Ein Filmjunkie betritt das Cockpit

01.07.2014 - 14:30 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
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Hallo Captain und Insassen, oder passend zum Akzent der Hauptstadt, schön’ juten Tach. Ich darf mich vorstellen als Thimmo, neuer Praktikantenwelpe an Bord der moviepiloten-Crew.

Von der kleinsten Großstadt Deutschlands in die Hauptstadt oder: von Siegen nach Berlin. “Ein gewagter Sprung, liebe Eltern?” – Oh ja, aber ein lohnenswerter obendrein. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, diese Stadt wäre an sich nicht schon attraktiv genug, um lohnenswert zu sein. Aber spätestens, als ich pünktlich um 8 Uhr die Schwelle meiner neuen Arbeitsstelle überschritt, erkannte ich, dass ich alles richtig entschieden hatte.

Drück auf Play
Ich erinnere mich da an ein Szenario meiner Kindheit. Die Grippe überkam mich. Da ich (leider, leider…) aufgrund meines temporären Status’ als Bakterienschleuder nicht auf die Schulbank durfte und das runde Leder wegen Schnappatmung und Schwächeanfälle in der Garage verweilen musste, verbrachte ich die Tage bis zur Dämmerung im Bett der Eltern. Warum? Nun, weil hier der einzige Fernseher im Hause stand. Selbstverständlich mit einem integrierten VHS-Spieler, der dem analogen TV-Programm vorgezogen werden musste, da hier obszöne Aktivitäten hätten präsentiert werden können. Und ihr ahnt, was auf und ab lief: Natürlich, Disney. Nicht etwa Schneewittchen und die sieben Zwerge oder Pocahontas (die Filme meiner Schwester schaute ich nur heimlich), sondern etwas Männliches: Das Dschungelbuch. Rauf und runter, runter und wieder rauf. Nach einer Weile erschrak meine Mutter angesichts meiner erhöhten Temperatur, die wohl nicht mehr aus Grippesymptomen denn eher aus dem noch sehr unerforschten Filmfieber resultierte. Sie bekämpfte es ohne Wirkung mit einer Lieferung geschmierter Leberwurstbrote, während ich den Dschungelstreifen zum gefühlten 69. Mal zurückspulte.

“Ich will aber sechseckige Augen!”
So begann also die Sucht. Die Welt des TV wurde mir (natürlich unter Aufsicht) eröffnet. “Gebt mir mehr, mehr Entertainment”, wie der knuffige Wonneproppen Junior Sinclair mit einem freudigen Händeklatschen in der Kultserie Die Dinos fordern würde. Ich kann nur empfehlen, sich noch einmal Folge um Folge reinzuziehen, denn wen unserer Generation haben sie nicht bereichert? Kindheitsträume verpackt in Serienformate – wie genial doch die Industrie ist! Um nur ein paar zu nennen: Aladdin (“Arabische Näääächte”), Papyrus und Die Gummibärenbande. Auf Super RTL folgte RTL II mit Pokémon, Digimon Adventure, Dragonball, ja, eben alles, was uns unserer Zeit auf dem Spielplatz beraubte. So hoffte ich im Alter von 13 Jahren, dass endlich Muten Roshi mein Lehrer wird und es nicht mehr die formelversierte, faselnde Frau Schmidt (Name geändert) ist. Auf seine Ankunft und meine Einladung ins Reich der Dragonballs wartete ich leider vergebens.

Anstieg der Spannungskurve
Um mich darüber hinweg zu trösten, durchstöberte ich die Filmsammlung meines großen Bruders, der zu meinem Glück – und zum Pech meiner Eltern – bereits volljährig war. Während ich mit 14 Jahren eher zufällig mit Wrong Turn meinen ersten Horrorfilm konsumierte, verließ ich das Zimmer, da ich mich nicht einmal mehr ans Fernsehgerät traute, um es auszuschalten. Nachdem ich diesen ersten Schock über ein halbes Jahr mit Komödien und Animationsfilmen verarbeitete, folgten Filme wie The Descent – Abgrund des Grauens, The Hills Have Eyes – Hügel der blutigen Augen, Resident Evil, also alles, was mit Monstern und Fleischfressern zu tun hatte. Aber auch krachende Action erzeugt durch fallende Patronenhülsen, quietschende Autoreifen und vielerlei Kampfkünste Spannung, siehe The Transporter, The Fast and the Furious und Ong-Bak (meinen Traum vom Kämpfer konnte ich doch nie wirklich aufgeben). So verbrachte ich Jahr um Jahr mit dem Ziel, so viele Filme wie möglich zu sehen, die Effektfeuerwerke, heroische Schlachten oder sinnfreies Gemetzel boten. Um das nicht zu vergessen: Selbstverständlich war auch ich ein großer Fan der Der Herr der Ringe -Saga und saß bei jeder Premiere eines neuen Teils mit der ganzen Familie im Kino, auch wenn sie mich anfangs noch hineinschmuggeln mussten.

Der kuriose Wendepunkt
Und dann geschah es. Die Zeit des Berieselnlassens war urplötzlich vorbei. Das heißt jedoch ganz und gar nicht, dass die Spannungskurve ab diesem Zeitpunkt absank. Ganz im Gegenteil, sie stieg viel rasanter als zuvor an. Nur benötigte ich nicht mehr den Rausch sinnlosen Entertainments, sondern von sinnvollem. Ich begann, Filme zu hinterfragen, in Emotionen zu verfallen, schauspielerische Leistungen zu kommentieren. Filme waren nicht mehr gleich Filme, sie waren Meisterwerke, Gefühlsvermittler, Ausdruck der eigenen Empfindungen, ja kurzum: Seelenverwandte. Da war er, dieser Moment, in dem jeder von uns alleine vor der Mattscheibe auf der Couch sitzt, lacht, die Faust ballt oder ein Tränchen unterdrückt und sich dann fragt: “Nanu, ich bin doch ganz alleine. Bin ich verrückt?” Momente, in denen ich immer wieder bemerke, wie sehr gute Filme fesseln. Schnell wurde ich Fan einiger Schauspieler, die meines Erachtens Emotionen vor die Kamera bringen und uns somit näher ans Geschehen. Sei es ein Al Pacino, Robert De Niro (jaja, die alte Schule), Heath Ledger, Morgan Freeman, Samuel L. Jackson usw. Mein Gott, es gibt so viele begabte Schauspieler. Von Regisseuren ganz zu schweigen.

Alles kommt zu einem Ende
Wow. Ich dachte nicht, dass ich spontan so viele Zeilen “aufs Papier” bringen könnte. Am Ende angelangt ist jedoch lediglich mein Text, denn mein Praktikum hat gerade erst begonnen. Und die Filmsucht, liebe Community und Kollegen, kann uns eh keiner nehmen und sowieso keiner heilen. Was bleibt: auf eine ereignisreiche Zeit!

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