Die Netflix-Hits Squid Game & Haus des Geldes teilen mehr als rote Overalls – beide scheitern an der Logik

03.10.2021 - 09:00 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
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Die spannenden Todesspiele der Netflix-Serie Squid Game begeistern Fans weltweit. Der Spaß und Thrill wird aber immer wieder von fehlerhafter Logik begleitet. Das erinnert stark an das Haus des Geldes-Phänomen.

Der südkoreanische Thriller Squid Game ist jetzt ganz offiziell die größte Netflix-Serie aller Zeiten. Ein internationaler Überraschungserfolg wie einst die spanische Heist-Serie Haus des Geldes. Squid Game und Haus des Geldes haben aber mehr gemeinsam als hohe Streaming-Zahlen und schicke rote Overalls: Beide Serie etablieren eine innere Logik, die mehrfach dreist ignoriert wird.

In Squid Game nehmen 456 verschuldete und verzweifelte Menschen an einer Reihe von tödlichen Kinderspielen teil. In einer sonst unfairen Welt sollen sie hier eine faire Chance auf ein besseres Leben erhalten. Von der angepriesenen Gleichberechtigung fehlt aber jede Spur. Das groß inszenierte Spiel ist eine Farce. Und es gibt drei Dinge, die das beweisen.

Squid Game bei Netflix: Ein Todesspiel mit fairen Chancen? Fehlanzeige!

Im Verlauf der 9 Episoden betont der Frontman und Leiter der sechs Spiele immer wieder, dass die Teilnehmenden, die in ihrem Leben Ungerechtigkeit und Diskriminierung erdulden mussten, hier komplett gleichberechtigt sind. Jeder soll die gleiche Chance auf den Sieg haben – oder auf einen brutalen Tod. Je nachdem.

Squid Game - S01 Trailer (Deutsch) HD
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Diese Ideologie aber bricht in sich zusammen, wenn manche Spieler:innen einen unfairen Vorteil erhalten, Cheaten dauerhaft geduldet wird und der Gamemaster sogar seinen Favoriten absichtlich gewinnen lässt.

1. Der Arzt wird offensichtlich bevorzugt

Fangen wir gleich bei der offensichtlichsten Bevorzugung bestimmter Spieler:innen an. In der ersten Hälfte von Squid Game erfahren wir, dass der Teilnehmer und Arzt Byeong-gi (Sung-joo Yoo) eine Sonderbehandlung erfährt. Er konspiriert mit einigen Handlangern, die ein lukratives Nebengeschäft führen und ausgeschiedenen Spielenden Organe entnehmen, um diese später zu verkaufen.

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Im Gegenzug für seine chirurgischen Dienste erfährt Byeong-gi schon vorher, welches Spiel als nächstes dran ist. Immerhin stellt sich später heraus, dass dies nicht im Sinne der Spielleitung geschehen ist. Byeong-gi und die involvierten Handlanger werden öffentlich hingerichtet. Dies nimmt die Spielleitung nochmals zum Anlass, um die Ideologie hinter den Spielen und die vermeintlich fairen Chancen der Teilnehmenden zu betonen. Aber selbst die Spiele an sich sind nicht fair.

2. Das unfaire Zuckerspiel verschafft einigen Spielenden einen Vorteil

Alle Spielerinnen und Spieler erhalten die gleiche Chance. Diese Aussage widerlegt bereits Spiel Nummer 2: das Zuckerfiguren-Spiel. Hier sollen in einem vorgegebenen Zeitrahmen verschiedene Formen aus Zuckerteig herausgebrochen werden, ohne dass diese zerbrechen. Allerdings geben die Formen unterschiedliche Schwierigkeitsgrade vor.

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Wer einen Kreis oder ein Dreieck hat, hat es wesentlich leichter, als die Teilnehmenden, denen die komplexeren Formen Stern oder Regenschirm zugeteilt wurden. Dank Gi-huns (Jung-Jae Lee) Leck-Trick gibt es zwar eine alternative und einfachere Möglichkeit, die Aufgabe zu absolvieren. Dennoch sind diejenigen mit Kreis- und Dreieck-Formen im Vorteil. Gleichberechtigung sieht anders aus. Schließlich wissen die meisten Spieler:innen zum Zeitpunkt, an dem sie sich für eine Form entscheiden müssen, noch nicht, was die eigentliche Aufgabe sein wird.

3. Das Team von Nummer 001 ist immer im Vorteil

Zugegeben: Protagonist Gi-hun bzw. Spieler Nummer 456 überlebt die ersten Spiele eher durch Glück und nicht durch Einwirkung von Außen. Das ändert sich aber ab dem Tauziehen-Spiel.

Der Schöpfer des Squid Games, der sich als Kandidat Nummer 001 selbst in das Spiel integrierte, baut große Sympathien für Gi-hun auf. Nur durch seine vorgeschlagene Strategie ist es der Gruppe möglich, dieses Spiel zu gewinnen. Das Squid Game-Mastermind Oh Il-nam (Yeong-su Oh) in der eigenen Gruppe zu haben, ist eindeutig ein Vorteil gegenüber anderen Gruppen.

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Dass Gi-hun im Murmel-Spiel dann auch noch Il-nam zum Gegenspieler hat, treibt seinen Vorteil gegenüber allen anderen endgültig in absurde Höhen. Denn der Alte hat absolut nichts zu verlieren. Wenn er verliert, wird er als Organisator des Spiels schließlich nicht erschossen. Also lässt er Gi-hun absichtlich gewinnen.

Aber auch wenn die beiden sich nicht zusammengetan hätten, stehen die Chancen gut, dass Gi-hun die Runde überlebt hätte. Denn vor dem Spiel überreicht Nummer 001 ihm seine Jacke und macht ihn dadurch quasi unverwundbar. Die Handlanger in den roten Overalls müssen schließlich angewiesen worden sein, die Person mit dieser Nummer nicht töten zu dürfen.

Der Netflix-Hit Squid Game macht wenig Sinn, aber umso mehr Spaß – genau wie Haus des Geldes

Noch ein Beispiel gefällig? Sae-byeok (Ho-yeon Jung) und die zwei Finalisten Gi-hun und Sang-woo (Hae-soo Park) sitzen vor Spiel Nummer 6 an einem Tisch in Form eines gleichseitigen Dreiecks.

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Dieses symbolträchtige Bild soll nochmal das Prinzip der Gleichberechtigung verdeutlichen. Dass Spielerin Nummer 67 schwer verletzt und dem Tode nah im Finale antreten soll, steht im direkten Widerspruch zu diesen Bild und ist beispielhaft für die fragile Logik der Spielregeln.

Versteht mich nicht falsch. Ich bin von Squid Game begeistert – wie auch von Haus des Geldes, das wesentlich mehr klaffende Logiklöcher aufweist. Die Serie vereint pointierte Gesellschaftskritik mit dem absolut spannenden Horror des Battle Royale-Genres.

Ich habe gelacht, mitgefiebert, war schockiert und lag am Ende von Folge 6 heulend am Boden. Die Serie wird ihrem Ruf absolut gerecht. Ganze ohne Fehler ist sie aber nicht. Oder, und auch das ist möglich: Die korrumpierte Spiellogik ist ein ganz bewusster, zynischer Kommentar der Macher, dass absolute Gleichberechtigung nicht existiert.

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Wie hat euch Squid Game gefallen? Haben euch die Fehler in den Prinzipien des Spiels gestört?

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