommt eine dritte Person ins Spiel, die sich etwas abseits im Diner positioniert hat und die Situation ohne das Wissen der beiden Männer aufmerksam observiert: Ash (Riz Ahmed), ein sogenannter Fixer, der zwischen Unternehmen und Whistleblowern vermittelt.

The Negotiator: Riz Ahmed und Lily James ziehen gegen eine mächtige Firma ins Gefecht

Bereits in der Eröffnungssequenz, die mit einer langen, sorgfältig aufgebauten Einstellung beginnt, legt Regisseur David Mackenzie den Ton von The Negotiator geschickt fest. Tiefer und tiefer tauchen wir in das Diner und damit in die heiklen Geheimnisse ein, die nicht ans Licht kommen sollen. Eine unheimliche Ruhe liegt über dieser Nacht, die dennoch von Nervosität auf beiden Seiten des Verhandlungstisches aufgeladen ist.

Obwohl es die Prämisse durchaus hergeben würde, entfaltet sich The Negotiator nicht als rastloser Action-Thriller, sondern als aufmerksames Beobachten von Details. Genauso präzise und elegant wie die Kamera in den ersten Minuten jedem Schritt von Victor Garber als freundlich-ekligen Firmenchef verfolgt, gräbt sich Mackenzies Inszenierung in Ashs Arbeitsprozesse, die von zahlreichen Regeln bestimmt werden.

Um anonym zu bleiben, nutzt er ein Telekommunikationsgerät für Gehörlose und einen Relay-Service, der seine Nachrichten für die Person am anderen Ende der Leitung vorliest. Er leitet Geld- und Informationsübergaben in die Wege und kümmert sich um die Absicherung seiner Klient:innen, damit diese von den mächtigen Firmen nicht über den Tisch gezogen werden. Eine unsichtbare Kraft, die Ordnung schafft.

Es dauert nicht lange, bis diese Ordnung ins Wanken gerät und Ash Kompromisse mit seinem komplexen Regelwerk eingehen muss. Auslöser ist der Anruf einer Frau namens Sarah (Lily James), die als Wissenschaftlerin für ein BioTech-Unternehmen arbeitet und von einer riesigen Vertuschungsaktion berichtet. Sarah bleibt nicht viel Zeit: Ein bewaffnetes Team, das von ihrer Firma engagiert wurde, hat sie im Visier.

The Negotiator stellt sich mit langweiligeren Prozessen gegen die Informationsflut des Digitalen

Fortan führen Wegwerfhandys und Codewörter durch die Handlung des Films, während sich Riz Ahmeds Figur in verschiedene Kostüme wirft, um nicht aufzufallen. Einerseits bleibt er bei der Kommunikation auf Distanz und nutzt alle vergessenen Tricks aus dem analogen Handbuch, um gegen den schnellen Informationsfluss einer digitalen Welt anzukämpfen. Andererseits findet er sich als überwachender Geist vor Ort ein.

Genauso heimlich, wie er anfangs den Austausch im Diner observiert, folgt er Sarah auf Schritt und Tritt, um sie vor den von Sam Worthington angeführten Widersachern zu beschützen. Mal spielt er diese durch bewusst gestreute Falschinformationen an einem Flughaufen aus, mal lotst er sie in die falsche Richtung auf dem Times Square – und überhaupt: Sobald Mackenzie New York erkundet, lebt der Film.

Das Katz-und-Maus-Spiel im Angesicht der überlebensgroßen Werbetafeln gehört zu den beeindruckendsten Sequenzen, die der Filmemacher im Lauf seiner Karriere auf die Leinwand gebracht hat – und dazu zählen u.a. der mitreißende Neo-Western-Thriller Hell or High Water und das epische Historien-Action-Drama Outlaw King. The Negotiator fällt zwar eine ganze Dimension kleiner aus, aber nicht weniger spannend.

Vom Kontrollverlust in den Menschenmassen am Times Square bis zu verlassenen Hinterhöfen in Newark: Mackenzie erzählt nicht nur von Kommunikation, sondern auch der Distanz, die zwischen den Menschen liegt, die miteinander reden, wenn sie überhaupt miteinander reden. In diesem Zuge verwandelt sich The Negotiator abseits der offensichtlichen Thrills in ein melancholisches Nachdenken über Einsamkeit.

David Mackenzies Thriller interessiert sich sehr für Prozesse, aber noch mehr für seine Figuren

Generell entschleunigt Mackenzie das rasende Informationskino der 2000er und 2010er Jahre, das u.a. durch die Jason Bourne-Filme befeuert wurde. Innerhalb von Minuten werden hier Kontrollräume eingerichtet und mit Tonaufnahmen sowie Videomaterial ausgestattet, das über unzählige Bildschirme flimmert. Analysen in Bruchteilen von Sekunden, Zugriffe in Echtzeit übertragen – überall und gleichzeitig.

Trotz seiner glänzenden Digitalbilder verschreibt sich The Negotiator rauen Paranoia-Thrillern der 1970er Jahre, geprägt von zermürbenden, minutiösen Überwachungen, wie sie Gene Hackman in Francis Ford Coppolas Meisterwerk Der Dialog in den Wahnsinn treiben. Auch Mackenzie ist ab einem gewissen Punkt mehr am verschlüsselten Innenleben der Figuren interessiert als der Enthüllungsgeschichte.

Jeder Prozess, den Mackenzie – basierend auf Justin Piaseckis Black-List-Script The Broke aus dem Jahr 2019 – millimetergenau abbildet, mündet früher oder später in einer Figur, die knifflige Entscheidungen treffen muss. Obwohl es anfangs so wirkt, als würden wir kühlen Profis (Riz Ahmeds Fixer vs. Sam Worthingtons Team) folgen, bringt der menschliche Faktor das geradlinige Konzept der Transaktionen durcheinander.

Die größte Regel, die Ash im Verlauf des Films bricht, hat nichts mit Sicherheitsprotokollen für explosive Leaks zu tun. Vielmehr geht es in The Negotiator um die Frage, wen Ash, der selbst eine tragische Hintergrundgeschichte mitbringt, an sich heranlässt. Er hat ein perfektes System geschaffen, in dem er komplett kontaktlos durch die Massen am Times Square streifen kann. Doch dann findet eine Berührung statt.

The Negotiator startet am 25. September 2025 in den deutschen Kinos.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News