Die Ästhetik des Fußballfilms

19.06.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Flucht oder Sieg
Warner Bros.
Flucht oder Sieg
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Die WM ist in vollem Gange und unsere Textreihe zum Thema Fußball und Film erreicht die zweite Runde. Heute geht es um die Ästhetik des Fußballfilms und wir werfen einen Blick auf die Choreografie des Ballsports auf der Leinwand.

Jeder, der schon einmal ein Fußballspiel live in einem Stadion verfolgt hat, weiß, dass es sich völlig anders anfühlt als bei der Fernsehübertragung daheim. Das liegt natürlich zuerst einmal an den zahlreichen Menschen im Stadion und der Atmosphäre, hat aber auch etwas mit der Perspektive des Zuschauens zu tun. Während der eigene Blick auf der Tribüne begrenzt ist, sorgt die filmische Aufbereitung des Spielgeschehens bei der Fernsehübertragung für ein weitaus umfassenderes Bild der Partie. Kameradrehungen, Zeitlupen sowie die zahlreichen Nahaufnahmen choreographieren das Fußballspiel innerhalb seiner Übertragung und prägen unsere Sehgewohnheiten.

Eine Nachstellung dieser Choreographie auf der Kinoleinwand wäre nicht nur überflüssig, sondern auch sinnlos, da sie niemals mit der Spannung einer Liveübertragung oder den echten Bildern eines denkwürdigen vergangenen Spiels mithalten könnte. Der Fußballfilm muss dem Zuschauer also noch etwas anderes anbieten. Dies kann entweder eine Rahmenhandlung bei der Erzählung eines authentischen Ereignisses sein oder eine fiktionale Geschichte mit Fußball als tragendem Element.

Mehr: Die schönste Nebensache der Welt – Fußball im Film

Das größte Problem bei einem Film wie Das Wunder von Bern ist, dass der Zuschauer das Ergebnis der Partie bereits kennt und somit kaum Spannung durch nachgestellte Spielszenen erzeugt werden kann. Regisseur Sönke Wortmann löst dieses Problem, indem er die Fußballspiele der deutschen Nationalmannschaft fast vollständig von der Leinwand verbannt. Stattdessen konzentriert er sich darauf, was der Fußball 1954 in Deutschland bewirkt und erzählt die Geschichte eines Kriegsheimkehrers und seines Sohnes als Stellvertreter einer kriegsgebeutelten Nation. Ergänzt wird dieser Handlungsstrang durch nachgestellte Pressekonferenzen und fiktive Einblicke in das Leben der Fußballer zwischen den Spielen. Die Perspektive des Films bleibt jedoch vornehmlich die der Menschen, die die Spiele seinerzeit meist im Radio verfolgten. Folgerichtig stellen keine Schauspieler das Halbfinale zwischen Deutschland und Österreich nach, sondern Kinder auf einem Bolzplatz zur Tonspur des echten Radiokommentars. Bei den wenigen Szenen des Finalspiels setzt Sönke Wortmann dann auf Authentizität und Emotionen. Die Spielszenen sind weder besonders dynamisch wie bei einer heutigen Fernsehübertragung, noch kämpft auf dem Platz Gut gegen Böse, wie es in einigen Sportfilmen als dramaturgische Spitze praktiziert wird. Im Vordergrund steht der Jubel von Spielern und Zuschauern. Nostalgie und ein wenig Pathos also statt Action und Spannung.

Spannung aus Konflikten oder dramatischen Ereignissen abseits des Platzes zu beziehen, ist generell ein beliebtes Mittel bei Fußballfilmen. Wenn Daniel Brühl beispielsweise im Biopic Der ganz große Traum als Lehrer Konrad Koch an einer deutschen Schule 1874 erstmalig den Fußball einführen möchte, steht sein Kampf gegen die ablehnenden Kollegen im Vordergrund, nicht das Spiel an sich. Auch die Eskalation der Rivalität englischer Hooligans in Filmen wie Hooligans wird hauptsächlich abseits des Platzes erzählt.

Da noch ein ausführlicher Text über Fan- und Hoologanfilme folgen wird, nur kurz ein paar Zeilen zur Darstellung der wenigen Spielszenen in Hooligans. Provokationen, Fangesänge, jubelnde und frustrierte Anhänger werden rasant mit kurzen Spielszenen montiert, die sich an der Perspektive der Zuschauer im Stadion orientieren, statt der von Fußballfans vor dem Fernseher. Die Kamera filmt die Fans frontal und zeigt deren Emotionen und Wutausbrüche, während es auch auf dem Platz zur Sache geht. Die Kamera schwenkt hektisch über den Platz und filmt das Tor des Spiels als kurze Einmaligkeit, ohne es durch filmische Mittel zu überhöhen. Die Bilder wirken rau und authentisch und schaffen so eine gelungene Abbildung eines Stadionbesuchs auf der Leinwand. Ihre Stärke liegt aber auch in ihrer Kürze. Nach wenigen Minuten ist der Zuschauer bereits inmitten einer Schlägerei, die nach dem Spiel für die Protagonisten des Films unumgänglich ist. Das Fußballspiel als schnell choreographierter vergleichsweise kleiner Teil eines Films über Fußball erweist sich hier als probates Mittel, den Ballsport auf der Leinwand wiederzugeben.

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