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Die Zukunft der Raumfahrt

08.06.2016 - 08:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
"Gravity" (2013) von Alfonso CuarónWarner Bros.
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Das erste Space Film Festival in Berlin ist nach fünf Tagen und fast 20 Vorführungen zu Ende gegangen. Es bot unglaublich viel Interessantes und Informatives, tolle Gesprächspartner und spannende Themen. Darüber dass die Raumfahrt noch immer wichtig ist, auch wenn bei deren Ausrichtung womöglich etwas falsch läuft, oder welche Filme die Highlights der letzten Festivaltage waren, könnt ihr in diesem Artikel nachlesen. Leider wurde dieses Filmfest nicht in dem Maße von den Zuschauern angenommen wie es das verdient hätte, aber gerade die letzten drei Tage waren erstaunlich stark.

An den ersten zwei Tagen bot das Space Film Festival 2016 bereits so einiges, doch richtig interessant wurde es erst ab dem dritten Festivaltag. Während sich bisher größtenteils mit der Vergangenheit beschäftigt wurde, so stand nun die Zukunft der Raumfahrt im Fokus des Interesses. Durch diverse Dokumentarfilme und Diskussionsrunden wurden beispielsweise Marsmissionen, die Ausrichtung der Raumfahrt allgemein sowie der Einfluss der Flüge auf die Astronauten thematisiert. Selbst noch eher fantastische Randaspekte wie Kryonik, also dem Kälteschlaf für Langzeitflüge, wurden thematisiert.

Doch der dritte Tag begann zunächst mit der Aufführung von Alfonso Cuaróns Weltraum-Survival-Thrillers Gravity. Der wahrscheinlich bei den meisten Lesern bereits bekannte Film aus dem Jahr 2013 bebildert eindrucksvoll das Thema Schwerelosigkeit und deren Einfluss auf die Beweglichkeit der Astronauten bei Außeneinsätzen. Dass das in dem Film geschilderte Katastrophenszenario womöglich etwas übertrieben wurde, sei mal an dieser Stelle vernachlässigt. In jedem Fall ist der Film durchaus realistisch in der Darstellung der physikalischen Bedingungen, unter denen die "Weltraumspaziergänger" arbeiten müssen; weshalb der Film für dieses Festival ausgewählt wurde. Laut Festivalleiter Jürgen Aha "geht es dem Festival um Inhalte". Deshalb mag es irgendwie sogar nachvollziehbar sein, dass selbst Filme wie Gravity lediglich mittels DVD auf die große Kinoleinwand gebracht und natürlich zwangsläufig dann nicht in 3D aufgeführt werden sowie das Bild durchaus etwas weniger hoch aufgelöst ist als man es gewöhnt sein mag. Das muss für einige Filmfans sicherlich lächerlich erscheinen, trotzdem ist das Erlebnis Gravity durchaus gegeben gewesen, was nicht zuletzt von der beeindruckenden Kameraarbeit Emmanuel Lubezkis bestimmt wird.

Allerdings erweckte das Festival mehrmals dein Eindruck, und dieser Kritikpunkt muss an dieser Stelle erlaubt sein, nicht sonderlich liebevoll mit dem Medium Film umzugehen. Die Verweigerung modernster Filmvorführtechnik, der Verzicht auf 3D oder die, wenn vorhanden, Auswahl der deutschen Synchronisation, was für ein Festival mit dem Wort "international" im Titel etwas irritierend erscheint, lässt sich vielleicht noch verschmerzen. Dass ein Film, wie im Falle von Gagarin - Wettlauf ins All am zweiten Festivaltag, einfach abgebrochen wird, sobald die ersten Buchstaben auf der Leinwand erscheinen, obwohl dies Texttafeln mit wichtigen Informationen sind sowie im Off noch Dialoge zu hören sind, fällt erheblich schwerer hinzunehmen. In solchen Momenten wird es dann doch offensichtlich, dass man es hier nicht mit einem klassischen Filmfestival zu tun hat und in dieser Hinsicht keine Professionalität zu erwarten sein kann. Bleibt zu hoffen, dass bis zum angedachten nächsten Space Film Festival im Jahre 2018 etwas Besserung eintritt. Auch die manchmal etwas unglückliche Filmauswahl lässt Luft nach oben, denn die Nachbesprechungen zu den von den Filmen aufgegriffenen Themen sind oftmals besser und spannender als die Filme selber. Sie sind der größte Pluspunkt dieses Filmfestes.

Und wo man schon bei Kritik ist, soll die wirklich enttäuschende Zuschauerresonanz nicht verschwiegen werden. Teilweise saßen nur einige wenige Weltraumenthusiasten im Kino, obwohl wirklich interessante Themen auf dem Programm standen. Die Ticketpreise mögen mit 10€ möglicherweise für einige zu hoch sein. Die Alternativen in Berlin sind jetzt auch nicht gerade klein, insbesondere wenn das Wetter so schön ist. Generell ist dieses Filmfest noch kaum bekannt; was aber auch auf zu wenig Marketing im Vorfeld des Filmfestes hindeutet. Da sollte in den nächsten Jahren dringend nachgebessert werden. Ein Selbstläufer ist dieses Festival trotz der faszinierenden Thematik leider nicht. Auf der anderen Seite verleiht die geringe Zuschauerzahl dem Ganzen etwas sehr Entspanntes und sogar Familiäres. Eigentlich auch nicht schlecht! Trotzdem überrascht das schwache Abschneiden etwas, was insbesondere schade ist, da unglaublich wunderbare Gesprächspartner gewonnen werden konnten.

Eine dieser faszinierenden Personen ist der holländische ESA-Astronaut André Kuipers. Er war ein unglaublich sympathischer Gesprächspartner nach der Vorführung von The Last Man on the Moon. Der genauso informative wie bewegende Dokumentarfilm über Apollo-17-Astronaut Gene Cernan erzählt nicht nur die Geschichte des Mannes, der als letztes einen Fuß auf den Mond setzte (was schon unglaubliche 45 Jahre her ist), sondern thematisiert auch die Folgen der Weltraumflüge auf die Austronauten selbst. Zum einen auf die familiären Verhältnisse; sind doch viele Ehen extremen Belastungsproben ausgesetzt, die oftmals in Scheidungen mündeten. Aber auch auf die Einstellung der Allbesucher auf ihre persönliche Weltsicht. Der Begriff des "Overview Effect" sei hier zu nennen. Dieser psychologische Effekt besagt, dass eine Person, die unsere Erde aus einer großen Entfernung betrachtet hat, dessen Begrenztheit und sogar Fragilität erst so wirklich begreift. Unser Planet mag für uns hier unten riesig bis unendlich erscheinen, doch ist er eigentlich etwas sehr Kleines, umgeben von dem kalten und unerbittlich bedrohendem Weltraum. Das wissen wir zwar irgendwie, aber haben das die Menschen wirklich begriffen? Wie kleinlich müssen politische oder religiöse Streitigkeiten und Landesgrenzen für Menschen erscheinen, die die Welt von oben sehen durften. So ist es kein Wunder, dass viele der Astronauten lebenslang zu Kämpfern für ihre Sache werden. Gene Cernan setzt sich bis ins hohe Alter für die Vorantreibung der Raumfahrt ein. Er wurde zu einem wunderbaren Redner, was dem Film sehr zu Gute kommt. Auch der zweimalige Weltraumbesucher André Kuipers (so wie wohl eine Vielzahl an Astronauten) ist ein wunderbarer Sprecher, der sich persönlich sehr für den Umweltschutz und den Erhalt unseres blauen Planeten einsetzt. Solchen Typen braucht die Welt und nicht zuletzt die Raumfahrt!

Ein weiterer mitreissender Streiter für die bemannte Raumfahrt ist Dr. Robert Zubrin. Der Begründer der Mars Society steht im Zentrum des womöglich interessantesten Filmes des gesamten Space Film Festivals: The Mars Underground von 2007 versucht zu untersuchen, warum sich die bemannte Raumfahrt seit Jahrzehnten in Stagnation befindet, und kommt zu dem Schluss, dass vor allem politischer Unwille und Kompetenzgerangel innerhalb der NASA ambitionierte Missionen wie dem bemannten Marsflug im Wege stehen. Der Film ist dabei eine schöne Zusammenfassung aller relevanten Aspekte, die es für eine Reise zum Mars braucht. Diese werden manchmal vielleicht nur angerissen, aber erlauben Denkanstösse in alle möglichen Richtungen. Zubrin und seine Mitstreiter behaupten seit langem unbeirrbar und mit großem Enthusiasmus, dass eine bemannte Marsmission schneller und kostengünstiger bewerkstelligt werden kann, als es NASA und Politik behaupten. Überhaupt muss sich die Menscheit wieder einer Aufgabe stellen, die das große Risiko Raumfahrt wieder rechtfertigt. Sonst könnte man gleich alles auf sich beruhen lassen. Zubrin ist jedoch kein Spinner von außen; er ist selbst anerkannter Wissenschaftler, der vielleicht aufgrund seines euphorischem Enthusiasmus über das Ziel hinaus geht und einige Probleme kleiner redet als sie sind, aber im Kern wohl Recht hat. Bei ihm klingt alles recht einfach und weckt Hoffnung, es könnte ja morgen bereits losgehen. Manchmal werden einige seiner Aussagen durch andere Wissenschaftler korrigiert, doch das sollte seiner Gesamtaussage nicht schaden. Nochmal: Solche Typen braucht es einfach! Der parallel zu diesem Film aufgeführte Der Marsianer - Rettet Mark Watney von Ridley Scott mag ein richtig guter, realistischer und spannender Spielfilm zum Thema Marsmissionen sein, doch The Mars Underground ist auf mehreren Ebenen interessanter und weitreichender!

Die bemannte Raumfahrt zu ferneren Planeten wurde dann nochmals am letzten Festivaltag aufgegriffen. Es wurde die BBC-Produktion Space Odyssey - Mission zu den Planeten aus dem Jahr 2004 aufgeführt, die in einer Vielzahl von Details sehr realistisch und glaubwürdig ist. Die Hauptproblematik dieser spielfilmartigen, fiktiven Dokumentation einer bemannten Raumfahrtmission zu gleich mehreren Planeten und Himmelskörpern innerhalb unseres Sonnensystems liegt jedoch in der wahnwitzig breit angelegten Reise, die im Grunde alle denkbaren Themen, die die Raumfahrt als Ziel haben könnte, auf einmal erschlagen und dabei auch gleiche alle Gefahren und Probleme mitabhandeln möchte. Eine solche Mission ist aus derzeitiger Sicht einfach komplett utopisch.

Genauso utopisch ist das Thema der Kryonik. Nach der Vorführung des eher mittelmäßigen Filmes Zero Gravity - Antrieb Überleben (immerhin mit Lance Henriksen in einer Nebenrolle) wurde über dieses exotische Randthema der Raumfahrt diskutiert. Die Idee, Menschen einfrieren zu lassen, ist bereits relativ alt, doch die Umsetzung erscheint noch sehr weit entfernt. Rein technisch erfolgt das Einfrieren bereits schon heute; nur kann derzeit niemand sagen, ob und wann ein Auftauprozess überhaupt denkbar sein wird. Und was nicht einmal unter Laborbedingungen für niedere Lebensformen funktioniert, dürfte als automatisierter Prozess an Bord eines Raumfahrzeuges ein unvorstellbar großes Problem darstellen. Der zum Thema gezeigte (zugegebenerweise langweilige) Film selbst behandelt diesen Aspekt auch nur ganz am Rande. Darüber nachdenken sollte man jedoch schon.

* * *

Das Space Film Festival 2016 ist damit zu Ende. Es war ein interessantes kleines Event, das mehr Zuschauer verdient gehabt hätte, auch wenn es einige durchaus angebrachte Kritikpunkte gibt, die jedoch ohne Frage problemlos ausgebessert werden können. Wenn alles finanziell klappt, soll es 2018 hoffentlich ein weiteres Filmfest dieser Art geben: Diesmal mit dem Partnerland China, dessen Weltraumprogramm hierzulande kaum beachtet wird, aber sehr konsequent und effektiv vorangetrieben wird. Vielleicht sind es ja die Chinesen, die wieder zum Mond fliegen oder gar Menschen erstmals auf den Mars bringen. Man kann darauf und auf das Space Film Festival 2018 gespannt bleiben! Ich bin es in jedem Fall...

Artikel zu den ersten zwei Tagen des Space Film Festivals 2016

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