Fear the Walking Dead - Wir schauen Staffel 3, Folge 11

19.09.2017 - 09:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Daniel: Erst schießen, dann fragen.
AMC
Daniel: Erst schießen, dann fragen.
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Während Gott und die Welt die Verleihung der diesjährigen Emmys geschaut haben, strahlte AMC eine der besten Folgen von Fear The Walking Dead in der Geschichte der Serie aus. Schade, dass kaum einer zuschaut.

Fear The Walking Dead war bis zum Start der 3. Staffel keine komplexe Serie. Das ist nicht weiter schlimm, die Mutterserie läuft in den gleichen Bahnen bereits seit sieben Jahren erfolgreich im Fernsehen. Punktuell waren hier und dort sicherlich interessante Ansätze vorhanden, vor allem bei dem Umgang mit den ersten Anzeichen der Apokalypse oder dem Niedergang der Zivilisation. Doch als die Serie die Flucht aufs offene Meer wagte und mit einer höheren Episodenzahl größere Ziele suchte, trieb sie plötzlich nur noch hilflos umher.

Die 3. Staffel markiert einen Einschnitt in der Serie. Plötzlich wurde Fear the Walking Dead tatsächlich komplex, die Konflikte wurden nuanciert dargestellt und in all ihren Feinheiten durchdacht, sodass der Ausgang – wenn auch blutig – durchaus neu war für dieses Universum. So neu sogar, dass einige alte Figuren wie Daniel oder Strand (Colman Domingo) zunächst einmal zur Seite geschoben wurden, da sie keinen stimmigen Platz in dem Gefüge finden konnten.

Frage: Wer sind aktuell eigentlich die Guten in Fear The Walking Dead? Rick und seine Survivor haben zweifellos Schreckliches getan. Es entsteht jedoch nie ein langfristiger Zweifel, dass die Serie seine Gruppe nicht als die Helden ihrer Geschichte sieht. Das ist in Fear anders. Natürlich sind Madison (Kim Dickens), Victor, Nick und Co. die Hauptfiguren. Doch die Gegenspieler, denen sie begegnen, schlagen niemandem den Kopf bei der ersten Begegnung ein. Sie sind keine Kannibalen. Sie verarbeiten ihre Traumata nicht, indem sie ihre Feinde enthaupten und die Köpfe in einem Museum aus Aquarien bewundern.

Fear The Walking Dead: Strand und Madison halten zusammen, komme was wolle.

Manche Stimmen mögen richtigerweise behaupten, dass Fear The Walking noch zum Beginn der Postapokalypse spielt und sich die Menschen noch an die alten Strukturen klammern. Eine überdrehte Figur wie Negan (Jeffrey Dean Morgan) braucht Zeit, um eine Entwicklung zu durchlaufen, die sie am Ende zum fiesen Diktatoren in Staffel 7 von The Walking Dead werden lässt. Doch dazu ist Fear zu bemüht, diplomatische Wege in den Konflikten aufzuzeigen und teilweise auch umzusetzen. Geschossen, getötet und gedroht wird trotzdem. Das Ende der letzten Folge ist dennoch symbolisch für den ethischen Kontrast zur Mutterserie oder dem Genreklischee. Das ist höchst spannend. Schließlich muss das Ende der Welt nicht allerorts den Untergang zivilisatorischer Strukturen bedeuten. Während Rick an der Ostküste noch in einigen Jahren um sein Dörfchen kämpfen werden wird, hat Madison vielleicht bereits die Westküste reformiert.

Zunächst einmal muss jedoch die Wasserversorgung für die Ranch geregelt werden. Fear und TWD spielen im Jahr 2010 als eine vierjährige Dürre gerade ihr Ende fand. Dass die Serie sich diesen Umweltproblemen annimmt und infrastrukturelle Thematiken, die auch in der wahren Welt diskutiert werden, in spannenden Geschichten umsetzt, ist besonders löblich. Dazu fördert es den Realismus. Der wackelige Waffenstillstand und das Zusammenleben auf der Ranch fordern eine Lösung, die Madison im Staudamm von Lola sieht. Victor verspricht einen geheimen Weg zum Heil sowie den Kontakt mit Daniel (Ruben Blades) herzustellen. Der Weg dorthin ist zunächst ermüdend gestaltet. So stimmig die Folge endet, so nervig klischeehaft beginnt sie.

Zombies werden zum Hürdenlauf. Keine einzige Fahrt kann ohne eine der blutigen Szenen auskommen, die teilweise ohne größere Highlights oder Events aufwarten. Strand lenkt zum Beispiel in dieser Folge eine Gruppe Walker mit einem piependen Autoschlüssel ab, um somit die Straße zu säubern. Im Ernst jetzt? Das strapaziert die Glaubwürdigkeit, auch wenn der Einfall immerhin mal eine weitere, blutige Auseinandersetzung, die routinemäßig abgefertigt wird, vorbeugt.

Fear The Walking Dead: Diese zwei Anführerinnen trennt einiges.

Fear kann die Erwartungen jedoch auf den Kopf drehen. Strand führt die Gruppe zu einem Schrottplatz – einem echten Ort, nicht vergleichbar mit der CGI-Mülldeponie aus der Mutterserie – und in dunkle Abwasserkanäle. Es kommt, wie es kommen muss. In der Dunkelheit findet Strand nicht den Ausweg, sie verirren sich. Josef Kubota Wladyka schafft es zusammen mit seinem Cutter in wenigen Einstellungen dem Zuschauer die Orientierung zu rauben. Doch dann ein Wunder: Strand findet eine Markierung und den Weg zum Damm. Walker (Michael Greyeyes), Madison und ihr Guide kriechen durch eine enge Röhre und sind plötzlich gefangen. Hinter ihnen Zombies und vor ihnen ein dicker Klops aus Fleisch, der ihnen den Weg versperrt. Was folgt, ist eine der ekelhaftesten Szenen des Serienuniversums: Madison borgt sich die Axt von Walker und hackt den adipösen Zombie in kleine Stückchen, um den Weg frei zu machen. Die Serie durchbricht hier die Routine der übrigen Zombieeinlagen. Das Kleinhacken hat nicht nur eine ganz schöne Plastizität, die die sonstigen Zombie-Massaker vermissen lassen. Die Szene unterstreicht auch gleichzeitig den Überlebenswillen der Menschen und das bedeutet nicht immer ein Massenmorden, sondern oft schlicht körperliche Arbeit.

Am Staudamm angekommen stoßen die beiden Gruppen sowie ihre Probleme aufeinander. Victor, der die Parteien zueinander führen soll, ist sicherlich nicht der beste Kandidat für diese Rolle. Daniel bezeichnet ihn als die titelgebende Schlange, der kein Wort zu trauen ist; doch Madison hat ihn noch nie belogen, weshalb er ihr glaubt und für sie bei Lola spricht. Dazu wirft die Nachricht über Ofelias Handlungen einen schweren moralischen Konflikt in ihm auf. Er möchte ein loyaler Verteidiger des Staudamms sein und zu seinem Wort stehen. Doch er wollte nie, dass seine Tochter eine Kämpferin wird und unter Qaletaqa ist sie nicht nur das, sondern sie verletzte auch direkt ihre Freunde.

Lola hingegen wird in dieser Folge – wie so viele andere Figuren – endlich näher erforscht. Sie ist keine Diktatorin, sondern eine Frau in einer Extremsituation, die versucht, die beste Entscheidung zu treffen. Diese Beschreibung trifft eigentlich auf alle zu. Jede Figur hat noch ihre definierenden Eigenheiten (Strand ist ein großer Fan von distanzierenden Redewendungen, Walker spielt den konsequenten Anführer), aber grundlegend gibt es keinen direkten Bösewicht. In dem sozialen Gefüge nahe der Grenze entsteht durch natürliche Umstände eine materielle Ungleichheit und jede Figur in dem System hat nachvollziehbare Motivationen und Ideen, wie mit der Situation umzugehen ist. Viele Charaktere haben dunkle Seiten an sich oder schlimme Dinge in ihrer Vergangenheit getan, doch ihr Wille zur Kooperation im Kontext einer Zombieserie macht Fear The Walking Dead einzigartig.

Fear The Walking Dead: Ein seltener, versöhnlicher Abschied.

Somit ist auch das unbeschwerte Ende tatsächlich kathartisch. Die Welt dort draußen ist groß und gefährlich, doch wer zusammenhält und an das Gute glaubt, wird belohnt. Auch wenn ein jeder manchmal etwas nachhelfen muss. Was, wenn nicht das, brauchen wir als Moral einer Geschichte in diesen Zeiten?

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