Dritte Halbzeit - Fußballfans und Hooligans im Kino

03.07.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
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Fußball setzt bei vielen Menschen ungeahnte Emotionen frei. In Teil 4 der Textreihe Fußball und Film steht daher der Fan im Mittelpunkt. Der zeigt sich von seiner leidenschaftlichen, aber auch zerstörerischen Seite. Es geht um Fan- und Hooliganfilme.

Deutschland muss sich ins Viertelfinale kämpfen, Italien wurde bereits in der Vorrunde nach Hause gebissen und Brasilien kann Chile nur vom Punkt aus bezwingen. Die Fußball-WM versetzt einmal mehr ganze Nationen in kollektiven Freudentaumel oder tiefe Trauer. Der Sport lebt nun mal nicht allein von seinen Protagonisten, sondern auch von seinen enthusiastischen Anhängern. Daher lassen wir nun die Auftritte von Fußballern auf der Leinwand hinter uns und werfen einen Blick auf all die Menschen, für die Fußball mehr als nur eine Leidenschaft ist.

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Die Nachstellung des Fußballspiels auf der Leinwand gerät oft nur recht holprig, die Erzählungen um die Geschehnisse außerhalb des Platzes heben Filme wie Das Wunder von Bern folgerichtig erst über den Durchschnitt. Daher ist es nur logisch, dass Fanfilme besser gelingen als die einschlägigen Sportfilme. Dass das Angebot an Hooligan-Filmen dabei überwiegt ist ebenfalls nachvollziehbar, schließlich ist oft der Schurke die interessanteste Figur auf der Leinwand.

Einer Legende nach ist die Bezeichnung Hooligan auf den Nachnamen einer besonders rauflustigen irischen Familie zurückzuführen. Erste Hooligan-Gruppierungen tauchten am Rande von Fußballspielen im England der 1950er Jahre auf. Zeitgleich organisierten sich in Italien die ersten sogenannten Ultras, die im Gegensatz zu ihren englischen Kollegen nicht das Rowdytum, sondern die Unterstützung ihres favorisierten Clubs in den Vordergrund stellten. Dass diese Grenze mehr als fragil ist, zeigen auch viele Filmbeispiele, wie etwa der 1990 erschienene Film Ultra von Ricky Tognazzi über die AS Roma Ultras, ihreszeichens eine der ältesten italienischen Gruppierungen ihrer Art.

Erzählt wird die Geschichte des kleinkriminellen Principe, der nach seiner Haftentlassung sofort wieder zum Rädelsführer der Römer wird und maßgeblich zur Gewalteskalation vor einem Auswärtsspiel bei Juventus Turin beiträgt. Dabei kommt es nicht nur zu blutigen Kämpfen mit den Drughis, einer Turiner Ultra-Gruppierung, sondern auch zu Konflikten innerhalb der Roma-Anhänger. In dem Film, für den Ricky Tognazzi mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde, verläuft die Grenze zwischen Ultra und gewaltbereitem Schläger fließend.

Im Mainstream sicherlich am bekanntesten ist die britisch-amerikanische Koproduktion Hooligans mit Elijah Wood aus dem Jahr 2005. Dort gerät ein junger US-amerikanischer Student in den Sog des Adrenalinkicks beim Faustkampf nach dem Spiel und auch der Zuschauer wird von der Inszenierung der deutschen Regisseurin Lexi Alexander gefesselt. Besonders kraftfoll wird der Film dann, wenn er die unterschiedlichen Hintergründe der Anhänger des Londoner Fußballvereins West Ham United näher beleuchtet. Anführer Pete ist beispielsweise in seinem richtigen Leben ein engagierter Lehrer, der nach Schulschluß zum rücksichtslosen Schläger mutiert.

Bereits 1988 thematisiert die britische TV-Produktion The Firm den zweifelhaften Spagat von bürgerlichem Leben und Fight Club. Der junge Gary Oldman spielt hier einen Makler und Familienvater, der die in England oft als Firmen bezeichneten einzelnen Hooligan-Gruppierungen zu einer Art nationaler Einheit zusammenführen möchte, die dann Seite an Seite gegen Rivalen aus anderen Ländern antreteten sollen. Zwanzig Jahre später entstand das Remake The Firm – 3. Halbzeit. Weitere sehenswerte britische Genrebeiträge sind unter anderem Cass – Legend of a Hooligan über einen jamaikanischen Waisenjungen, der vom Opfer rassistischer Gewalt selbst zum hasserfüllten Schläger heranwächst oder The Football Factory von Nick Love, der die Nähe einiger Hooligan-Gruppierungen zur organisierten Drogenkriminalität beleuchtet.

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Dass der Fußball eigentlich gar keine Rolle bei den Auseinandersetzungen mehr spielt, zeigt die deutsche Produktion 66/67 – Fairplay war gestern über eine Gruppe Ultras von Eintracht Braunschweig. Fußballszenen fehlen hier komplett und so ist der Film von Jan-Christoph Glaser auch mehr ein Drama über das Erwachsenwerden als ein echter Fußballfilm. Die fehlgeleitete Clique um ihren Anführer Fabian Hinrichs verprügelt Unbeteiligte auf einem Rasthof aus purem Lebensfrust, Fußball ist nicht einmal mehr der Auslöser. Als ihre Mannschaft den langersehnten Klassenerhalt doch noch schafft, bekommen sie es gar nicht mit. Die Leistung des Kabarettisten und Schauspielers Christian Ahlers als brodelnder Vulkan beeindruckt, die finale Entladung seiner Wut verstört nachhaltig.

Bevor wir uns auf der folgenden Seite den friedlichen und damit wahren Fuballfans widmen, noch ein kleiner Geheimtipp aus Tschechien. In der episodhaften Komödie Up and Down bemüht sich ein ehmaliger Hooligan von Sparta Prag beinahe schon rühred erfolglos um die Integration in ein normales Leben fern ab von Schlägerkneipen und sozialem Abseits. Im Gegensatz zu den düsteren Gewaltorgien aus England nähert sich Regisseur Jan Hrebejk dem Sujet mit Humor, was nicht nur eine Abwechslung darstellt, sondern auf entlarvende Weise zu überzeugen vermag.

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