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Eine Verneigung vor Jacks diabolischem Charisma

22.04.2017 - 11:37 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Zum 80. Geburtstag
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Zum 80. Geburtstag
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Auch wenn dieser freche, gewitzte und doch stilsichere Kerl sicherlich nicht für seine Schönheit oder seine guten Manieren bekannt ist, so fällt es mir umso leichter zu sagen, dass er zweifellos zu den stärksten Mimen des Hollywoodkinos gehört. Es sind seine zahlreichen, schauspielerischen Bestbeiträge, die jeden Film aufwerten und die ihn letztendlich zu seinen Lebzeiten schon unsterblich machten.

Der Schreibzusammenschluss Textgeschenke zum Geburtstag richtet seine Geburtstagsgrüße im Monat April an eine lebende Legende, die es immer wieder schafft uns mit einem teuflischen Grinsen der besonders ikonischen Art zu bannen: Der wandelbare Jack Nicholson.

Amarawish über Ein Mann sucht sich selbst (1970)

I move around a lot, not because I'm looking for anything really, but 'cause I'm getting away from things that get bad if I stay.
als Robert Eroica Dupea

Ein Mann betrachtet sich im Spiegel. Er sieht sich und auch wieder nicht, denn er scheint sich nicht zu erkennen. Die Selbstfindung darin spiegelt sich in ihrer Surrealität wider, denn im Grunde ist sie genau in dieser einen Szene des Films am deutlichsten für mich sichtbar, denn das Bild sagt mehr, als es seine Worte je könnten: Wer bin ich und was will ich?

Robert ist allem Anschein nach ein Getriebener, der sich von Job zu Job hantelt und genauso lieblos Begegnungen mit dem weiblichen Geschlecht erlebt: Alles ist nichts weiter als bloßer Zeitvertreib, der ihn nicht erfüllt, nicht selten zu viel wird und im Grunde auch nur seine Nerven ausreizt wie die qualvoll fehlende Intelligenz seiner Nicht-Freundin immer wieder verdeutlicht.

Als er schließlich aufgrund eines schweren, medizinischen Zwischenfalls in der Familie nach Jahren wieder in sein Heimathaus zurückkehrt, sieht er sich plötzlich mit Fragen konfrontiert, denen er im Grunde stets aus dem Weg gegangen ist. Die Musik, die erklingt, als er dort ankommt, erfüllt das frühkindliche Heim, das selbst ihn im tiefsten Inneren nicht loslassen konnte. Sein Talent die Klaviersaiten gekonnt zum Schwingen zu bringen, schlummert weiterhin in ihm, ungenutzt und verschwendet. In einer Familie, die viel von Kultiviertheit hält, ist es umso schwerer sich eben davon abzuwenden, denn dieses Talent als auferlegte Pflicht scheint ihm ohne Zweifel in die Wiege gelegt worden zu sein. Und doch erkennt Robert erst bei Nichterwiderung seiner Gefühle für eine kultivierte Frau, dass es ihm wohl nicht möglich gewesen wäre seine frischen Herzensemotionen ohne Zwischenfälle in die Tat umzusetzen, denn ohne Selbstakzeptanz ist es schier unmöglich Liebe anzunehmen, umso schwerer ist dies außerdem, wenn man selbst kaum welche für sich übrig hat. Eine entscheidende Tatsache, die ihm sein Gefühl, nie das zu bekommen, was er im Grunde braucht, bestätigen kann. Im Gespräch mit seinem Vater, das im Grunde mehr einem inneren Monolog gleicht, ist für ihn die Selbsterkenntnis und das Aussprechen der gegenwärtigen Lebenssituation ein wichtiger Schritt Richtung Entwicklung und die letztendlich auch den wichtiger Anreiz liefert einmal mehr ja zu seinen Talenten, Wünschen und sich Selbst zu sagen.

...

Jack Nicholson gibt dieser Rolle seine altbekannte Facette der übertriebenen Mimik, exzentrisch und mit Herzblut mimt er den ruhelosen, unzufriedenen Draufgänger, aber ebenso den plötzlich sensiblen, verletzten, sich im Kreis drehenden Mann, der viel zu lange vor sich Selbst davon zu laufen versuchte und erst im Zwang des familiären Umschwungs etwas mehr zu sich selbst finden kann. Vielleicht wäre der Film ohne ihn garnicht mal so gut geworden, vermutlich hat dieses "vielleicht" nicht mal eine richtige Daseinsberechtigung, denn wir wissen um sein Talent eine Rolle so darzustellen, dass selbst die unsympathischste Figur in unseren Augen Anklang findet.

Alles Gute zum 80. Geburtstag, Jack!

Den Kommentar zum Film findet ihr auch hier.



(VincentVega) über Einer flog über das Kuckucksnest (1975)

...one flew east, one flew west One flew over the cuckoo's nest.
als Randle Patrick McMurphy

Derjenige der hier über das Kuckucksnest fliegt heißt McMurphy und wird gespielt von Jack Nicholson. Um einem Gefängnisaufenthalt zu entgehen lässt er sich in eine Nervenheilanstalt einweisen und daraufhin ändert sich so einiges in der Anstalt welche von Oberschwester Ratched mit hartgesottener Hand geführt wird.

McMurphy ist mit Sicherheit kein Held im klassischen Sinne, er ist eher ein vorlauter Draufgänger der sich weigert sich in ein genormtes Gesellschaftssystem zwängen zu lassen. So lässt er sich auch innerhalb der Anstalt nicht einschüchtern lebt seinen Lebensstil weiter, so gut es denn nur geht. So wenig er sich zu Beginn für die restlichen Patienten interessiert und meist nur um sein eigenes Wohlbekommen kümmert, desto mehr belangt es ihn im Laufe der Zeit. Durch die manipulative Schwester Ratched angestachelt lehnt er sich immer weiter gegen die einhergehenden Regeln der Anstalt auf und bindet seine Patientengruppe im Laufe dessen stärker ein in seinen Kampf gegen die autoritäre Übermacht, die ihre eigene Profession, Heilung zu geben längst ad acta gelegt hat. Damit nimmt der Wandel von McMurphy seinen Lauf und er wird von einem Draufgänger der nur an sein eigenes Wohl denkt, zu einem "kleinen" Helden der den Insassen auf seine ganz eigene Art hilft und sie somit aus ihrer Lethargie befreit und aus den Klauen derjenigen, die ihnen eigentlich helfen sollten. Er gibt denen die nicht selber für sich sprechen können, eine Stimme.

Leise Stimmen sind es, die in einem solchen System, welches sich eher für die eigene Außendarstellung und wirtschaftliche Lage ihrerseits interessiert als für die physische und seelische Gesundheit seine Patienten, leicht unterzugehen scheinen. Doch Sie sind da und gemeinsam sind Sie laut. Auch wenn Einer flog über das Kuckucksnest keine empirische Studie über die Behandlung von psychisch Kranken ist, ist es ein Film der ganz klar aufzeigt, dass es gerade in solch überlegenen Institutionen, die ihre Macht leicht missbrauchen können, an Humanismus fehlt und die Individualität eines jeden Menschen so verloren geht. Dazu zeigt gerade die Schlussszene, dass der Drang nach Freiheit nie kleiner sein kann, als die Repression die sie eindämmt und dass es deswegen immer lohnt für die Freiheit zu kämpfen.

Diese Rolle zeigt wieder einmal was für ein fantastischer und wandelbarer Schauspieler Jack Nicholson ist, der jede Nuance seiner Kunst versteht und auch noch fähig ist diese mit seiner unverwechselbaren Mimik und seinem unwiderstehlichem Charme auf Zelluloid zu zaubern. Daher alles Gute von mir, Herr Nicholson.

Den Kommentar zum Film findet ihr auch hier.



Amon über Batman (1989)

Tell me something, my friend. You ever dance with the devil in the pale moonlight?
als Joker
Im Jahre 1989 feierte ein Film seine Premiere, der einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen besitzt: Batman.

Regisseur Tim Burtons Version des Dunklen Ritters bewegte sich näher an den düsteren Comics seiner Zeit als an den vorherigen Leinwand-Inkarnationen und traf damit bei vielen Fans einen Nerv. Im Film erleben wir dabei einen Batman, der noch am Anfang seiner Karriere als Verbrechensbekämpfer steht und sich bald mit einem seiner erbittertsten Widersacher konfrontiert sehen soll: Dem Joker, fantastisch verkörpert von unserem heutigen Geburtstagskind Jack Nicholson.

Der Joker ist ohne Übertreibung einer der beliebtesten Comic-Schurken unserer modernen Pop-Kultur und begeistert wie fasziniert seit Jahrzehnten Generationen von Fans. Die Liste der Schauspieler, die ihn in den vergangenen beinahe 80 Jahren porträtierten kann sich dabei absolut sehen lassen. Von Mark „Luke Skywalker“ Hamill (Batman: The Animated Series, Batman: Arkham-Trilogie) über Heath Ledger (The Dark Knight) bis hin zum gegenwärtigen Leinwand-Joker Jared Leto (Suicide Squad) reicht die Bandbreite an Interpreten und jeder von ihnen brachte etwas Neues und Eigenes in seine Performance des Clown Prince of Crime ein.

Jack Nicholsons Darstellung des Jokers gehört zweifelsohne nach wie vor zu meinen persönlichen Favoriten und das liegt gleich an mehreren Gründen. Im Vergleich einigen späteren Joker-Inkarnationen bekommt Burtons Antagonist einen "normalen" Namen verliehen, Jack Napier, der als kleiner Gangster sein Dasein in Gotham City fristet – bis sich eines Nachts sein Pfad mit dem Batmans kreuzt und Jack hinab in ein Becken mit Chemikalien fällt, was sich nicht nur nachhaltig auf sein Aussehen auswirken soll, denn seine Haut wird bleich und sein Gesicht verzieht sich zu einem grotesken Grinsen, auch seelisch hinterlässt diese Begegnung ihre Narben. Burton orientierte sich offensichtlich an der damals noch recht jungen Graphic Novel „Batman: The Killing Joke“ (die zu meinen absoluten Lieblingsgeschichten des Dunklen Ritters und seiner ewigen Nemesis zählt), in welcher ebenfalls eine mögliche Origin-Story des Jokers erzählt wird.


Wie auch im Comic wird im Film zudem auf die Dualität Batmans und Jokers angespielt, denn beide wollen einander besiegen, doch gleichzeitig brauchen sie sich; einander machen sie sich erst vollkommen und geben ihrer Existenz einen Sinn. Diese Dynamik spitzt sich im Laufe des Films unaufhaltsam zu und entlädt sich in einem atemberaubenden Finale, in welchem der Joker den letzten Lacher auf seiner Seite hat. Verglichen mit seinen Nachfolgern mutet Nicholsons Interpretation des Charakters heutzutage zweifellos etwas lächerlich an, doch daraus bezieht seine ikonische Darstellung des Jokers in meinen Augen jedoch ihre Faszination, denn gerade weil sie dermaßen überdreht wirkt und Nicholson sich in dieser Rolle herrlich gehen lassen kann, entwickeln sich im Laufe des Films wunderbar schräge Situationen, bei denen auch heute noch immer ein überraschend düsterer Unterton mitschwingt.

Jack Nicholson spielte den Joker mit einer enormen Energie und Leidenschaft, die einen in ihren Bann zieht und so schnell nicht mehr loslassen wird. Die Dynamik mit dem Dunklen Ritter und die teils aberwitzigen Situationen, in denen sich der Joker befindet, mögen heute zwar, verglichen mit den deutlich düstereren, moderneren Versionen dieses Charakters dezent antiquiert anmuten, doch für mich lieferte Nicholson hier eine zeitlose Performance ab, von der sich selbst seine Nachfolger noch die eine oder andere Scheibe abschneiden können.

In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch und alles Gute zum Geburtstag, Mr. Nicholson !



ElsaWaltz über Was das Herz begehrt (2003)

I just have one question: What's with the turtlenecks? I mean it's the middle of summer.
als Harry Langer

Jack Nicholson würde ich nicht gerade als Frauenschwarm bezeichnen. Aber der Schauspieler hat eine Ausstrahlung, die ihn auf eine besondere Weise attraktiv macht. Das macht sich der Film zu Eigen. Jack Nicholson spielt Harry, einen Musikproduzenten von 63 Jahren, der sein Leben als Womanizer genießt, vor allem junge, hübsche Frauen haben es ihm angetan. Wären da dann nicht ein Herzinfarkt, ein romantisches Strandhaus und Diane Keaton….

Was das Herz begehrt ist eine meiner liebsten Liebesgeschichten. Grund dafür ist hauptsächlich das Geburtstagskind selbst: Jack Nicholson ist der Spaß an der Rolle des Harry jede Minute des Film anzusehen. Sei es, wenn er in Unterhosen den Kühlschrank plündern möchte, oder zu dem Lied „You can do it if you really want“ eine Treppe hinaufzusteigen versucht. Und seien wir mal ehrlich, ein so schönes Filmpaar wie Nicholson und Keaton hat man lange nicht im Kino bewundern können, die beiden harmonieren hervorragend. Ach, es macht einfach Freunde ihnen dabei zuzusehen, wie sie sich Necken und schon zu Anfang eine gewisse Chemie aufbauen.

I'm sorry! I didn't see anything. Except maybe a few tits!

Der sympathischste ist Harry nicht wirklich, aber genau diese Rollen lebt Jack Nicholson. Man denke nur an Besser geht’s nicht, Shining oder an Das Beste kommt zum Schluss. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich Was das Herz begehrt schaue. Es ist ein kleiner Wohlfühlfilm, der so vieles richtig macht, von der Musik über das Drehbuch bis hin zu der kleinsten Nebenrolle. Dennoch: wen man mit dem Film immer verbinden wird sind Nicholson und Keaton, bei denen man sich wünscht, sie würden öfters ein Liebespaar spielen. Keaton hat für ihre Darstellung (unter anderem eine der besten Heulszenen der Filmgeschichte) eine Oscarnominierung erhalten, Jack hätte ich aber auch eine gewünscht.

Ich danke dir, dass du diesen Film zu dem machst, was er ist, liebes Geburtstagskind.
Ich wünsche dir alles erdenklich Gute zu deinem 80. Geburtstag und bin gespannt, wie du uns die Figur Toni Erdmann noch einmal erleben lässt.

Den Kommentar zum Film findet ihr auch hier.



FrancisYorkMorgan über Das Beste kommt zum Schluss (2007)

Wir könnten es tun...wir sollten es tun!
als Edward

Jack Nicholson hat heute Geburtstag. Wer liebt ihn nicht für mindestens einer seiner großartigen Darbietungen? Seit Jahrzehnten ein Garant, unnachahmlich in seiner Art, seinem Spiel und seinem Wesen, seinem Auftreten. Ein Schauspieler, wie es ihn nicht nochmal gibt - ganz sicher. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mich meine Eltern mit ins Kino zu dem Film "Besser geht's nicht" schleiften, sie lachten und lachten, feixten, lagen sich in den Armen und ich kapierte, mit meinen elf Jahren und dem großen Eimer Popcorn in den Händen, nicht das große Ganze hinter dem Film. Als wir nach dem Kinobesuch nach Hause liefen, meidete ich die Rillen auf dem Fußsteig, fragte meinen Vater, ob ich nicht öfter mit den Hunden Gassi gehen könnte. Wäre ich ein guter Schreiber gewesen, hätte ich sicherlich auch danach gefragt, Bücher und Geschichten zu schreiben.

Dieser Film, Besser geht's nicht, lief über die Jahre hinweg sehr häufig in unseren vier Wänden. Ich wurde älter, meine Eltern wurden älter, mein Bruder wurde älter und Jack Nicholson wurde auch älter.

2007 lief Das beste kommt zum Schluss im Kino, aber ich war nicht dort, niemand aus meiner Familie war dort. Einige Monate zuvor kam ich aus Kanada wieder und verbrachte dort den Urlaub meines Lebens. Der Flug war furchtbar, die Angst und der Alkohol gingen Hand in Hand. Ich kann mich noch an einen Sommermorgen erinnern, es war ein paar Jahre danach, als mich meine Mom anrief und sie zum Frühstück lud. Sie saß da, ich saß da, die Kaffeemaschine lief durch, die Brötchen dampften im Ofen und sie meinte, sie wolle mir etwas zeigen und mir etwas erzählen, das ich unbedingt für mich behalten sollte. Ich kann mich nicht mehr an den Monat erinnern, nicht an das Jahr, aber es war Sommer. Die Zeit ist nicht immer greifbar, das Beste kommt nicht immer zum Schluss. Sie zeigte mir Fotos von einem Hubschrauberflug mit ihrer besten Freundin, erzählte mir davon, hibbelig und aufgebracht, zehrend und schwelgerisch. Sie erinnerte sich an meine Schilderungen von Kanada, an meine herrliche Reise durch dieses Land und an mein Strahlen, während ich von den unendlichen Wäldern erzählte. Sie zeigte mir die Fotos, den Helikopter, ihre Freundin und erklärte mir alles, hob mit mir ab, ruderte mit den Armen und machte das Geräusch nach, das der Hubschrauber beim Abheben machte. Die Aufregung, der Schweiß, die schnelle Atmung und die Wärme, die Freude. Der Helikopter und die vogtländische Landschaft rund um, überall Berge, Wälder, Wiesen und Felder - nur einmal im Leben von ganz oben und in Ruhe erleben. Ich ließ sie erzählen und beobachtete sie. Noch heute sehe ich die aufgeregten Hände vor mir, das aufgebrachte und fröhliche Gesicht, die langen Haare. Der Kaffee dampfte und noch immer höre ich diese eine, extrem furchtbare Bon Jovi CD im Radio laufen, auf und ab. Brrr! Auch das Schlechteste kommt nicht immer zum Schluss. Ich musste es ihr versprechen. Keiner durfte davon erfahren und ich durfte nicht nach dem `Warum´ fragen.

Ich sagte den Blog vor einigen Tagen leider ab, bekam kalte Füße und Bums!, hatte ich gestern Abend doch Zeit für eine erneute Sichtung des Filmes. Morgan Freeman und Jack Nicholson auf einer seltsamen Reise am Ende ihrer Zeit.

Meine Nase tropfte, die Nebenhöhlen waren dicht und der lebensbejahende Film lief, ich lachte mit, verdrückte Tränen und dachte an damals, an davor und an davor, als ich aus dem Kino mit meinen Eltern lief, über die Rillen auf dem Bürgersteig hüpfte, elf Jahre alt. Schniefend und keuchend ging ich nach dem Abspann ans Telefon und rief meinen Vater an. Ich fragte ihn, ob er von dem Hubschrauberflug wusste. Ich blickte während dem Telefonat kneifend verknittert und betend zur Zimmerdecke, war froh darüber, dass mich kein Blitz traf, hatte ich es ihr doch einst versprochen. Er fing an zu lachen und meinte, er wusste davon. Vor einigen Wochen fand er Fotos von diesem Flug und redete mit der alten Freundin meiner Mom darüber. Stille - davor und davor, die Zeit glitt davon. Nach einem lockeren Plausch verabschiedeten wir uns verhalten. Vorhin schnappte ich mir vier Packungen Taschentücher, Nasenspray, mein Vogelkackecappy und ging nach draußen, lief zu einem Bäcker, der frische Brötchen in der Theke hatte, zum Blumenhändler, weiter durch den Nieselregen an diesem Samstagmorgen und dann zum großen Hauptfriedhof. Ich lief durch ein Meer von Blumen, durch frisch aufblühende Bäume und Knospen treibende Sträucher. All die bunten Pflanzen, der Kontrast zum grauen Wolkenband.

Ich fragte mich, warum ich nie jemanden von diesem aufregenden Flug, von diesem Tag und Abenteuer erzählen durfte. Es war ein Moment der puren und unverfälschten Freude, ein aufgeregter und kindlicher Moment, ein Moment für den ich sie liebte. Leben. Ein Moment, den ich bis heute nicht erklären kann. Das Leben steckt voller kleiner Abenteuer, wieder und wieder, man muss nur genau hin schauen und diese dann manchmal teilen, auf Teufel komm raus. Ich setzte mich an das Familiengrab und war wirklich verrotzt, müde und fertig, wenige Stunden ist das her. Der Schnupfen tobte in mir, kochte und meine Glieder brannten. Ich lächelte, atmete durch und aß ein warmes, unbelegtes Brötchen, schwarze Vögel krächzten über mir und ich sah die fuchtelnden Arme vor meinem inneren Auge, als sie mir ein Abenteuer schilderte, einen kleinen Rundflug mit einem Helikopter. Nein, das `Beste´ kommt nicht zum Schluss...niemals. Man kann es nur jedem Menschen wünschen. Ich legte, wie bei jedem Besuch, ein Foto ihrer Enkelkinder und ein paar Blumen auf ihren Grabstein, sah Regentropfen darauf verlaufen und ging wieder nach Hause, schnaubte und schnaubte, tänzelte um alle Rillen auf den Bürgersteigen herum, schrieb diesen reichlich verspäteten Text hier und mach(t)e (nun) die Augen zu.

Einer schöner und wichtiger Film. Besser spät, als nie...

Den Kommentar zum Film findet ihr auch hier.


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Lest mehr von uns im Mai:

Im kommenden Monat beschenken wir Wes Anderson.

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Was haltet ihr von unserem Geburtstagskind Jack Nicholson?


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