Eine Verneigung vor Chaplins persönlichstem Film

19.08.2017 - 09:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
What do you want meaning for? Life is a desire, not a meaning!Studiocanal/moviepilot
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Einer der ganz großen, wichtigen und interessanten Filmemacher der Geschichte war weit mehr als ein Clown: Charles Chaplin. Und einer seiner größten, wichtigsten und persönlichsten Filme ist mehr als nur ein Drama, es ist ein Testament, das jeder von euch gesehen haben sollte.

So viele großartige Kommentare auf moviepilot, und so wenige Samstage, um sie alle zu feiern. Da draußen warten beeindruckende Geheimtipps auf euch, denen ihr sonst vielleicht nie eine Chance gegeben hättet; berührende Geschichten und Erinnerungen, die euch zum Lachen und zum Weinen gebracht, und euer Leben für einen Tag verändert haben; die boshaftesten (und deshalb köstlichsten) Verrisse, die ihr je gelesen habt. Das erinnert euch an einen Kommentar, den ihr mal irgendwo auf mp gelesen habt? Dann wird es Zeit, dass ihr ihn uns vorschlagt - und ins Rampenlicht zerrt!

Der Kommentar der Woche
Charles Chaplin hat so viel mehr geleistet, als nur mit einem komischen Gang durch Stummfilme zu hoppeln. Einer seiner besten Filme wurde damals und heute viel zu oft übersehen, auch weil kurz nach seiner Premiere die Jagd auf angebliche Kommunisten begann und Chaplins Rampenlicht aus vielen Kinos genommen wurde. Er gewann für die Filmmusik zwar den einzigen richtigen Oscar seiner Karriere, der Film selbst jedoch geriet fast in Vergessenheit. deusfantasy verneigt sich vor Chaplin und seinem grandiosen Limelight. Und wir tun es ihm gleich!

Keinem Filmschaffenden hab ich letztes Jahr so viel Zeit gewidmet, wie Charles Chaplin. Ich hatte das große Vergnügen alle seine Filme zu sehen, in denen er selbst Regie führte. Wirklich endgültig zum absoluten Fan machte mich aber erst sein drittletzter großer Spielfilm –Rampenlicht. Vielleicht war es daher sogar tatsächlich irgendwo Schicksal, dass ausgerechnet dieser, sein unbestritten persönlichster und womöglich deshalb auch mein liebster Film, völlig ungeplant erst ganz zum Schluss in meinen Player wanderte. Denn sonst hätte ich sehr wahrscheinlich versäumt zu erkennen, welche Metaebene und Brillanz in diesem so sträflich unterschätzten und unterbewerteten Werk stecken.

Wer sich mit Chaplins Werken und seinem Leben beschäftigt hat - was vor der Sichtung nur zu empfehlen ist, damit der Film seine volle Wirkung entfalten kann - erkennt sofort die autobiographische Reflexion des Regisseurs. Neben der Figur des Tramp, die er selbst lange Jahre gespielt hat, setzt er sich hier mit dem Abstieg von Künstlern und der Vergänglichkeit von Ruhm auseinander. Auffallend dabei ist, welche Altersweisheit Chaplin hier an den Tag legt. Immer wieder hält er als Calvero Predigten an die so viel jüngere Thereza, in denen er eine Weisheit nach der anderen preisgibt. Dabei handelt es sich aber nicht um bloße Kalenderweisheiten, wie sie in jedem Glückskeks zu finden sind, es sind vielmehr elementare Erkenntnisse und Lehren eines gereiften, gestandenen alten Mannes, über die Liebe, das Leben oder das Showbusiness, die enorm zum Nachdenken anregen. Ich habe jedes Wort dieses Mannes förmlich aufgesogen.

Er spricht in diesem Film jedoch nicht nur zu Thereza, er spricht auch zu uns Zuschauern. Es wirkt daher beinahe wie eine Art filmisches Testament seinerseits, um alle wichtigen Erkenntnisse, die ihm das Leben gebracht hat, gebündelt in einem Film weiter zu geben. Dieser Eindruck täuschte nicht, ging Chaplin doch zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass dieser Film tatsächlich sein letzter, zugleich aber auch sein größter werden würde. Deshalb bezeichnete er ihn selbst gerne als „künstlerisches Testament". Das wird auch an der Verteilung der Rollen sichtbar - er ließ alle seine sechs Kinder mitspielen und verteilte die anderen Rollen fast ausschließlich an alte Freunde. Besonders erwähnenswert ist hier der Auftritt von Buster Keaton, bekanntlich Chaplins größter Konkurrent in seiner großen Stummfilmzeit, der hier in einer Szene seinen Partner mimt und damit erstmals gemeinsam mit Chaplin in einem Film zu sehen war.

Ihm ist hier ein tief bewegendes Drama um einen gealterten Clown, den keiner mehr sehen will, gelungen, das den Verfall in totale Bitterkeit jedoch immer gekonnt umschifft. Gleichzeitig ist sein Film auch eine wunderbar melancholische Hommage an die goldene Ära des Varietés und rückt das oftmals vorherrschende Bild des immer fröhlichen Vagabunden in ein völlig neues Licht. Dass die Handlung zudem ausgerechnet im Jahr 1914 angesiedelt ist, das Jahr von Chaplins Durchbruch, und hier mit dem Abstieg Calveros kollidiert, ist sicherlich auch kein bloßer Zufall. Jede Nuance dieses Films wirkt strickt durchdacht. Chaplin hat hier noch einmal all sein Talent rein geworfen und einen großen Film erschaffen. Keiner seiner Filme ließ mich am Ende jedenfalls so beeindruckt zurück. Ich kann mich abermals nur tief vor Charles Chaplin verneigen.

Den Originalkommentar findet ihr hier.

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